Passanten überqueren die Westminster Bridge (London): Für viele Briten ist Finanzberatung nicht mehr erschwinglich. © dpa/picture alliance
  • Von Oliver Lepold
  • 05.10.2017 um 14:58
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Großbritannien hat es dank strikter Regulierung geschafft, Beratungsqualität und Verdienst der Finanzberater deutlich zu steigern. Auf der anderen Seite finden viele Kunden keinen Berater mehr. Was können deutsche Regulierungshüter daraus lernen?

„Vor der Regulierung war der Vertrieb provisionsgetrieben, die Vergütung war undurchschaubar. Es wurde nur auf den Verkauf wert gelegt und nicht auf eine lebensbegleitende Betreuung des Kunden“, erinnert sich Steve Murray, Vorstandsvorsitzender von 1825, einer  Standard-Life-Tochter, die Finanzplanung für Kunden anbietet, an die Zeit vor mehr als zehn Jahren. Die Produktanbieter hatten damals zudem kaum einen direkten Bezug zum Endkunden.

Parallelen zum heutigen deutschen Finanzdienstleistungsmarkt sind gegeben. Großbritannien hat 2013 mit der sogenannten Retail Distribution Review (RDR) und nachfolgenden Regulierungen den eigenen Markt total umgekrempelt.

Unter anderem wurde ein Provisionsverbot in der Altersvorsorge und bei der Vermittlung von Anlageprodukten verhängt, rigide Qualitätskriterien und absolute Transparenz in der Vergütung eingeführt.

Unabhängige Berater dominieren

Ergebnis:

Es gibt heute mit rund 30.000 deutlich weniger Berater als früher, aber diese verdienen mehr und genießen ein deutlich verbessertes Image auf dem Level eines Ehrenberufes wie Rechtsanwalt.

„Die Regulierung sorgte für eine landesweit durchgehende hohe Beratungsqualität. Die Beratung von Privatkunden ist heutzutage fest in der Hand von banken- und versicherungsunabhängigen Finanzberatern“, so Murray. Im Versicherungsbereich (ohne Altersvorsorge) blieben Provisionen erlaubt, dieses Segment ist in der Vermittlung strikt getrennt von den Kapitalanlagen.

Die Kehrseite der Medaille:

Es entstand eine erhebliche Advice Gap – eine Beratungslücke. Für weite Teile der Bevölkerung ist Finanzberatung nicht mehr erschwinglich. Erst ab einem Vermögen in Höhe von 100.000 Pfund (etwa 114.000 Euro) fallen Anleger in die Kundenzielgruppe der Berater, die „fee based“ gegen Honorar beraten.

Viele gering und normal verdienende Kunden – nach Schätzungen sind es rund 2,5 Millionen Menschen über 18 Jahre – finden auf der Insel kein Angebot mehr am Markt. Sie sind damit auf sich allein gestellt und sorgen daher meist zu wenig oder gar nicht für ihr Alter vor.

Wird sich Deutschland in eine ähnliche Richtung bewegen? Standard Life erkennt einige Anzeichen, dass wesentliche Eckpunkte des britischen Systems bald auch in Deutschland eine wichtige Rolle spielen werden, auch wenn ein Provisionsverbot in Deutschland unwahrscheinlich ist.

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Oliver Lepold

Oliver Lepold ist Dipl.-Wirtschaftsingenieur und freier Journalist für Themen rund um Finanzberatung und Vermögensverwaltung. Er schreibt regelmäßig für Pfefferminzia und andere Versicherungs- und Kapitalanlage-Medien.

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