- Von Redaktion
- 22.08.2014 um 15:21
Von Hans Peter Wolter und Jochen Strohmeyer
Geht in der deutschen Finanzdienstleistung die Zeit der Regulierungen langsam dem Ende entgegen? Gerade erst war die Frist der Übergangsregeln aus dem Kreditwesengesetz (KWG) für die einst sogenannten geschlossenen Fonds abgelaufen, schon folgte das Lebensversicherungsreformgesetz und Anfang August trat das Honoraranlageberatungsgesetz in Kraft.Zuvor schon gab es die Regulierungen für den Vertrieb durch die Verordnung über die Finanzanlagenvermittlung (FinVermV).
Die Liste ließe sich fast beliebig verlängern. Es sind dies alles Vorschriften zur Umsetzung von EU-Richtlinien. Übergeordneter Gedanke ist das hehre Ziel, Verbraucher zu schützen und Finanzprodukte transparenter zu machen. Alles sollte fein aufeinander abgestimmt sein. Ist es aber nicht. Es fehlt die innere Logik.
Druck, Honorarberatung auszuweiten, wächst
Wer nun glaubt, bald sei das Ende der Regulierungswelle erreicht, wird sich getäuscht sehen. Die europäische Wertpapieraufsicht fordert bereits ein Provisionsverbot bei Wertpapieranlagen, wie beispielsweise Investmentfonds. Druck kommt auch von Verbraucher- und Anlegerschutzseite. Beispielsweise mit dem Ergebnis, dass das Verbraucherministerium für das Honoraranlageberatungsgesetz bereits signalisiert, es auf alle Honorarberater ausweiten zu wollen. Bisher sind nur solche Berater reguliert, die die entsprechende KWG-Zulassung besitzen.
Der Ruf nach Regulierungen des von Skandalen begleiteten sogenannten grauen Kapitalmarktes wird spätestens mit dem nächsten Skandal unüberhörbar, und der kommt bestimmt! Die Minister Wolfgang Schäuble (Finanzen) und Heiko Maas (Verbraucher) haben ihre Mitarbeiter bereits angewiesen, für Fälle wie diese ein Kleinanlegerschutzgesetz vorzubereiten. Auch das eiligst durchgepeitschte Lebensversicherungsreformgesetz sehen viele Experten als zumindest verbesserungswürdig wenn nicht sogar als ungerecht an.
Immer wieder die Debatte um Provisionen
Im Zentrum der Diskussionen steht immer wieder und immer noch die Debatte um die Provisionen. Da ist einmal die Forderung der Verbraucherschützer, Provisionen ganz abzuschaffen. Dann gibt es die Diskussion Honorar versus Provision. Und da ist die Transparenzinitiative zur Offenlegung der Provisionen. Ursprünglich plante die Politik mit dem Lebensversicherungsreformgesetz, die Verdienste am Verbraucher in Euro und Cent ausweisen zu lassen, und zwar auch für Lebensversicherungen, für Berufsunfähigkeits-Policen, Riester-Renten und Unfallversicherungen mit Prämienrückgewähr.
Die Versicherungslobby intervenierte vehement – und interessanterweise auch die Maklerverbände, deren Mitglieder eigentlich auf Seiten der Verbraucher stehen sollten. Ihnen gelang es, das Blitz-Gesetz an der entscheidenden Stelle der Provisionsoffenlegung dermaßen aufzuweichen, dass am Ende „für mehr Transparenz“ ab 2015 lediglich noch die Angabe der sogenannten Effektivkosten sorgen sollen. Ein Paradebeispiel dafür, wie Politiker mit einem einzigen Federstrich ein ganzes Regulierungsgefüge untergraben können.
„Noch so ein Sieg, und wir sind verloren!“ Dieser Ausspruch wird König Pyrrhus I. von Epirus nach seinem Sieg über die Römer in der Schlacht bei Asculum (Süditalien) 279 v. Chr. zugeschrieben. Der Sieger geht geschwächt aus dem Kampf hervor und kann auf diesem Sieg nicht aufbauen. Diese historische Begebenheit kommt einem in den Sinn, wenn man sich die Argumente der Versicherungslobby näher ansieht.
Argumente der Versicherungsbranche, die keine sind
Die Versicherungsbranche drohte mit dem Verlust von Arbeitsplätzen, ohne dieses zu begründen. Viel wahrscheinlicher ist es, dass Arbeitsplätze nur von der Versicherungsbranche hin zu anderen Branchen der Finanzdienstleistung abgewandert wären. Weiter: Der Ausweis von Vermittlungsprovisionen wäre ungerecht, denn dann müssten zur Relativierung alle Kosten ausgewiesen werden. Ein überaus vernünftiger Vorschlag. Aber nachdem die Branche ein veritables Eigentor befürchtete, war das Argument kaum mehr vernehmbar. Drittes Argument: Auch andere Branchen müssten nicht ihre Kalkulation, geschweige denn ihre Gewinnmargen offenlegen.
Doch trägt diese Argumentation wirklich? Mitnichten! Die Versicherungsbranche beansprucht für sich Ausnahmen für die Vermittlung von Versicherungen in einer Zeit, wenn soeben durch Paragraf 17 der Finanzanlagenvermittlungsverordnung (FinVermV) dezidiert die Offenlegung der Provisionserträge für alle Vermittler nach Paragraf 34f der Gewerbeordnung geregelt wurde. Wo soll denn der Unterschied liegen zwischen dem Informationsbedürfnis des Kunden bei einem Lebensversicherungsprodukt und einem Produkt aus der Welt der Investmentfonds?
Und teilweise ist die Regulierung in anderen Finanz-Bereichen längst weiter: Paragraf 655a des Bürgerlichen Gesetzbuchs verpflichtet Darlehensvermittler bereits seit einigen Jahren, gegenüber dem Kunden die Vermittlungsprovision der Höhe nach in Euro und Cent anzugeben. Dies sogar dann, wenn der Vermittler eines Darlehens mit dem Kunden keinen Vermittlungsvertrag abgeschlossen hat und er eine Provision ausschließlich von der Bank bekommt. Und die seriösen Anbieter der früheren geschlossenen Fonds sehen den Provisionsausweis bei ihren jetzt sogenannten und regulierten Alternativen Investment Fonds (AIF) ebenfalls als Transparenzgewinn.
Bevorzugung der Versicherungswelt
Den „Erfolg“ der Versicherungsbranche, die Provisionsoffenlegung wieder gekippt zu haben, mit dem Hinweis auf lobbyistische Macht zu begründen, dürfte zu kurz gesprungen sein. Denn als potenzieller Gegner bei der Werbung um Kundengelder hat man es immerhin vor allem mit der Bankenwelt zu tun, die hinsichtlich Provisionsoffenlegung sehr viel strenger reguliert ist. Ob diese durchaus mächtigen Konkurrenten die Bevorzugung der Versicherungswelt auf Dauer hinnehmen? Dies darf doch stark bezweifelt werden: Denn warum sollte beispielsweise ein Investmentfonds mit einem Provisionsverbot belegt sein, eine Versicherung aber ihre Provisionen nicht offenlegen müssen?
Wie seltsam die Provisionsregelung für Versicherungen anmutet, macht noch ein anderer Umstand deutlich, den die Versicherungswelt möglichst unter der Decke halten möchte: Warum muss eigentlich zu einem internationalen Aktienfonds mit einigem Verwaltungsaufwand inhaltlich beraten werden, während zum exakt gleichen Fonds – lediglich eingepackt in einem Versicherungsmantel – ganz anders und sicherlich weniger inhaltsbezogen beraten werden darf? Wie lange wird das Argument noch halten, dass es sich hier angeblich um ein biometrisches Produkt handelt und nicht um eine Kapitalanlage?
Fondspolice ist Kapitalanlage
Die Politik erlangte bereits im Jahre 2009 Kenntnis davon, dass eine Fondspolice – mag sie auch in einen Versicherungsmantel gehüllt sein – nichts anderes darstellt als eine Kapitalanlage. Denn unter anderem diese Erkenntnis steht im Fokus der 2008 im Auftrag des Bundeswirtschaftsministeriums erstellten Studie zu „Anforderungen an Finanzvermittler – mehr Qualität, bessere Entscheidungen“.
Auch nach dem allseits bekannten Urteil des Bundesgerichtshofs vom 11. Juli 2012 (Aktenzeichen IV ZR 164/11) zu den Policen von Clerical Medical (CMI) ist eine Fondspolice mit einem Kapitalanlageprodukt vergleichbar. Da mag die Versicherungswirtschaft ruhig die gegenteilige Meinung des Oberlandesgerichtes Köln feiern – formuliert in einem letztlich nicht relevanten Nebensatz (Az. 20 U 156/13 v. 31.01.2014).
Die strengere Regulierung der Banken gegenüber den Versicherungen wird sich nicht mit Verweis auf den allgemeinen Gleichheitssatz anfechten lassen: Das Bundesverfassungsgericht akzeptiert regelmäßig die durch die Politik förmlich begründete Ungleichbehandlung ähnlicher Branchen. Inhaltlich wird man jedoch an Orwell’sches „Doppeldenk“ erinnert: Die Politik rechtfertigt das, was sie selbst schon lange als ungerechtfertigt erkannt hat.
Chance vertan, das Image aufzubessern
Solange die Rechtsprechung zu Ungleichbehandlungen führt, wird das Recht keine dauerhafte Befriedungsfunktion erfüllen. Aber immer dann, wenn sich das Recht nur auf eine förmliche Begründung zu stützen vermag, die von seinen Adressaten inhaltlich nicht als legitim erachtet wird, verliert es seine dauerhafte Befriedungsfunktion. Da mag es noch so sehr in formelle demokratische Normen gegossen sein. Deshalb wird auch von Rechts wegen der Druck auf dem Kessel bleiben.
Mit ihrer Intervention beim Gesetzgeber hat die Versicherungsbranche die große Chance vertan, etwas für die dringend notwendige Imageaufbesserung zu tun. Mit einer Offenlegung der Provisionen und anderer Kosten hätte sie sich auf eine Stufe mit anderen Produkten der Finanzdienstleistungswelt und mit der von Sympathie getragenen Honorarberatung gestellt. Die Modelle wären vergleichbar geworden, die Akzeptanz für Provisionszahlungen bei guter Beratungsleistung wäre gestiegen.
Die öffentliche Diskussion über die Verhinderung der Provisionsoffenlegung aber hat der Honorarberatung womöglich weiteren Vorschub geleistet und das eigene schlechte Image der Assekuranz nur befördert. Schlimmer noch: Stehen die Versicherungsprodukte hinsichtlich Transparenz jetzt als eine der letzten Finanzdienstleistungsprodukte gar auf gleichem Niveau wie die des grauen, skandalumwitterten Kapitalmarktes? Wie sonst sollte man diesen Sieg der Versicherungswirtschaft nennen, wenn nicht einen Pyrrhus-Sieg.
Selbst wenn der nationale Gesetzgeber zu einer inhaltlich kaum zu rechtfertigenden Privilegierung der Versicherungswirtschaft für eine weitere Dekade bereit wäre, würde auch während dieses Zeitraums der von der Europäischen Union ausgeübte Anpassungsdruck in dieser Frage aufrecht erhalten bleiben. Ein solch zweifelhafter Sieg der Versicherungslobby auf Zeit währt nur so lange, bis die innere Logik wieder hergestellt ist. Auch Pyrrhus hatte einst erfahren müssen, dass Siege zu teuer bezahlt sein könnten!
Über die Autoren
Hans Peter Wolter ist Diplom-Kaufmann und Certified Financial Planner in Heidelberg. Seit 30 Jahren ist er im Bereich der Finanzdienstleistungen tätig, unter anderem war er Geschäftsführer der Vertriebsgesellschaft ZSH. Heute ist Wolter freier Unternehmensberater in diesem Bereich. Er ist Beirat in der Vereinigung zum Schutz für Anlage- und Versicherungsvermittler (VSAV) und Mit-Autor des neuen DIN-Standards für die Finanzanalyse von Privathaushalten.
Jochen Strohmeyer ist Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht und Partner der ausschließlich in diesem Rechtsgebiet mit insgesamt 17 Berufsträgern aktiven Fachkanzlei mzs Rechtsanwälte, Düsseldorf. Er ist Autor zahlreicher Beiträge in Fachpublikationen und in der Fachpresse. Zudem engagiert er sich im Beirat in der Vereinigung zum Schutz für Anlage- und Versicherungsvermittler (VSAV).
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