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  • Von Redaktion
  • 05.08.2014 um 09:27
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Brauchen Kunden einen Abschluss in Wirtschaftswissenschaften, um die Schriftsätze von Finanzdienstleistern zu verstehen? Meistens ja, so das Ergebnis einer Studie. Doch es gibt Lichtblicke – zum Beispiel bei den Produktinformationsblättern (PIB) und FAQ.

Verstehen Sie diesen Satz auf Anhieb?

„Ein wichtiger Grund liegt insbesondere vor, wenn der Kunde unrichtige Angaben über seine Vermögensverhältnisse gemacht hat, die für die Entscheidung der Bank über eine Kreditgewährung oder über andere mit Risiken für die Bank verbundenen Geschäfte (z.B. Aushändigung einer Zahlungskarte) von erheblicher Bedeutung waren, oder wenn eine wesentliche Verschlechterung der Vermögensverhältnisse des Kunden oder der Werthaltigkeit einer Sicherheit eintritt oder einzutreten droht und dadurch die Rückzahlung des Darlehens oder die Erfüllung einer sonstigen Verbindlichkeit gegenüber der Bank auch unter Verwertung einer hierfür bestehenden Sicherheit gefährdet ist, oder wenn der Kunde seiner Verpflichtung zur Bestellung oder Verstärkung von Sicherheiten nach Nr. 13 Absatz 2 dieser Geschäftsbedingungen oder aufgrund einer sonstigen Vereinbarung nicht innerhalb der von der Bank gesetzten angemessenen Frist nachkommt.“

Nein? Kein Wunder. Ja? Herzlichen Glückwunsch! Dann sind Sie in der Lage, Bankgeschäfte zu machen. Denn dieser Satz stammt aus den Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) einer deutschen Bank. Und jeder Kunde, der einen Vertrag abschließt, bestätigt mit seiner Unterschrift, die AGBs gelesen zu haben. Ob der Kunde das auch verstanden hat, interessiert die Bank anscheinend nicht so sehr.

Zugegeben, dieser 119-Wörter-Satz ist ein Extrembespiel. Aber kein Einzelfall. Denn laut einer Studie der Universität Hohenheim und des H&H Communication Lab lässt die Verständlichkeit der Finanzkommunikation nach wie vor zu wünschen übrig.

Die Forscher um den Universitätsprofessor Frank Brettschneider haben 168 Dokumente von 62 Banken untersucht. Dabei berücksichtigten sie sechs Dokumenten-Typen: Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB), Besondere Bedingungen zu Girokarten und Kreditkarten, Produktinformationsblätter (PIB), Informations-Materialien (Broschüren, Prospekte, Flyer), Antworten auf FAQ (häufige Fragen) sowie Pressemitteilungen.

Sie analysierten alle Texte anhand objektiver Kriterien mit der Sprach-Software Textlab. Textlab berechnet verschiedene Lesbarkeitsformeln sowie zahlreiche weitere Faktoren, die für die Verständlichkeit wichtig sind. Dazu zählen beispielsweise Satzlängen, Wortlängen, Passiv-Sätze, Schachtelsätze oder der Anteil abstrakter Wörter und Anglizismen. Aus diesen Werten berechneten sie den Hohenheimer Verständlichkeits-Index (HIX). Er reicht von 0 (sehr schwer verständlich) bis 20 (sehr leicht verständlich).

Schwierigkeitsgrad einer Doktorarbeit

Am schlechtesten schnitten in der Studie die AGBs der Finanzinstitute ab. Die HIX-Werte dieser Dokumente liegen zwischen 2,46 und 4,14 Punkten. Im Schnitt kommen diese Papiere auf einen Wert von 3,45. Damit sind diese Texte fast genauso schwer verständlich wie eine Doktorarbeit in Politikwissenschaften.

„Das hängt vor allem mit der juristischen Sprache in den AGB zusammen“, erklären die Forscher. Um ihre rechtliche Bedeutung nicht zu verändern, seien viele Formulierungen oder Begriffe schwer zu ersetzen. Dennoch haben frühere Studien gezeigt, dass auch Allgemeine Geschäftsbedingungen verständlicher formuliert werden können – ohne größere Verluste in punkto Rechtssicherheit.

Das betrifft vor allem die Satzlänge. So enthalten die untersuchten AGBs durchschnittlich 40,77 Prozent Sätze mit 20 und mehr Wörtern. „Hier besteht großes Potenzial, ohne Aufwand viel für die Verständlichkeit zu tun“, so die Forscher. Auch wer passiv vermeidet, Fachbegriffe erklärt und englische Wörter übersetzt tut viel für die Verständlichkeit.

Anleihe-PIBs: Commerzbank am verständlichsten

Viel besser sieht es bei Produktinformationsblättern (PIB) – sogenannten Beipackzetteln – aus. Am verständlichsten waren dabei die PIBs zu Spareinlagen mit einem Durchschnittswert von 10,91. Auch PIBs zum Girokonto liegen mit einem Durchschnittswert von 9,52 noch im grünen Bereich. Lediglich bei den PIBs zu Anleihen, die einen Durchschnittswert von 5,87 erreichten, sehen die Forscher großes Nachholpotenzial.

Doch auch die Beipackzettel zu Anleihen waren nicht durchweg unverständlich. Vielmehr war die Bandbreite zwischen den einzelnen Finanzinstituten groß. So hatten die Käufer der Commerzbank-Zertifikate gute Chancen, das Produkt zu verstehen: Ihr HIX-Index lag bei 9,17. Auch Postbank und Bayern LB haben ihre Inhaberschuldverschreibungen gut erklärt. Wer hingegen ein WGZ-Bank-Express-Zertifikat kaufte und keinen Abschluss in Wirtschaftswissenschaften besaß, konnte den Beipackzettel getrost links liegen lassen.

Am besten schneiden unterdessen die häufigsten Fragen (FAQ: frequently asked questions) in der Studie ab. Ihr HIX-Wert liegt bei durchschnittlich 11,21 Punkten.

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