- Von Redaktion
- 28.04.2020 um 16:40
Was ist geschehen?
Im Alter von 14 Jahren registriert sich die Tochter der Klägerin im Einverständnis ihrer Eltern bei dem sozialen Netzwerk Facebook. Im darauffolgenden Jahr stirbt die Tochter unter ungeklärten Umständen bei einem U-Bahnunglück. Infolgedessen versucht die Mutter, sich in das Benutzerkonto ihrer Tochter einzuloggen. Das ist allerdings nicht möglich, weil Facebook das Konto inzwischen in den „Gedenkzustand“ versetzt hat. Ein Zugang ist nicht mehr möglich, die Kontoinhalte bleiben aber bestehen.
Die Mutter klagt daraufhin gegen Facebook. Sie beansprucht, Zugang zu dem Benutzerkonto und insbesondere zu den darin vorgehaltenen Kommunikationsinhalten zu erhalten. Sie führt dabei an, dass die Erben den Zugang zu dem Benutzerkonto brauchen, um nähere Aufschlüsse darüber zu erhalten, ob ihre Tochter Suizidabsichten gehegt habe und um Schadensersatzansprüche des U-Bahn-Fahrers abzuwehren.
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Die Entscheidung des BGH
Der BGH entscheidet, dass Facebook den Eltern Zugang zum Benutzerkonto der Tochter und den Inhalten gewähren muss (Urteil vom 12. Juli 2018, Aktenzeichen III ZR 183/17). Dies ergebe sich aus dem Nutzungsvertrag zwischen der verstorbenen Tochter und Facebook, der im Wege der Gesamtrechtsnachfolge nach Paragraf 1922 Absatz 1 BGB auf die Erben übergegangen sei. Dessen Vererbbarkeit sei nicht durch die vertraglichen Bestimmungen ausgeschlossen. Die Nutzungsbedingungen enthielten hierzu keine Regelung. Überdies seien die Klauseln zum Gedenkzustand bereits nicht wirksam in den Vertrag einbezogen worden. Weiter hielten Sie einer Inhaltskontrolle nach Paragraf 307 Absatz 1, 2 BGB nicht stand.
Zudem ergebe sich aus dem Vertrag selbst keine Unvererblichkeit des Vertragsverhältnisses, insbesondere sei dieser nicht höchstpersönlicher Natur. Der höchstpersönliche Charakter folge auch nicht aus Gründen des Schutzes der Persönlichkeitsrechte der Kommunikationspartner der Erblasserin.
Weiter scheide eine Differenzierung des Kontozugangs nach Vermögenswerten und höchstpersönlichen Inhalten aus. Nach der bestehenden gesetzgeberischen Wertung gingen selbst Rechtspositionen mit höchstpersönlichen Inhalten wie etwa Tagebücher und persönliche Briefe auf die Erben über. Es bestehe daher aus erbrechtlicher Sicht kein Grund dafür, digitale Inhalte anders zu behandeln.
Auch kollidiere der Anspruch der Mutter nicht mit dem Datenschutzrecht. Der Senat hatte hierzu die seit Mai 2018 geltende Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) anzuwenden. Die DSGVO stehe dem Zugang der Erben nicht entgegen, da die Verordnung nur lebende Personen schütze. Die Verarbeitung der personenbezogenen Daten der Kommunikationspartner der Tochter sei sowohl nach Artikel 6 Absatz 1 Buchst. b Var. 1 DSGVO, als auch nach Artikel 6 Absatz 1 Buchst. f DSGVO zulässig. Die Verarbeitung sei dabei sowohl zur Erfüllung der vertraglichen Verpflichtungen gegenüber den Kommunikationspartnern der Tochter erforderlich, als auch aufgrund berechtigter überwiegender Interessen der Eltern.
Fazit zur Entscheidung des BGH
Das BGH-Urteil macht deutlich, dass Erben bei allen Account-gestützten Nutzungsverträgen wie E-Mail- und Cloud-Diensten, Netzwerken privater und beruflicher Art sowie Zahlungsdiensten, in die Rechtsstellung des verstorbenen Vertragspartners eintreten. Das allgemeine Regel-Ausnahmeverhältnis zu Gunsten der Universalsukzession gilt dabei auch für den „Digitalen Nachlass“.
Über die Autorin
Riccarda-Katharina Graul ist Rechtsanwältin mit den Schwerpunkten Versicherungsrecht, Vertriebs- und Vermittlerrecht sowie Handels- und Gesellschaftsrecht bei der Hamburger Kanzlei Jöhnke & Reichow Rechtsanwälte. Weiteren Informationen zum Datenschutz finden Sie hier. In den Newsletter der Kanzlei Jöhnke & Reichow Rechtsanwälte können Sie sich hier eintragen.
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