- Von Lorenz Klein
- 18.10.2022 um 12:04
Jeder zweite Mann und zwei von drei Frauen in Deutschland werden im Laufe des Lebens pflegebedürftig. 2020 traf dies auf rund 4,5 Millionen Menschen zu – bis 2050 könnten es rund 6,5 Millionen Menschen sein, wie Experten aufgrund des demographischen Wandels prognostizieren.
Doch obwohl das Thema irgendwann fast jede und jeden einholt – sei es persönlich oder im familiären Umfeld – hat sich die Hälfte der Deutschen noch nie Gedanken zur eigenen Pflege gemacht. Ein Drittel der Bevölkerung hat auch in naher Zukunft nicht vor, das zu tun. Zu diesem Ergebnis kommt eine repräsentative Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Yougov im Auftrag des Versicherers Axa.
Durchschnittlicher Eigenanteil im Pflegeheim steigt über 2.000 Euro
Experten warnen vor wachsender Pflegelücke
Schaut man genauer in die Umfrage hinein, an der sich 2.047 erwachsene Personen in Deutschland im Juni 2022 beteiligten, zeigen sich teils höchst unterschiedliche Ergebnisse – etwa in Bezug auf die Geschlechter: Während sich fast jede zweite Frau (49 Prozent) schon einmal mit der eigenen Pflege beschäftigt hat, tat dies von den Männern nur etwa jeder Dritte (37 Prozent).
Zudem machen sich Menschen ohne eigene Kinder deutlich häufiger Gedanken über die eigene Versorgung als Eltern. So haben sich immerhin 45 Prozent der Kinderlosen schon einmal mit der eigenen Pflege auseinandergesetzt. Zugleich gilt, dass nur 39 Prozent der Befragten mit einem Kind sich bisher mit dieser Frage befasst haben. Bei Eltern von zwei oder drei Kindern sind es mit 36 Prozent beziehungsweise 32 Prozent noch weniger.
Kaum jemand möchte im Heim gepflegt werden
Außerdem zeigt sich an der aktuellen Axa-Umfrage erneut, wie unbeliebt das Pflegeheim als Ort der Versorgung unter den Deutschen ist: Nur 6 Prozent der Befragten geben an, im Fall der Fälle gerne in einem Pflegeheim zu leben. Mehr als die Hälfte (57 Prozent) hängt am eigenen Zuhause. Mit Abstand am beliebtesten ist die Versorgung durch einen ambulanten Pflegedienst (27 Prozent) oder direkte Angehörige (21 Prozent). Männer (23 Prozent) möchten noch häufiger als Frauen (19 Prozent) von der eigenen Partnerin, dem eigenen Partner beziehungsweise weiteren Verwandten in den eigenen vier Wänden versorgt werden.
Vor allem Frauen leiden unter Strapazen als Pflegende
„Vier bis fünf Millionen Menschen in Deutschland pflegen Angehörige. Überwiegend übernehmen Frauen diese Aufgabe. Die Versorgung von Familienmitgliedern ist körperlich und psychisch fordernd und braucht Zeit. Häufig hat eine dauerhafte Mehrbelastung zur Folge, dass Pflegende ihre berufliche Tätigkeit reduzieren oder ganz aufgeben müssen“, gibt Adelheid Kuhlmey zu bedenken. Die Direktorin des Instituts für Medizinische Soziologie und Rehabilitationswissenschaft an der Charité Berlin betont daher, dass es umso wichtiger sei, sich frühzeitig mit dieser Situation zu beschäftigen. Die wichtigsten Fragen lauten demnach: Wie soll meine eigene Pflege und die meiner Angehörigen aussehen und wie kann ich die unterschiedlichen Modelle finanzieren? „Das sind Fragen, die man sich idealerweise schon als junger Mensch stellen sollte, um später ein möglichst selbstbestimmtes Leben führen zu können“, so Kuhlmey.
Dabei gilt, wie so oft im Leben, dass Erfahrung klug macht: Menschen, die bereits selbst Eltern, Partnerinnen oder Partner oder auch weitere nahe Angehörige gepflegt haben, geben deutlich häufiger an, genau zu wissen, wie sie einmal selbst versorgt werden wollen. Von ihnen tun dies 35 Prozent. Befragte, die hingegen noch nie mit dem Thema in Kontakt gekommen sind, wissen dies nur zu 7 Prozent.
Das Alter spielt hier ebenfalls eine entscheidende Rolle: Fast Dreiviertel der 25- bis 34-Jährigen (63 Prozent) haben sich noch nie mit der eigenen Pflegebedürftigkeit auseinandergesetzt. Mit zunehmendem Alter sinkt diese Zahl zwar, doch selbst unter den über 55-Jährigen hat sich mehr als ein Drittel (35 Prozent) noch keine Gedanken dazu gemacht.
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