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  • Von Redaktion
  • 24.10.2013 um 13:04
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Thorulf Müller gilt als einer der härtesten und ehrlichsten Kritiker der Krankenversicherungsbranche. Seine Kommentare sind gefürchtet, aber fundiert. Jetzt gibt’s den KVProfi ungekürzt und in Farbe auch auf Pfefferminzia.de. Dieses Mal geht es um den Business Tarif der Continentale.

Von Thorulf Müller

Continentale Business ein neuer Tarif? Die Frage ist, wie man einen neuen Tarif definiert. Wenn ein neues kalkulatorisches Tarifwerk mit kalkulatorisch getrennten Alterskohorten ein neuer Tarif ist, dann sind fast alle Tarife seit dem 21. Dezember 2012 neu. Einige Versicherer haben ihre Unisex-Tarife an die alten Tarife angebunden, um so eine größere stabile Versichertengemeinschaft zu erzeugen. Die meisten haben sie kalkulatorisch nur “aufgestützt”, was bedeutet, dass es neue Tarifwerke sind.

Es gibt sogar Versicherungsvermittler die glauben, dass man es an der Tarifbezeichnung erkennen kann. Das ist natürlich noch abenteuerlicher, als die Behauptung, dass die Alterungsrückstellung in der PKV in Form eines 10 Prozent Beitragszuschlages eingeführt wurde. Das glauben Sie nicht? Doch, das finden Sie häufig auf Internetseiten deutscher Versicherungsvermittler als fachliche Aussage zum Thema Alterungsrückstellung.

Das sind übrigens weniger Versicherungsvermittler, als die, die jedes Jahr die neuen verbesserten BU-Bedingungen der Lebensversicherer abfeiern und scheinbar immer noch nicht realisiert haben, dass mit jedem neuen Tarifwerk auch ein neuer Topf aufgemacht wird. Während die Versicherten im bisherigen Topf zurückgelassen werden, sind die neuen Abschlüsse je Alterskohorten ein neues Kollektiv. Da werden ganz stabile Versicherungskollektive geschaffen.

Aber wir wollen nicht abschweifen, sondern feststellen: Die Continentale hatte schon einmal einen Business-Tarif: CB oder Continentale Business. Das war jenes verhängnisvolle Produkt, dass die Continentale als Grundschutz verkauft hat. Mit einem Leistungsausschluss für Heil- und Hilfsmittel. Ist ja auch unnützer Luxus, den man als Selbstzahler nicht braucht.

Die Continentale hatte auch schon einmal einen Tarif Businessline, den Tarif GS1plus. Und wer sich das Konzept des Tarifs Business anschaut, der erkennt schnell, dass hier der GS1plus im neuen Gewand und mit einigen Modifikationen um die Ecke kommt. GS1plus und CS2plus sind Tarife, die die Continentale am 31. Dezember 2008 kalt für den Neuzugang geschlossen hat, weil sie die nicht in die neue Welt der PKV (mit Übertragungswert) überführt hat.

Sie werden jetzt sagen, dass die Tarife ja auch lange am Markt waren und irren sich schon wieder. GS1plus und CS2plus wurden erst zum 1. November 2002 im Markt eingeführt und waren eigentlich die vorher bereits vorhanden Tarife GS1 und CS2. Es wurde ein Zusatzbaustein “plus” eingeführt und die Tarife wurden seither nur noch mit dem Zusatzbaustein angeboten.

“Plus” leistet:

  • Ein-Bett-Zimmer im Krankenhaus
  • Wegfall der GOÄ-Begrenzung im Krankenhaus
  • Aufstockung der Leistungen für Edelmetalle und Keramikverblendungen auf 75 Prozent

Die Tarife GS1 und CS2 werden künftig ausschließlich mit dem Zusatzbaustein angeboten. In der Zielgruppe der 28- bis 43-jährigen kosten die Mehrleistungen zwischen 4 und 8 Euro im Monat. (Quelle: Versicherungsnetz)

Spannend finde ich das auch, weil sich die Frage stellt, ob die Continentale im Tarifwechsel für Kunden der alten Welt den GS1 bzw. den CS2 ohne plus anbietet. Ich lasse den Punkt einmal offen und schüre damit Spekulationen. Sie können es ja einmal ausprobieren. Sie werden staunen, welche Mehrleistungen im Vergleich zu z. B. Modultarifen ausgewiesen werden, weil ja nur GS1plus oder CS2plus möglich sein sollen. Es könnte aber auch sein, dass die Continentale diese Tarife gar nicht anbietet, weil sie die Ansicht vertritt, dass diese Tarife für das Neugeschäft geschlossen sind und daher bei Tarifwechseln nicht zugänglich sein sollen. So gehen Versicherer, die ihren Versicherten gehören unter Umständen mit ihren eigenen Eigentümern um!

Sie werden die Frage stellen, was das alles mit Business zu tun hat? Dazu komme ich noch!

Die Continentale wirbt mit einem attraktiven Beitrag:

Der Beitrag für den Tarif Business liegt für 30-Jährige bei 464,10 Euro ohne den gesetzlichen Zuschlag von 10 Prozent. Damit bietet der Business im Marktvergleich den Kunden ein attraktives Preis-Leistungs-Verhältnis.
(Quelle: Continentale)

Damit positioniert sich die Continentale auf dem Beitragsniveau einer Alten Oldenburger, die aber keine Pauschalleistung anbietet. Wer GS1plus-Kunden im Bestand hat, wird erstaunt sein, weil der GS1plus heute, nach einigen Beitragsanpassungen, in einer anderen Beitragsklasse spielt.

Es gibt einige wenige Leistungsunterschiede zwischen den Tarifen. Der GS1plus hatte eine Pauschalleistung von 6 Monatsbeiträgen aus dem Beitrag ohne gesetzlichen Zuschlag. Business leistet 1.600 Euro. Das ist erst einmal im Ansatz gut und richtig, weil die Bindung der Pauschalleistung an den Monatsbeitrag wie ein Turbolader bei Beitragsanpassungen wirkt! Der Betrag von 4×400 (1.600) für die pauschale Leistung wird aber im Tarif Business angepasst:

Dynamik inklusive

Damit die Pauschalleistung Ihres Kunden nachhaltig wirtschaftlich ist, gibt es eine Dynamik. Steigen die Versicherungsbeiträge im Neugeschäft im Durchschnitt, so erhöht sich der Pauschalleistungs-Grundbetrag um 3 %, aufgerundet auf volle 10 Euro.

Das hört sich gut an, ist aber schon ein etwas pervertiertes Modell, weil es zwar kein Turbolader, aber immerhin ein Beschleuniger ist, und weil die Pauschalleistung damit einer Entwertung unterliegt, die die Wirkung der Pauschalleistung in 30 bis 40 Jahren völlig entkräften kann.

Pauschalleistung:

max. 4 x 400 Euro, ab Beginn wird unterstellt, dass vier Jahre Leistungsfreiheit bestanden, man beginnt also mit 1.600 Euro. Nach dem ersten Leistungsfall muss man bei der ersten Stufe (400 Euro) beginnend den Anspruch erst wieder auf den maximalen Betrag von zurzeit 1.600 Euro aufbauen.

Für Tarife mit AZ-Kennzeichnung (Ausbildungstarif ohne Alterungsrückstellung) ist der Betrag auf max. 4 x 200 Euro begrenzt. Diese Leistung gilt nur für Personen, die das 21. Lebensjahr vollendet haben. Eigentlich gibt es außer der veränderten Systematik für die Pauschalleistung nur sechs feststellbare Änderungen in den Bedingungen, die mir noch nicht als MBKK vorliegen:

1. Zahnersatz und Kieferorthopädie

Zahnersatz, KFO, Funktionsdiagnostik, 6 Implantate je Kiefer inkl. Augmentation, privatzahnärztlich, wenn erforderlich auch über die Höchstsätze der GOÄ/GOZ hinaus; Heil- und Kostenplan für erwartete Gesamtkosten über 2.000 Euro erforderlich, ohne: den 2.000 Euro übersteigenden Teil zur halben Tarifleistung; Zahnstaffel (1. KJ bis 1.000 Euro, 1. – 2. KJ bis 2.000 Euro, 1. – 3. KJ bis 3.000 Euro, 1. – 4. KJ bis 4.000 Euro, 1. – 5. KJ bis 5.000 Euro, 1. – 6. KJ bis 6.000 Euro, ab 7. KJ volle Leistung), keine Zahnstaffel bei Unfällen

Änderung sind 85% statt 75% für Zahnersatz und Kieferorthopädie, die Zahnstaffel und die Leistung für augmentative Leistungen (Knochenaufbau).

2. Geltungsbereich:

weltweit (außereuropäisches Ausland bis zu 12 Monate, europäisches Ausland ohne zeitliche Begrenzung)
Neu sind die 12 Monate bei vorrübergehendem Aufenthalt im außereuropäischen Ausland. Bisher galt ein Monat und darüber hinaus, wenn die Rückreise wegen Transportunfähigkeit nicht angetreten werden kann. Ich denke (hoffe) aber, dass der Passus mit der Transportunfähigkeit auch übernommen wurde.

Der Hinweis, dass im europäischen Ausland ein Leistungsanspruch ohne zeitliche Begrenzung besteht, ist aber schon dreist, wenn man die MBKK und den Markt kennt. Das ist Standard.

3. Selbstbeteiligung

Erwachsene ab 21 Jahre und Azubis/Studenten mit den besonderen Bedingungen AZ 500 Euro. Kinder und Jugendliche bis 20 Jahre 250 Euro.Der Selbstbehalt im GS1plus betrug 255 Euro.

4. Hilfsmittel

offener Katalog ohne abschließende Aufzählung inkl. lebenserhaltender Hilfsmittel und Blindenführhund; Begrenzung für Hörgeräte auf 1.500 Euro pro Jahr je Ohr; Kostenvoranschlag ab 1.000 Euro Anschaffungskosten erforderlich, ohne: Leistungshöhe 80 %. Bisher ohne Maximalbetrag für Hörgeräte und ohne vorherige Zusage ab 1.000 Euro Anschaffungskosten und daher auch ohne 20% Abzug!

5. Psychotherapie

bis 30 Sitzungen pro Jahr, ab der 31. Sitzung zu 80 % mit vorheriger schriftlicher Leistungszusage. Bisher maximal 30 Sitzungen p.a.

6. GOÄ/GOZ

Bisher nur im stationären Bereich oberhalb der Höchstsätze der GOÄ und nun in allen Leistungsbereichen, wenn es erforderlich ist!

Quelle: Leistungstabelle

Sicherlich findet man, wenn die MBKK des Tarifs Business vorliegen, noch weitere Unterschiede. Ich werde dann eine Fortsetzung liefern, die sich sachlich nur mit dem Leistungsumfang, also im Sinne des Spannungsdreiecks der PKV auch mit dem Sparanteil, also auch der Beitragshöhe und Kalkulationstiefe, beschäftigt. Ich gehe jedoch davon aus, dass die detaillierten Leistungsunterschiede überwiegend Klarstellungen geschuldet sind und keine Mehrleistungen sein werden.

Insgesamt freue ich mich, dass der Versicherer Continentale scheinbar zum Bewährten zurückkehrt und hoffe, dass die unsäglichen Produkte Economy und Comfort damit der Geschichte angehören. Ich glaube aber, dass diese Hoffnung enttäuscht wird.

Die Änderungen Business im Vergleich zu GS1plus sind sinnvoll und könnten das GS1plus Konzept optimieren. Ein Hilfsmittelmanagement mit finanziellen Konsequenzen und eine Zahnstaffel, sowie eine Pauschalleistung, die bei Beitragsanpassungen nicht automatisch zu Explosionen führt, sind sicherlich Erkenntnisse aus dem GS1plus Bestand.

Ob der GS1plus Bestand in den Business wechseln sollte, muss man abwarten. Hier ist sehr wohl die Frage nach dem Beitrag unter Berücksichtigung eines Umtarifierungsnachlasses (Conti Srech für Anrechnungsbetrag) zu prüfen.

Risiken für die Beitragsstabilität sehe ich bei einem solchen Produkt aber sehr wohl aus Tarifumstellungen nach § 204 VVG, vor allem dann, wenn die Mannheimer Krankenversicherung auf die Continentale verschmolzen wird. Aber auch ohne die Mannheimer KV-Bestände ergeben sich hier Potentiale für Bestandskunden in GS1plus, CS2plus, GS1, CS2 und den noch älteren Modultarifen und damit Belastungen. Spannend wird dabei sein ob die Continentale hier eine Abwehrstrategie gegen § 204 VVG entwickelt, so wie sie es schon öfter versucht hat!

Ich war immer ein Fan des GS1plus und des CS2plus der Continentale, auch wenn das Wording nicht mehr heutigen Ansprüchen entspricht. Viele werden sich an zahlreiche Veranstaltungen für die Maklerdirektionen der Continentale erinnern, bei denen ich als Referent aufgetreten bin, bevor das Unheil Economy seinen Lauf genommen hat.

Vielleicht kehrt die Continentale nun zu alter Stärke zurück!

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