- Von Lorenz Klein
- 08.06.2017 um 15:17
Was ist geschehen?
Ein 1968 geborener Versicherungsnehmer hatte bei seinem Versicherer eine Berufsunfähigkeitsversicherung (BU) abgeschlossen. Seit 2002 war er in seinem Beruf als Gas- und Wasserinstallateur berufsunfähig und der Versicherer erbrachte die vertraglichen Leistungen und zahlte eine Rente.
Die besten BU-Versicherungen
Warum BU-Versicherer die Leistung ablehnen
Berufsunfähigkeitsversicherung und ihre Facetten
Im weiteren Verlauf machte er eine Umschulung zum technischen Zeichner. Seit 2015 ist er in diesem Beruf tätig. Der Versicherer macht daraufhin von seinem vermeintlichen Recht Gebrauch, den Versicherten auf eine neu erlernte und ausgeübte Tätigkeit zu verweisen und stellt die Rentenzahlungen ein. Der Kläger klagt daraufhin auf Feststellung, dass die Leistungspflicht aus der BU-Versicherung fortbesteht. Nachdem das Landgericht die Klage zunächst abwies, hatte sie vor dem Oberlandesgericht (OLG) Oldenburg Erfolg.
Das Urteil
Das OLG Oldenburg hatte darüber zu entscheiden, ob der neue Beruf als technischer Zeichner mit dem ursprünglichen Beruf vergleichbar war, sodass der Versicherer den Versicherungsnehmer konkret darauf verweisen konnte. Im Unterschied zur abstrakten Verweisung genügt es bei der konkreten Verweisung nicht, dass der Versicherer nur einen beliebigen Beruf aufzeigen muss, den der Versicherungsnehmer ausüben könnte, um von der Leistungspflicht befreit zu werden – unabhängig davon, ob der Versicherungsnehmer eine Anstellung in diesem Berufsfeld bekommt oder nicht. Bei der konkreten Verweisung darf der Versicherer hingegen nur auf solche Berufe verweisen, die der Versicherungsnehmer auch tatsächlich ausübt.
Das OLG hat deutlich gemacht, dass als Verweisungsberuf nur solche Berufe infrage kommen, die der Ausbildung, Erfahrung und bisherigen Lebensstellung des Versicherungsnehmers entsprechen. Liegen zwischen Eintritt der Berufsunfähigkeit und der Verweisung mehrere Jahre – in diesem Fall 13 Jahre – so müssen die Einkünfte aus dem ursprünglichen Beruf fortgeschrieben werden, so das Urteil der Richter. (Az. 5 U 84/16). Demzufolge darf keine Verweisung bei Einkommensdifferenz zwischen altem und neuem Beruf durch den Versicherer erfolgen.
Die Einschätzung des Experten
Heiko Effelsberg, Fachanwalt für Versicherungsrecht, begrüßt das Urteil in seinem Blog. Bei der Bewertung der Vergleichbarkeit auf die soziale Stellung und Anerkennung des Berufs dürfe nicht nur der reine Betrag der Einkünfte herangezogen werden, sondern insbesondere die Kaufkraft. „Dass diese sich in den 13 Jahren zwischen Eintritt der Berufsunfähigkeit und Bewertung des Vergleichsberufs geändert hat, ist offenkundig“, stellt Effelsberg klar.
Insofern sei es an sich „nur selbstverständlich“, dass eine Anpassung der alten Werte erfolgen müsse. Die Berücksichtigung der tatsächlichen Lohnentwicklung im Altberuf sei dabei näherliegender und für den Versicherungsnehmer im Zweifel günstiger, als wenn das Gericht lediglich die Inflation ausgeglichen hätte. „Lediglich in dem Fall, dass die Lohnentwicklung hinter der Inflation zurückgeblieben wäre – was in einigen Berufen der Fall ist –, stellt sich die Frage, ob auch dann auf die konkreten Verdienstmöglichkeiten abgestellt werden muss.“
Das Recht der Verweisung stelle einen häufigen Streitpunkt im Fall der Berufsunfähigkeit dar, fasst Effelsberg zusammen. Ursprünglich hätten fast alle Verträge das Recht zur Verweisung vorgesehen, so der Anwalt, in den letzten Jahren verzichteten eine Reihe von Versicherern jedoch ausdrücklich auf diese Möglichkeit.
0 Kommentare
- anmelden
- registrieren
kommentieren