Hagen Engelhard ist Mitbegründer des Versorgungsnetzwerkes Medi-Kost-Net. Er hält Vorträge vor Ärzten, Versicherern und Gesundheitsdienstleistern. © Hagen Engelhard
  • Von René Weihrauch
  • 13.10.2020 um 08:53
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lesedauer Lesedauer: ca. 02:45 Min

Ist die private Krankenversicherung (PKV) noch immer die ultimative Lösung, um Zugang zu medizinischer Top-Versorgung zu bekommen? Welche Gefahren drohen zum Beispiel angesichts der demografischen Entwicklung? Gesundheitsexperte und Unternehmensberater Hagen Engelhard erklärt im Interview, was Makler künftig in Gesprächen beachten sollten.

Pfefferminzia: Herr Engelhard, in Anbetracht einer alternden Gesellschaft und anhaltend niedriger Zinsen fürchten viele Kunden steigende Beiträge in der privaten Krankenversicherung (PKV). Wie sollten Makler im Beratungsgespräch darauf reagieren?

Hagen Engelhard: Die Frage möchte ich in zwei Teilen beantworten. Zunächst zur Demografie: Die Alterung der Gesellschaft ist für die PKV weniger ein Problem als für umlagefinanzierte Systeme, wie es bei der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) der Fall ist. Das liegt daran, dass die GKV auf einem „horizontalen“ Finanzierungsmodell aufgebaut ist: Junge, gesunde Versicherte zahlen für die älteren, somit häufiger und schwerer erkrankten Mitglieder. Wenn nun die erste Gruppe immer kleiner und die zweite immer größer wird, haben Sie ein Problem. Das gilt für alle horizontalen Finanzierungsmodelle, zum Beispiel auch die die gesetzliche Rentenversicherung.

Die PKV finanziert sich dagegen anders, nämlich vertikal: Wer jung und fit ist, finanziert sich und seine Altersgenossen selbst. Vereinfacht gesagt: In dieser Phase zahlt man statistisch gesehen mehr ein als man herausbekommt und legt Reserven in Form von Altersrückstellungen an, also für den Lebensabschnitt, in dem man mit höherer Wahrscheinlichkeit selbst in irgendeiner Form erkrankt. Auf dieses vertikale Finanzierungsmodell hat die Alterung der Gesellschaft, anders als in der GKV, keinen Einfluss.

Und was ist mit den dauerhaft niedrigen Zinsen?

Das ist in der Tat ein Problem. Anhaltende Niedrigzinsen führen dazu, dass Versicherungsunternehmen an den Kapitalmärkten weniger Erträge erwirtschaften und den Rechnungszins absenken müssen, was wiederum zu höheren Beiträgen führen muss. Makler können in diesem Zusammenhang aber darauf hinweisen, dass auch die Beiträge zur GKV steigen – in den letzten Jahren durchschnittlich sogar stärker als in der PKV. Dieser Trend wird sich durch die regelmäßige Erhöhung der Beitragsbemessungsgrenze auch in Zukunft fortsetzen.

Was muss sich ändern, damit die PKV ein Erfolgsmodell bleibt?

Bei den Zinsen sehe ich in den nächsten zehn Jahren keine Trendwende. Deshalb sollten Vermittler bei ihren Kunden noch stärker das Bewusstsein dafür schärfen, dass die private Krankenversicherung kein Sparmodell ist – sondern dass ich mir damit höchstwertige medizinische Versorgung ermögliche, weil ich mir das leisten will und leisten kann.

Mein Appell an Makler ist außerdem, dass sie das Thema Gesundheitsprüfung sehr ernst nehmen und hier nicht wegen eines schnellen Abschlusses beide Augen zudrücken. Wenn unverhältnismäßig viele Vorerkrankte in die PKV kommen, kippt das System irgendwann. Grundsätzlich muss man aber sagen, dass das deutsche Gesundheitswesen mit seinem dualen System aus GKV und PKV vorzüglich aufgestellt ist, wie es sich in der Coronakrise wieder einmal gezeigt hat. Hier kann man übrigens durchaus einmal darauf hinweisen, dass etwa die hervorragende Ausstattung unserer Krankenhäuser in großen Teilen von Privatpatienten finanziert wird. Insofern profitieren auch gesetzliche Versicherte von der PKV, die darüber hinaus ja auch als eine Art Antreiber für bessere Leistungen in der GKV fungiert. Insofern muss sich, um auf Ihre Frage zurück zu kommen, nichts ändern – es sollte vielmehr alle Kraft darauf verwendet werden, das bestehende System zu stützen und nicht etwa durch den Wahnsinn einer Bürgerversicherung anstelle der PKV zu schwächen.

Wie wichtig ist die Digitalisierung im Gesundheitswesen, etwa die Telemedizin?

Die Digitalisierung hat viele Vorteile. Telemedizin ermöglicht schnellere Diagnosen und mehr Komfort. Jeder, der schon einmal mit einem fiebrigen Kind in einer vollen Arztpraxis gesessen hat, weiß, wovon ich rede. Auch kann die Diagnosefehlerquote gesenkt und es können Doppeluntersuchungen vermieden werden. Das alles senkt Kosten. Umgekehrt gilt: Digitalisierung kann in Teilen aber auch zu einer Form von Entmündigung führen. Ich denke zum Beispiel an die digitale Steuerung von Patientenströmen zu bestimmten Fachgruppen oder zu bestimmten Medikamenten. Die Vorteile der Digitalisierung sind klar, aber über solche Punkte muss zumindest offen gesprochen werden, damit am Ende jeder entscheiden kann, wie weit er diesen Weg mitgehen will.

Was glauben Sie: Welche Rolle wird die PKV in zehn Jahren spielen?

Ich wünsche sie mir in der Rolle, die sie heute spielt: als Dienstleister für den Teil der Bevölkerung, der sich eine erstklassige medizinische Absicherung leisten kann, aber auch als Motor, als Antreiber einer guten Entwicklung des Gesundheitswesens generell. Damit das so bleibt, müssen Versicherungsunternehmen Mitarbeiter und Makler unbedingt intensiv weiterbilden, so dass sie in der Lage sind, auch kritische Diskussionen zu führen. Etwas weniger Panikanfälligkeit beim Thema Beitragsanpassung wäre ebenfalls wünschenswert. Viele glauben immer noch, die PKV ist zu Beginn superbillig, wird aber im Alter superteuer. Beides ist Unsinn.

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René Weihrauch

René Weihrauch arbeitet seit 35 Jahren als Journalist. Einer seiner Schwerpunkte sind Finanz- und Verbraucherthemen. Neben Pfefferminzia schreibt er für mehrere bundesweit erscheinende Zeitschriften und international tätige Medienagenturen.

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