Bernd Müller (links) verantwortet bei SCOR die Bereiche Protection, Österreich und CEE. Gerd Müller ist Leiter der Produktentwicklung und Pricing bei SCOR. © SCOR
  • Von Karen Schmidt
  • 25.10.2019 um 17:15
artikel drucken artikel drucken
lesedauer Lesedauer: ca. 02:45 Min

Die Verbreitung von Fitnesstrackern und Gesundheits-Apps steigt. Kunden sind eher bereit, Versicherern ihre Gesundheitsdaten zu überlassen, wenn sie dafür Prämienvorteile oder passgenaue Produkte erhalten. Ein Gespräch mit Gerd Müller und Bernd Müller vom Rückversicherer SCOR.

Pfefferminzia: Immer mehr Menschen sind übergewichtig, Zivilisationskrankheiten sind auf dem Vormarsch, die Krankheitskosten steigen stetig. Was muss in unserem Gesundheitssystem passieren, um dieser Entwicklung ein Ende zu bereiten?

 Gerd Müller: Krankheiten sind stärker denn je in den Fokus von Versicherungen gerückt. Ein amerikanisches Forscherteam um den Wissenschaftler Kyle Foreman hat im Oktober 2018 herausgefunden, dass wir mehr als 100 Millionen Lebensjahre durch nur vier Risiken verloren haben – Bluthochdruck, einen hohen Body-Mass-Index, Diabetes und Tabak. Wir leben in einem Ökosystem, in dem strikte Grenzen vor allem zwischen der Lebens- und der Krankenversicherung verschwimmen. Schubladendenken ist fehl am Platz, denn Krankheitsbilder wie Übergewicht stellen sowohl in der KV als auch in der LV ein großes Risiko dar. Folgen wie Herzinfarkt oder Krebs können sich verheerend auf die Arbeitskraft auswirken. Wir bei SCOR Global Life schauen in der Lebensversicherung nicht nur auf die Krankheit an sich, sondern auch über den Tellerrand hinaus: Wie wirkt sich die Krankheit auf andere Lebensbereiche aus, und wie sichere ich meine Familie ab? Das sind die wirklich wichtigen Fragen. Gesundheit ist unser höchstes Gut und muss gefördert werden.

Wie kann man als Rückversicherer dazu beitragen, hier Verbesserungen zu erzielen?

Bernd Müller: Als Rückversicherer agiert man als Partner der Versicherer und unterstützt deren Produktentwicklung und Prozesse. Die traditionelle Rolle, Kapazitäten zur Risikotragung bereitzustellen, nimmt ab. Wir wollen ein stärkerer Teil des Ökosystems werden und individuelle Produkte gestalten, die tatsächlich gewünscht sind. Momentan entwickeln wir zum Beispiel in Zusammenarbeit mit einem Insurtech ein Produkt, mit dem wir Kunden mit depressiver Tendenz frühzeitig und direkt unterstützen können. Über Wearables werden Indikatorwerte für eine Depression gemessen. In einer eigens programmierten App bieten wir über drei Monate wöchentliche Online-Besprechungen mit zertifizierten Coaches an. Der Endkunde kann ganz bequem, aus seiner gewohnten Umgebung heraus, per Videochat das Gespräch suchen. Ergänzt wird dies durch eine App, die Methoden der kognitiven Verhaltenstherapie nutzt und bei akuten Problemen Abhilfe schafft. Simpel und persönlich, aber enorm effizient. Denn je früher eine Depression erkannt wird, desto besser kann sie behandelt werden.

Inwieweit setzen Sie auf die Digitalisierung?

Bernd Müller: Uns ist es wichtig, direkt auf den Kunden einzugehen, um Krankheiten präventiv vorzubeugen. Die technologische Entwicklung bietet hier enormes Potenzial. So kooperieren wir zum Beispiel in den USA mit iBeat, um Leben zu retten. Der Ansatz von iBeat ist simpel: Der Kunde trägt rund um die Uhr eine Smartwatch, mittels derer der Herzschlag von kardiovaskulären Hochrisikopatienten überwacht werden kann. Sobald unübliche Rhythmen festgestellt werden oder das Herz aussetzt, werden umgehend Kräfte des Heart-Hero-Netzwerks mobilisiert, zu denen etwa Notärzte, ­Polizisten und Feuerwehrmitarbeiter gehören.

Die Akzeptanz von Kunden, was etwa Apps angeht, ist hierzulande noch recht verhalten.

Bernd Müller: Aktuelle Zahlen aus dem Remark Report, einem Tochterunternehmen der SCOR, belegen, dass der Trend zu Apps deutlich zunimmt. Immer häufiger weichen klassische Armbanduhren den Fitnesstrackern oder Smartwatches, bis hin zur anfangs beschriebenen iBeat. Die Kunden sind bereit, uns mehr an ihrem Leben teilhaben zu lassen, um individuellere Versicherungen zu erhalten und zum Beispiel Rabattierungen zu nutzen. Unsere Aufgabe ist es, die Versicherung möglichst attraktiv zu gestalten. Denn der Kunde wird sein Verhalten nur ändern, wenn der Nutzen in einem vernünftigen Verhältnis zu seinem Aufwand steht.

Wie sieht vor diesem Hintergrund die Personenversicherung der Zukunft aus?

Gerd Müller: Der Fokus der künftigen Personenversicherungen liegt unserer Meinung nach auf hoher Stabilität und starkem Leistungsversprechen. Die Versicherung wird ein verlässlicher Begleiter über die Versicherungszeit und muss mit ihrer Expertise dazu beitragen, dass der Versicherungsfall für den Kunden gar nicht erst eintritt. Das ist der Punkt, an dem wir den Kunden und seine Wünsche wesentlich stärker einbeziehen müssen. Wir müssen weg von den Massenprodukten hin zum maßgeschneiderten Ansatz. Das erreichen wir, indem wir präventive Maßnahmen stärker fördern.

Und wie?

Gerd Müller: Momentan sehen wir weltweit sowohl Beitragsreduktion, Leistungserhöhung und versicherungsfremde Leistungen integriert. Leider haben wir in Deutschland viele datenschutzrechtliche Beschränkungen, aber wir glauben, dass viele Belohnungssysteme einer aufsichtsrechtlichen Prüfung standhalten werden. Wir haben zum Beispiel ein Produkt für Diabetiker platziert, welches eine zusätzliche Leistung vorsieht, falls der Kunde im Versicherungszeitraum an präventiven Maßnahmen teilgenommen hat. Aus unserer Sicht besteht der wahre Nutzen in diesem Fall weniger in der Zusatzleistung als vielmehr in der Tatsache, dass wir mit diesem neuen Produkt Menschen erreichen, die bisher im Wesentlichen nicht versicherbar waren.

autorAutorin
Karen

Karen Schmidt

Karen Schmidt ist seit Gründung von Pfefferminzia im Jahr 2013 Chefredakteurin des Mediums.

kommentare

Hinterlasse eine Antwort

kommentare

Hinterlasse eine Antwort

Pfefferminzia Logo rgb
Suche
Close this search box.
Zuletzt hinzugefügt
Wie die Zukunft der bAV aussieht
Handelsblatt Jahrestagung bAV 2024

Wie die Zukunft der bAV aussieht

Vermittler müssen und wollen sich weiterbilden
AfW-Vermittlerbarometer: Nachhaltigkeit

Vermittler müssen und wollen sich weiterbilden

Skip to content