- Von Achim Nixdorf
- 16.10.2020 um 17:15
Der GKV-Schätzerkreis – bestehend aus Experten des Bundesgesundheitsministeriums (BMG), des Bundesamts für Soziale Sicherung (BAS) und des GKV-Spitzenverbandes – hat sich auf seiner jüngsten Sitzung nicht auf eine Prognose zur Finanzentwicklung der Krankenkassen im kommenden Jahr einigen können. Die Vertreter von BMG und BAS werden eine Erhöhung des durchschnittlichen Zusatzbeitragssatzes um 0,2 Prozentpunkte auf 1,3 Prozent im Jahr 2021 empfehlen. Die Experten des GKV-Spitzenverbandes schätzen die Ausgabenentwicklung dagegen dramatischer ein und gehen von einem durchschnittlichen Zusatzbeitragssatz in Höhe von 1,4 Prozent aus.
Regierung will weitere Beitragserhöhung in der GKV verhindern
GKV-Beiträge könnten bald drastisch steigen
GKV verbucht Defizit in Milliardenhöhe
Für das kommende Jahr erwarten die Experten von BMG und BAS nach Informationen des AOK-Spitzenverbands GKV-Einnahmen in Höhe von 242 Milliarden Euro und Ausgaben in Höhe von 275 Milliarden (ohne Einbeziehung des Maßnahmenpakets zur Sozialgarantie). Jenseits des geltenden Zusatzbeitragssatzes in Höhe von 1,1 Prozent ergibt sich daraus ein Fehlbetrag von zirka 16 Milliarden Euro. Dieser soll über die Anhebung des durchschnittlichen Zusatzbeitrags um 0,2 Prozentpunkte auf dann 1,3 Prozent, die einmalige Steigerung des Bundeszuschusses um 5 Milliarden Euro für Corona-bedingte Mehrausgaben und Mindereinnahmen sowie den Zugriff auf kassenindividuelle Rücklagen in Höhe von rund 8 Milliarden Euro ausgeglichen werden.
AOK-Manager befürchtet „massive Wettbewerbsverzerrung“
Jens Martin Hoye, der stellvertretende Vorstandsvorsitzende des AOK-Bundesverbandes, reagiert mit scharfer Kritik auf diese Entwicklung. In einer persönlichen Stellungnahme spricht er von einer drohenden Misere. Wörtlich heißt es dort: „Das Schätzerkreisergebnis bestätigt die drohende Misere: Das Versprechen der Sozialgarantie wird nicht eingehalten. Die Bundesregierung hatte zugesagt, die Sozialversicherungsbeiträge zu stabilisieren und die Finanzierungsverantwortung für die 2021 entstehende Lücke in der GKV über einen erhöhten Bundeszuschuss vollständig zu übernehmen. Der zugesagte Steuerzuschuss von 5 Milliarden Euro reicht aber gerade mal für knapp ein Drittel des Fehlbetrags. Die anderen zwei Drittel, 11 Milliarden Euro, sollen doch die Beitragszahler aufbringen, indem der durchschnittliche Zusatzbeitragssatz angehoben und die Kassenrücklagen in einer Größenordnung von rund 8 Milliarden Euro angezapft werden. Davon trägt die AOK-Gemeinschaft den Löwenanteil, was eine massive Wettbewerbsverzerrung darstellt. Damit sollen im Wahljahr Beitragssatzanhebungen verhindert werden. Das dürfte mit den geplanten Maßnahmen aber kaum gelingen.“
Steigen die Beiträge ab 2022 weiter an?
Für 2022 rechnet Hoye mit einer „zweiten Welle“ von Beitragsanhebungen, da der für 2021 ermittelte Fehlbetrag von 16 Milliarden Euro nur mit rund 3,4 Milliarden direkt durch die Corona-Pandemie bedingt sei. „Der Großteil wird durch kostspielige Gesetze verursacht, die dauerhafte Finanzwirkung haben”, so Hoye. „Dies wird im Jahr 2022 zu einem immensen strukturellen Ausgabenüberhang führen. Da die Rücklagen der Kassen weitgehend im Wahljahr aufgebraucht werden, drohen 2022 drastische Erhöhungen der Beiträge und unpopuläre Spargesetze.”
Endgültig festgelegt wird der Zusatzbeitrag für 2021 von Gesundheitsminister Jens Spahn bis Ende Oktober. Den Zusatzbeitrag können die Kassen im Wettbewerb individuell gestalten. Er wird seit 2019 wieder zu gleichen Teilen von Arbeitnehmern und Arbeitgebern getragen. Das gilt auch für den regulären Beitrag zur gesetzlichen Krankenversicherung von 14,6 Prozent.
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