- Von Joachim Haid
- 13.01.2020 um 15:04
Die Innenwände unserer Blutgefäße werden Endothel genannt. Dort befindet sich eine Art Einsatzzentrale unseres Immunsystems. Schneiden wir uns beispielsweise so in den Finger, dass die Wunder blutet, wird das Endothel verletzt. Damit beginnt ein Entzündungsgeschehen, welches Teil der Heilung ist. Im Falle von Entzündungen unterscheiden wir zwischen stillen und akuten.
Licht im Dschungel der Ernährungsempfehlungen
Die Darm-Hirn-Connection
Angeborenes und erworbenes Immunsystem
In unserem Fall beginnt nun eine akute Entzündung abzulaufen. Nach der Verletzung schlagen die Zellen des Endothels Alarm. Um Immunzellen anzulocken, die mögliche eingedrungene Erreger abwehren und bei der Beschädigung des Gewebes helfen sollen, schüttet das Endothel proentzündliche Stoffe aus – sogenannte Zytokine. Bisher sind etwa 20 verschiedene Zytokine erforscht, wie beispielsweise Interleukin 1, 2 und TNF-?. Das verletzte Gewebe mobilisiert also Zellen des Immunsystems.
Die akute Entzündung beginnt zu laufen. Haben die Immunzellen ihre Arbeit erledigt, muss das Immunsystem jedoch auch wieder beruhigt werden. So lange proentzündliche Zytokine in der Blutbahn sind, würden sonst permanent die Immunzellen aktiviert werden. Im schlimmsten Fall droht eine körperweite Ausdehnung der Entzündung. Das Immunsystem könnte überschießen. Die Folge wären allergische Symptome, ein möglicher Schub chronisch entzündlicher Erkrankungen, oder Autoimmunerkrankungen.
Enzyme regeln das Entzündungsgeschehen
Um das Immunsystem wieder herunterzufahren, schüttet das Endothel zeitverzögert antientzündliche Stoffe aus. Auch hierbei handelt es sich wieder um Zytokine, im speziellen Interleukin 5,6,7,10 und TGF-β. Im Vorfeld müssen jedoch die proentzündlichen Zytokine abgefangen, gebunden und aus dem Körper ausgeleitet werden. Das gleiche gilt für die antientzündlichen Stoffe. Auch diese müssen nach getaner Arbeit wieder gestoppt und ausgeleitet werden.
Die antientzündlichen Zytokine unterdrücken lokal das Immunsystem. Würden diese nicht rechtzeitig wieder gestoppt und ausgeleitet, würden sie sich andernfalls im gesamten Körper ausbreiten und überall das Immunsystem schwächen. Folgen wären eine geschwächte Infekt- und Krebsabwehr. Sowohl beim Stoppen der pro-, als auch der antientzündlichen Zytokine, spielen Enzyme eine große Rolle.
Aufgabe der proteolytischen Enzyme
Sowohl Leber, als auch Makrophagen bilden täglich ?-2-Makroglubulin und geben dieses ins Blut ab. Hierbei handelt es sich um ein Protein, welches sowohl Enzyme, als auch Zytokine aufnehmen kann. Wir können uns das in etwa wie einen Laster vorstellen, der mit einem Bagger beladen wird. Der Bagger sind die Enzyme, die Ladung sind die Zytokine.
Das Protein kommt in zwei verschiedenen Formen vor. Einmal der inaktiven, slow genannt, und einmal in der aktiven, fast genannt. Die Fast-Form hat eine hohe Bindungskapazität für beide Arten von Zytokinen. Die Aufgabe der proteolytischen Enzyme – der Bagger in unserem Bild – ist es nun, das ?-2-Makroglubulin zu aktivieren, indem sich die Enzyme an das Molekül binden. Dadurch werden die dortigen Zytokin-Andockstellen frei. Der Laster kann die Ladung also aufnehmen.
Im Anschluss können die aufgenommenen Stoffe abtransportiert und aus dem Körper ausgeleitet werden. Ohne Enzyme könnten Zytokine nicht gebunden und abtransportiert werden. Das Immunsystem würde entweder permanent aktiviert werden, was langfristig zu Autoimmunerkrankungen führen kann, oder ständig unterdrückt werden. Dies hätte eine geschwächte Immunabwehr zur Folge.
Im Alter nimmt der Enzymstatus ab
Wichtig für ein starkes Immunsystem ist also, dass stets ausreichend Enzyme im Blut vorhanden sind. Gemessen wird das anhand der proteolytischen Serumaktivität (PSA). Etwa ab dem 40. Lebensjahr fällt die PSA kontinuierlich, da der Körper selbst immer weniger Enzyme herstellt. Hellmut Münch, Leiter der Enzymforschungsgesellschaft, schreibt dazu in seinem Buch „Enzyme – Dein Biofaktor“, dass ein 50-jähriger nur noch über etwa 50 Prozent der PSA eines 20-jährigen verfügt. Bei einem 70-jährigen sollen es sogar nur noch 20 bis 30 Prozent sein. Das ist einer der Gründe, weshalb bei älteren Menschen Wunden und Verletzungen schlechter heilen, als bei jungen.
Krebszellen setzen ebenfalls Zytokine ein
Münch führt weiter aus, dass etwa 96 Prozent aller Krebspatienten weltweit älter als 50 Jahre sind. Auch hier gibt es einen möglichen Zusammenhang mit der sinkenden PSA. Denn auch Krebszellen setzen Zytokine wie TGF-β ein, um lokal das Immunsystem zu unterdrücken, damit dieses die Krebszellen nicht angreift. Auch bei der Krebsabwehr spielen deshalb das ?-2-Makroglubulin und eine hohe PSA eine wichtige Rolle.
Jeden Tag entstünden im Körper bis zu 60.000 Zellen, die entarteten und zu Krebstumoren werden könnten, wenn das Immunsystem diese nicht regelmäßig vernichte, so Münch. Meistens funktioniert das. Wenn mit steigendem Alter jedoch die PSA abnimmt, sind immer weniger Enzyme im Körper vorhanden, welche dafür sorgen können, dass das von den Krebszellen gebildete TGF-β gebunden und abtransportiert wird. Damit steigt die Wahrscheinlichkeit, dass sich die entarteten Zellen immer weiter teilen und vermehren können, unbehelligt vom Immunsystem.
Ab dem 40. Lebensjahr kann es also sinnvoll sein, Enzyme zuzuführen, um die PSA auf einem möglichst hohen Wert zu halten. Auch bei akuten Erkrankungen können Enzyme eingesetzt werden, um die Heilung zu unterstützen. Das gilt sowohl für Wunden, als auch für sonstige Sportverletzungen und Erkältungen. In der Onkologie werden Enzyme seit vielen Jahren begleitend zur Krebstherapie eingesetzt.
0 Kommentare
- anmelden
- registrieren
kommentieren