- Von Lorenz Klein
- 01.09.2017 um 10:35
Die gesetzliche Unfallversicherung versichert Arbeitnehmer, wenn sie ihrer beruflichen Tätigkeit nachgehen und wenn sie sich auf dem Weg zur Arbeit machen und sich von dort wieder nach Hause begeben.
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Die Frage, wo der gesetzliche Unfallschutz beginnt beziehungsweise aufhört, ist immer wieder Gegenstand juristischer Auseinandersetzungen. Nun hat das Bundessozialgericht ein Urteil gesprochen, das zunächst kurios erscheint.
Die Richter haben entschieden, dass ein Versicherungsschutz auch dann gegeben ist, wenn der Arbeitsweg durch ein Fenster führt – zumindest dann, wenn andere Wege versperrt sind (AZ: B 2 U 2/16 R).
Wie lautet der konkrete Fall?
Ein gesetzlich versicherter Fahrzeuglackierer muss zu einem wichtigen beruflichen Termin. Doch er kann seine Dachgeschosswohnung nicht verlassen, weil der Schlüssel in seiner Wohnungstür abbrach. Der Lackierer sieht nur eine Möglichkeit: Der Weg durchs Fenster.
Doch das misslingt. Der Mann stürzt auf ein Vordach und bricht sich den Unterschenkel. Die Berufsgenossenschaft Verkehr erkennt den Unfall aber nicht als Arbeitswegeunfall an. Begründung: Auf dem Vordach habe sich der Mann noch nicht im öffentlichen Raum befunden.
Das Urteil
Das Bundessozialgericht widerspricht der Berufsgenossenschaft und gesteht dem verunglückten Mann Versicherungsschutz zu. Entscheidend sei, so die Richter, ob sich ein Arbeitnehmer oder wie in diesem Fall ein gesetzlich versicherter Selbstständiger „auf einem unmittelbaren Weg zu seiner Betriebsstätte“ befinde. Die Richter bejahen dies in „diesem Einzelfall“, sie betonen aber zugleich, dass das Urteil „kein Freibrief für Kletterer“ sei.
Erst wenn der normale Weg durch Wohnungstür und Treppenhaus unpassierbar sei und der Weg durchs Fenster „objektiv geeignet“ sei, also nach objektiven Maßstäben unfallfrei zu bewerkstelligen sei, besteht Versicherungsschutz.
Was gilt nicht als versicherter Arbeitsweg?
Versicherungsschutz gilt hingegen nicht, wenn der direkte Arbeitsweg durch einen Abstecher des Arbeitnehmers unterbrochen wird. So entschied das Bundessozialgericht in zwei weiteren Urteilen, dass bei einer privaten Unterbrechung einer Autofahrt zur Arbeit der Versicherungsschutz erst dann wieder auflebt, wenn der Arbeitnehmer zur Weiterfahrt wieder im Auto sitzt.
In einem Fall betraf dies einen Abstecher zum Bäcker, bei dem ein Mann auf dem Rückweg zum Auto stürzte. In einem zweiten Fall hatte eine Frau ihre Mahlzeit durch die Beifahrertür ins Auto gelegt, war zur Fahrerseite gegangen – und dabei gestürzt.
Das Gericht wies beide Klagen ab (AZ: B 2 U 1/16 R und B 2 U 11/16 R).
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