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  • Von Redaktion
  • 06.05.2013 um 17:23
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Zwei Drittel der berufstätigen Deutschen haben noch keine Berufsunfähigkeitsversicherung (BU). Inwiefern der Berater daran Schuld hat und warum allein der Fokus auf Qualität zu wenig ist, darüber diskutierten die BU-Experten im Roundtable-Gespräch.

Pfefferminzia: Eine BU braucht heute fast jeder. Vermittler sehen hier schon seit Jahren das größte Geschäftspotenzial für sich. Trotzdem haben zwei Drittel der Erwerbstätigen noch keine BU. Wie will die Branche das Potenzial heben?

Frank Schülke: Das Interesse der Bevölkerung ist ja durchaus da für diese Policen. Scheitern tut ein Abschluss häufig am Preis. Ich glaube, dass mehr Flexibilität in der Produktlandschaft her muss. Wir müssen stärker mit günstigen Einstiegsprämien arbeiten bei gleichzeitig hohem Niveau in Bezug auf die Produktqualität. Das wäre einer der Wege, die gegangen werden können.

Christoph Laarmann: Auf einem so schlechten Weg sind wir als Branche bei dem Thema nicht. Es gibt zumindest kaum ein Unternehmen, das keine irgendwie geartete Biometrie-Offensive fährt. En vogue ist das Thema sowohl bei den Kunden als auch bei den Vermittlern. Die Neugeschäftszahlen waren gut in den vergangenen Jahren. Unser Haus hat Neugeschäft und Bestand bei den BU-Deckungen besonders deutlich steigern können.

Michael Franke: Die Neugeschäftszahlen sind bei einzelnen Unternehmen gut. Wenn man sich den Gesamtbestand der Verträge aller Versicherer anschaut, stagniert der Markt aber seit einigen Jahren bestenfalls. Wir liegen seit Jahren bei etwas über 16 Millionen BU-Verträgen – und dem stehen rund 41 Millionen Erwerbstätige gegenüber. Das ist eine Quote, die nicht befriedigend sein kann. Es gibt gute Einsteigertarife, aber bei Menschen, die schon länger arbeiten und keine lupenreine Gesundheit mehr haben, gibt es Probleme. Da muss man über Alternativen zur BU sprechen.

Klaus L. Helm: Gerade in Zeiten der Finanzmarktkrise ist Biometrie ein Thema. Wir müssen Produktkonzepte für die anbieten, die zu den sogenannten schlechten Risiken zählen, also Menschen mit geringerem Einkommen, aber hohem Bedarf. Wenn die Branche das schafft, dann wird in diesem Bereich sicherlich noch einiges an Potenzial gehoben werden können.

Carsten Tombers: Der BU-Markt ist eigentlich ein Push- und Pull-Markt. Die Versicherer wollen, die Vermittler wollen und die Kunden wollen auch. Denn Kunden wissen, dass sie eine Einkommenssicherung brauchen. Da haben die Medien und die Verbraucherschützer gute Arbeit geleistet, auf dieses Risiko hinzuweisen. Nur können die Kunden die BU oft aus finanziellen Gründen nicht bezahlen oder sie aus gesundheitlichen Gründen nicht abschließen. Oder sie wollen es schlicht nicht, weil sie für sich den Wert des Produkts nicht sehen.

Laarmann: Es fällt manchen Deutschen immer noch schwer, hundert Euro für einen Schutz auszugeben, bei dem sie vielleicht doch keine Leistung erhalten. Doch das Bewusstsein für die Wichtigkeit der Arbeitskraftabsicherung nimmt beständig zu.

Franke: Der Verbraucherschutz hat viele Jahre einen guten Job gemacht und auf das Risiko einer Berufsunfähigkeit und die Bedeutung der Produktqualität hingewiesen. Man hat aber lange übersehen, dass mit Premium-Produkten viele Erwerbstätige nicht erreicht werden können. Es gibt gute alternative Produktkonzepte wie temporäre BU-Versicherungen, Erwerbsunfähigkeits- oder Grundfähigkeitsversicherungen. Die werden aber oft abqualifiziert, weil es heißt, es muss immer ein Top-Schutz sein.

Pfefferminzia: Hat nicht auch die Aufsplittung der Berufsgruppen und die dadurch immer feinere Prämienkalkulation dazu geführt, dass die, die eine BU am ehesten brauchen, sich gar keine mehr leisten können?

Laarmann: Das kann man pauschal nicht sagen. Wir haben nach wie vor signifikantes Geschäft auch bei Handwerkern. Als wir erstmals eine Berufsgruppenkalkulation gemacht haben, hat ein 30-jähriger Maurer für 1.000 Euro BU-Rente bei 30 Jahre Laufzeit 156 Euro gezahlt, im aktuellen Bisex-Tarif zahlt er trotz der höchsten Berufsgruppe 115 Euro im Monat, also 25 Prozent weniger. Was immer betrachtet wird, ist die Spanne zwischen dem teuersten und dem preiswertesten Angebot. Das ist aber nicht für jeden Kunden relevant. Bei der Segmentierung der „schlechteren“ Gruppe gibt es ja auch innerhalb dieser Gruppe viele, die von der Verfeinerung profitieren.

Tombers: Man liest in den Medien immer wieder – die guten Risiken werden günstiger gemacht auf Kosten der teureren Berufsgruppen. Ich kann das für unser Haus nicht bestätigen. Preissenkungen, die wir bei bestimmten Berufen in den vergangenen Jahren vornehmen konnten, resultieren im Wesentlichen aus geänderten Berufsprofilen. Die BU für handwerkliche Berufe haben wir im Gegenzug nicht teurer gemacht. Dafür sprechen auch die Verkaufszahlen: Wir machen nach wie vor gut ein Drittel des BU-Neugeschäfts im Bereich der körperlich Tätigen.

Franke: Der Vergleich zu beispielsweise 2005 zeigt klar, dass die Prämienspreizung im Gesamtmarkt erheblich zugenommen hat. Körperlich Tätige sind heute durchweg teurer als noch vor einigen Jahren.

Pfefferminzia: Es gibt Beispiele, wo ein stark handwerklich arbeitender Mensch statt 180 Euro plötzlich 240 Euro monatlich zahlen muss. Das kann doch keiner mehr bezahlen.

Laarmann: Die gewachsene Schadenerfahrung kann für einzelne Berufsbilder auch zu Prämienerhöhungen führen. In einem differenzierten, transparenten und frei zugänglichen Markt wie bei der BU wäre es problematisch, diese Schadenerfahrung kalkulatorisch nicht zu berücksichtigen.

Schülke: Mit den richtigen Verkaufsansätzen kann der Vermittler dem Kunden stärker verdeutlichen: Du kaufst hier etwas, das deine Existenz und deinen Lebensstandard für dich und deine Familie absichert.

Helm: Es gibt eine schöne Frage, die der Vermittler dem Kunden stellen kann. Wie hoch ist Dein Ersatzeinkommen? Der Kunde wird erst einmal überlegen, dann wahrscheinlich nachfragen und schon kommt es zum Gespräch.

Franke: Premium-Tarife sind wichtig, aber nicht immer die passende Lösung. Die Qualitätsdiskussion verliert manchmal auch die Bodenhaftung. Zum Beispiel wird die abstrakte Verweisung als der Hauptmangel in der BU bezeichnet. In der Praxis spielt das Thema kaum eine Rolle, wie auch viele Gerichtsurteile zeigen. Sachgerechte Beratung und Vermeidung von Anzeigepflichtverletzungen sind demgegenüber wesentlich bedeutsamer.

Laarmann: Eine Lösung kann ja auch eine BU-Absicherung in kleinerer Höhe sein. Hier muss man klar sagen, dass sie für sich alleine genommen nicht reicht. Aber zusammen mit der gesetzlichen Erwerbsminderungsrente kann sie mit gewissen Abstrichen eine vernünftige Lebensführung ermöglichen. Alternativ haben wir alle Angebote mit schärferen Leistungsanforderungen parat, die bei gleichem Beitrag deutlich höhere Renten ermöglichen. Es muss nur kommuniziert werden, dass diese seltener leisten. Dann hat der Kunde die Wahl.

Schülke: Wir bieten dem Vermittler zum Beispiel an, das Thema BU zusammen mit dem Thema Pflege anzusprechen und abzusichern. Für rund 7 Euro Prämie verdoppeln wir die BU-Rente, wenn der Kunde Pflegestufe I erreicht.

Tombers: Wir bieten zusätzlich zur BU die Allianz Körperschutzpolice an, die um knapp zwei Drittel günstiger ist als eine BU-Absicherung. In der vertrieblichen Praxis erleben wir aber immer noch Hemmnisse seitens der Vermittler: Kann ein Makler BU-Alternativen wie zum Beispiel eine Erwerbsunfähigkeitspolice oder eben unsere Körperschutzpolice ohne Weiteres anbieten? Da es keine Ratings oder ähnliches gibt hält ihn die Angst vor Haftungsproblemen mitunter davon ab. Es wäre wünschenswert, wenn ihm von Rater-Seite eine helfende Hand gereicht würde, etwa über einen Entscheidungsbaum oder ein entsprechendes Rating.

Helm: Keine der beiden großen Rating-Agenturen hat abgestuft von der BU als Spitzenprodukt runter bis zur Erwerbsunfähigkeitsversicherung Ratings oder Handlungsalternativen parat. Das wurde vom Vermittler bisher aber auch nicht wirklich gefordert, wäre aus haftungsrechtlicher Sicht aber enorm wichtig.

Franke: Das Produkt-Rating wird oft falsch verstanden. Wir machen die Leistung mit dem Rating transparent. Das bedeutet aber nicht, dass nur Produkte mit Top-Rating empfehlenswert sind. Für weniger Prämie kann auch ein „gut“ die passende Qualität sein.

Pfefferminzia: Um der immer feineren Berufsgruppeneinteilung gerecht zu werden, sind auch die Antragsfragen ausführlicher geworden. Eine Frage ist etwa, wie viel jemand in seinem Beruf körperlich tätig ist – mit Angaben in Prozent. Ist das für Kunden und Berater nicht schwierig einzuschätzen und kann deshalb zu rechtlichen Konsequenzen führen?

Schülke: Das würde ich nicht so hoch aufhängen. Der Versicherer ist nachweispflichtig. Wenn er also im Leistungsfall wegen falscher Angaben nicht zur Zahlung bereit ist, muss er den Kunden nachweisen, dass sie etwas Falsches geantwortet haben. Hier versucht man vor allem „schwarze Schafe“ auszusortieren, die angeben, überhaupt nicht körperlich zu arbeiten, dann aber zum Beispiel als Lagerist tätig sind. Auf der anderen Seite ist es eine Chance für Berufstätige, die einen handwerklichen Beruf erlernt haben, aber doch eher einen Bürojob ausüben. Das ist zum Beispiel der Malermeister, der nur noch Angebote schreibt, Kundengespräche führt und Material bestellt.

Laarmann: Wir versichern nicht die Berufsbezeichnung, sondern die tatsächliche Tätigkeit. Mit solchen Strategien versuchen wir herauszufinden, was der Kunde genau macht.

Franke: Dabei muss man darauf achten, dass die Sache nicht aus dem Ruder läuft. Wir haben schon Fragen von Vermittlern bekommen, wie „Mein Kunde trägt einen Aktenordner durchs Büro, ist das schon eine körperliche Tätigkeit?“ Kunden können Fragen nach genauer prozentualer Aufteilung ihrer Tätigkeiten oft nicht beantworten. Die Versicherer müssen ein System zur Verfügung stellen, das es erlaubt, risikogerecht zu differenzieren und gleichzeitig praxistauglich ist.

Pfefferminzia: Ein neuerer Trend ist es, Grundfähigkeiten wie den Gebrauch von Armen und Beinen oder das Autofahren abzusichern. Können das treffliche Alternativen für Personen sein, die keine BU bekommen?

Franke: Auf jeden Fall. Eine Alternative ist immer dann interessant, wenn sie ein Hindernis für eine Top-Lösung ausgleicht, etwa einen zu hohen Preis oder Vorerkrankungen.

Laarmann: Wir haben mit der Opti-5-Rente durchweg positive Erfahrungen gemacht. Wenn es bei der BU zu große medizinische oder finanzielle Probleme gibt, haben die Vermittler jetzt eine Alternative parat, die sie auch sehr gern und häufig nutzen.

Tombers: Unsere Allianz Körperschutzpolice verkauft sich gerade bei den körperlich Tätigen sehr gut. Ihr Anteil liegt bei 85 bis 90 Prozent. Außerdem erreichen wir jetzt eine viel breitere Altersspreizung. Wir können nun auch Kunden versichern, die 45 oder 50 Jahre alt sind. Das ist bei der BU nahezu undenkbar.

Franke: Ein großer Vorteil dieser Produkte ist auch, dass sie einfacher zu erklären sind als beispielsweise eine Dread-Disease-Versicherung. Es ist einfacher, einem Busfahrer zu erklären, dass er eine Leistung bekommt, wenn er die Arme nicht mehr heben oder mit den Händen nicht mehr greifen kann – im Gegensatz zu: Du bekommst Geld, wenn eine verminderte Ejektionsfraktion deines Herzens gegeben ist. Natürlich muss sich der Makler auch in diese Thematik vertiefen, da die Versicherer Grundfähigkeiten unterschiedlich definieren. Der Makler wird sich weiter spezialisieren müssen. Dann ist das beherrschbar.

Pfefferminzia: Ist das Ende der Fahnenstange erreicht, wenn es um Produktinnovationen in der BU geht?

Tombers: Ja. Bei der BU sehe ich allenfalls vermeintlich interessante Produktmerkmale, die jedoch für den Kunden keinen Nutzen bieten.

Franke: Da gibt es auch schon einige. Der altersentsprechende Kräfteverfall oder die Infektionsklausel sind beispielsweise solche Merkmale, die in der Werbung hoch aufgehängt sind. Es existieren zwar Unterschiede zwischen den Produkten, aber die sind seit Jahren bekannt. Der Leistungswettbewerb in der BU bringt schon lange kaum noch sinnvolle Innovationen hervor.

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