Ein Angehöriger der Bundeswehr nimmt an einer Corona-Abstrichstelle in Oelde bei einem Rentner-Ehepaar aus Warendorf einen Abstrich. Wegen des Corona-Ausbruchs beim Fleischproduzenten Tönnies in Rheda-Wiedenbrück können viele Menschen aus dem Gebiet nicht so leicht in den Urlaub entfliehen: In mehreren beliebten Regionen im In- und Ausland werden negative Tests von ihnen gefordert. Die Staatsanwaltschaft Bielefeld ermittelt nun, ob Tönnies schadensersatzpflichtig ist. © picture alliance/dpa | Guido Kirchner
  • Von Lorenz Klein
  • 25.06.2020 um 16:53
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lesedauer Lesedauer: ca. 03:00 Min

Die Wut über den Corona-Ausbruch beim Fleischfabrikanten Tönnies ist groß. Doch muss das Unternehmen für das massive Infektionsgeschehen mit bislang mehr als 1.500 betroffenen Mitarbeitern auch haften? Womöglich gar der Firmenchef persönlich? Und wann wäre der Fall eine Sache für die Betriebshaftpflichtversicherung? Pfefferminzia hat nachgefragt.

Inzwischen ermittelt die Staatsanwaltschaft Bielefeld wegen des Corona-Ausbruchs beim Fleischfabrikanten Tönnies im Landkreis Gütersloh, bei dem es sich laut Medienangaben um das derzeit stärkste lokale Ausbruchsgeschehen in der gesamten EU handele. Die Ermittler gehen dem Verdacht auf fahrlässige Körperverletzung und Verstoß gegen das Infektionsschutzgesetz nach. Einige Politiker fordern bereits, das Unternehmen zur Verantwortung zu ziehen. Und selbst NRW-Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) wird in Medienberichten mit der Schlagzeile zitiert, dass Tönnies den „Schaden wiedergutmachen“ müsse.

Doch was bedeutet das konkret? Tönnies in Haftung zu nehmen sei jedenfalls „nicht so einfach“, berichtete das „Handelsblatt“ am Dienstag und beruft sich auf Aussagen von Fachleuten.

„Zunächst müssen Experten klären, wo die Infektionskette begann und wie es zu dem Ausbruch kommen konnte. Nur wenn sie nachweisen, dass Tönnies gegen den Infektionsschutz verstoßen und somit seine Fürsorgepflicht verletzt hat, gebe es eine Grundlage für zivilrechtliche Schritte“, zitiert die Zeitung den Rechtsanwalt Michael Hendricks, der Unternehmen in Haftungsfällen berate.

„Alles, was sich kausal mit einem von Tönnies verschuldeten Ausbruch in Zusammenhang setzen lässt, kann zu Ansprüchen führen“, so Hendricks. Die Liste potenzieller Geschädigter reiche demnach von infizierten Mitarbeitern über nicht belieferte Lebensmittelhändler bis hin zum Staat, der die Bundeswehr in Gütersloh einsetze.

„Es kommt hier wirklich sehr auf die Bedingungen an“

Vorausgesetzt eine Verletzung der Fürsorgepflicht sei nachweisbar und geltend gemachte Schäden Dritter wären zudem auch durchsetzbar – könnte die Firma Tönnies womöglich auf eine Leistung aus der Betriebshaftpflichtversicherung (BHV) hoffen, sofern diese denn besteht?

„Es kommt hier wirklich sehr auf die Bedingungen des Versicherungsvertrages an, soweit einer besteht – was ja vorsorglich dazu gesagt werden muss“, stellt Rechtsanwalt Norman Wirth eingangs klar. Allerdings wäre ein direkter Anspruch eines Geschädigten gegenüber einer potenziell bestehenden Betriebshaftpflicht von Tönnies selbst dann nicht gegeben. „Der Geschädigte würde sich nicht mit der Versicherung direkt rumärgern, sondern mit Tönnies“, bringt es Anwalt Wirth gegenüber Pfefferminzia auf den Punkt. „Die Versicherung würde das gegebenenfalls im Hintergrund begleiten.“

GDV gibt sich zurückhaltend

Beim Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) will man nicht direkt auf die Geschehnisse bei Tönnies eingehen. Zu Einzelfällen äußere sich der Verband nicht, zudem seien dem GDV „ähnlich gelagerte Präzedenzfälle nicht bekannt“, teilte eine Sprecherin auf Anfrage von Pefferminzia mit. Stattdessen legt sie den Wesenskern einer BHV dar:

„Eine Betriebshaftpflichtversicherung erstattet Schäden, die durch die betriebliche Tätigkeit bei Dritten entstehen, wenn die Schadensersatzansprüche berechtigt und von der konkreten Police gedeckt sind. Grundsätzlich gedeckte, aber unberechtigte Ansprüche werden von der Betriebshaftpflichtversicherung abgewehrt, in diesen Fällen fungiert sie als passive Rechtsschutzversicherung.“

Ob im Einzelfall die genannten Voraussetzungen für eine Deckung erfüllt seien, hänge demnach von den geltend gemachten Ansprüchen und den jeweiligen Umständen ab, so die Sprecherin weiter.

Versicherer zahlt nicht bei Vorsatz

Rechtsanwalt Wirth bestätigt diese allgemeinen Aussagen des GDV – geht dazu aber noch stärker ins Detail, um die potenziellen Auswirkungen greifbarer zu machen. Sofern sich bestätigen sollte, dass sich das Unternehmen Tönnies möglicherweise wirklich haftbar gemacht habe – sprich „mindestens fahrlässig gegen Gesetze verstoßen und damit Anderen einen Schaden verursacht“, dann gilt es laut Wirth weiter zu prüfen, ob dies womöglich sogar vorsätzlich und widerrechtlich geschehen sei. Wenn dies der Fall wäre, bestünde keinerlei Versicherungsschutz. Wirth hält es daher für ausgemacht, dass ein Versicherer die Aspekte Fahrlässigkeit und Vorsatz ganz genau unter die Lupe nehmen und Vorsatz und Widerrechtlichkeit erst ausschließen würde, bevor es überhaupt zu einer Leistung käme.

Ein Fall für die D&O-Versicherung?

Der Anwalt hält es zudem für nicht ausgeschlossen, dass die Geschehnisse bei Tönnies „eher noch in eine andere Richtung spannend werden: D&O-Versicherung“. Diese allgemein auch als Managerhaftpflichtversicherung bekannte Police gerät aktuell im Fall des insolventen Zahlungsdienstleisters Wirecard in die Schlagzeilen. So berichtete das Branchenportal „Versicherungsmonitor“ am Donnerstag, dass der Bilanzskandal bei Wirecard den Druck auf die D&O-Versicherer weiter erhöhen werde, denn Insolvenzverwalter seien in der Regel „nicht zimperlich damit, Ansprüche gegen die Versicherer zu stellen“.

Nun ist Tönnies alles andere als eine Insolvenzfall, gleichwohl steht die Frage im Raum beziehungsweise im „Handelsblatt“, ob Firmenchef Tönnies womöglich auch persönlich haften muss? „Sollte Clemens Tönnies gar ein persönliches Verschulden nachgewiesen werden“, wird Anwalt Hendricks zitiert, „müsse der Familienunternehmer möglicherweise persönlich für Schäden zahlen“.

Doch das ist bislang alles nur Spekulation. Der Sachverhalt sei noch unklar, schreibt das „Handelsblatt“, zudem müsse auch geprüft werden, welche Rolle die Subunternehmen bei dem Ausbruch gespielt haben. Für eine Prognose sei es daher noch zu früh.

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Lorenz

Lorenz Klein

Lorenz Klein gehörte dem Pfefferminzia-Team seit 2016 an, seit 2019 war er stellvertretender Chefredakteur bei Pfefferminzia. Im Oktober 2023 hat Klein das Unternehmen verlassen, um sich neuen Aufgaben in der Versicherungsbranche zu widmen.

kommentare
Ludger Schillmöller
Vor 4 Jahren

Der Tönnies ist kein Fall für die Betriebshaftpflicht, dieser Verbrecher gehört in den Knast und seine Läden per sofort geschlossen.

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Ludger Schillmöller
Vor 4 Jahren

Der Tönnies ist kein Fall für die Betriebshaftpflicht, dieser Verbrecher gehört in den Knast und seine Läden per sofort geschlossen.

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