Rechtsanwalt Stephan Michaelis. © Kanzlei Michaelis
  • Von Redaktion
  • 02.11.2020 um 16:17
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Seit Montag befindet sich Deutschland in einem erneuten Lockdown. Welche Folgen hat das jetzt für Betriebsschließungsversicherungen? Diese und weitere Fragen hat der Hamburger Rechtsanwalt Stephan Michaelis in den vergangenen Tagen zuhauf von Maklern bekommen. In diesem Beitrag geht Michaelis auf die häufigsten Fragen zum Thema ein.

Nachdem es sich in den letzten Wochen bereits angebahnt hat und in den letzten Tagen erwartbar gewesen ist, ist es nun leider soweit und wir bekommen ab heute einen erneuten Lockdown. Wir sind in den letzten Tagen sowohl von Maklerseite als auch von Seiten der betroffenen Mandanten in vielfachen Telefonaten und zahlreichen Mails gefragt worden, was dies jetzt im Hinblick auf die Betriebsschließungsversicherung bedeutet, ob diese im jetzt bevorstehenden Lockdown noch einmal leisten muss, wie man sich verhalten soll etc.

Aufgrund dieser zahlreichen Anfragen der letzten Tage haben wir uns entschlossen, zu den wichtigsten an uns gestellten Fragen die sich momentan offensichtlich sowohl viele Makler als auch viele Betroffene stellen, nachfolgend kurz stichpunktartig Stellung zu nehmen, um Ihnen ein Gefühl für die Situation und die möglicherweise zu beachtenden Dinge zu vermitteln. Natürlich können wir dabei nicht alle Fragen und Einzelfälle berücksichtigen. Diese sind dann telefonisch oder per Mail im Einzelnen zu klären, wofür wir Ihnen sowie Ihren Kunden selbstverständlich jederzeit gerne zur Verfügung stehen.

1. Bisherige Entwicklung – Stand der Rechtsprechung

In den letzten Monaten hat sich immer stärker herauskristallisiert, dass bis auf ganz wenige Ausnahmen die meisten Betriebsschließungsversicherungen aufgrund der allgemeinen behördlichen Anordnungen wegen Covid-19 im März 2020 die bereits erfolgten Betriebsschließungen umfassen dürften und dass die Versicherer wohl verpflichtet sind, die aufgrund der eingetretenen Versicherungsfälle zu regulierenden Schäden zu ersetzen.

Nachdem die Versicherer sich auf breiter Front zusammengeschlossen haben, um die Schadenregulierung kollektiv zu verweigern, gibt es nunmehr erste Rechtsprechung zur Thematik die bestätigt, dass die Versicherer in der Regel zur Schadenregulierung verpflichtet sein dürften.

Momentan gibt es erst relativ wenige Urteile in Sachen Betriebsschließungsversicherung, aus denen sich allgemeingültige Aussagen für die zu erwartende weitere Rechtsprechung in Sachen Betriebsschließungsversicherung ergeben.

Es gibt einige Urteile/Beschlüsse in einstweiligen Verfügungsverfahren, in denen die Kläger versucht haben, eine Entscheidung gegen die Versicherung im einstweiligen Rechtsschutz herbeizuführen. Diese Verfahren sind nach meiner Kenntnis alle von den Gerichten negativ beschieden worden, da es bereits am Interesse des jeweiligen Antragstellers für eine Entscheidung im einstweiligen Rechtsschutz gefehlt hat. Die Kläger sind auf ein ganz normales Klageverfahren verwiesen worden. Mit Ausnahme des bekannten Urteils des LG Darmstadt vom 29. April 2020 haben sich die Gerichte im einstweiligen Rechtsschutz mit den wirklich relevanten Fragen inhaltlich entweder gar nicht oder kaum auseinandergesetzt, so dass hier inhaltlich – vom Urteil des Landgerichts Darmstadt abgesehen – kein großer juristischer Erkenntnisgewinn möglich gewesen ist.

So ging es bei dem in der Presse zum Zwecke der Meinungsbeeinflussung immer wieder angeführten Beschluss des OLG Hamm 20 W 21/20, Beschluss vom 15. Juli 2020, ebenfalls um ein einstweiliges Verfügungsverfahren, bei dem der Antrag bereits mangels fehlenden Rechtsschutzinteresses zurückzuweisen war. Auf die Frage, ob Covid-19 im dort zu behandelnden Fall versichert ist oder nicht, ist das OLG nur am Rande mit einem einzelnen Absatz im Rahmen einer flüchtigen summarischen Prüfung eingegangen, und zwar erkennbar ohne sich inhaltlich damit weiter auseinanderzusetzen. Dieser insgesamt nur zwei Seiten umfassende Beschluss bringt keinen inhaltlichen Erkenntnisgewinn.

In den ersten Hauptsacheverfahren liegen mittlerweile einige wenige Urteile vor. Nach meiner Kenntnis sind in den mir inhaltlich bekannten vier Verfahren zwei Klagen abgewiesen worden und zwei Klagen hatten Erfolg. In einigen anderen Verfahren hat die jeweils betroffene Versicherungsgesellschaft kurz vor Urteilsverkündung leider mit den jeweiligen Klägern einen Vergleich mit Stillschweigensklausel geschlossen, um negative Urteile zu verhindern.

Urteile in Hauptsacheverfahren:

LG Ellwangen, Aktenzeichen 3 O 187/20, Urteil vom 17. September 2020: Die Klage gegen die Helvetia ist abgewiesen worden. Der Kläger hat es im dortigen Verfahren möglicherweise versäumt, darzulegen, dass die Klausel mit der Aufzählung der Krankheiten unwirksam ist, da sie einer AGB-rechtlichen Prüfung nicht standhält. Da der Kläger dies offensichtlich nicht vorgetragen hat, durfte das Gericht dies auch nicht prüfen. Das Gericht hat im Zivilprozess allein den Vortrag der Parteien rechtlich zu bewerten und darf nicht eigenständig darüber hinausgehen, um einer der Parteien zu helfen. Das Urteil ist in der Sache deshalb nicht zu beanstanden.

LG München I, Aktenzeichen 12 O 7208/20, Urteil vom 17. September 2020: Die Klage gegen die Versicherung ist abgewiesen worden, da die Klägerin – eine Kindertagesstätte in München – nicht geschlossen gewesen ist und es damit bereits an einer behördlichen Betriebsschließung gefehlt hat. Auch dieses Urteil ist rechtlich nicht zu beanstanden.

LG München I, Aktenzeichen 12 O 5895/20, Urteil vom 01. Oktober 2020: Das Gericht hat der Klage stattgegeben und die Versicherung (Versicherungskammer Bayern) zur Regulierung des Betriebsschließungsschadens verurteilt. Das Gericht hat in dem 30-seitigen Urteil umfänglich dargelegt und rechtlich sauber begründet, weshalb der Betrieb aufgrund behördlicher Anordnung im Sinne der Versicherungsbedingungen durch Allgemeinverfügung beziehungsweise Rechtsverordnung geschlossen gewesen ist, und dass die in den Versicherungsbedingungen enthaltene Klausel mit der Auflistung der Krankheiten einer AGB-rechtlichen Prüfung nicht standhält und unwirksam ist – weil die Auflistung der Krankheiten in den Versicherungsbedingungen trotz Bezugnahme auf den Inhalt des Gesetzes inhaltlich von diesem abweicht. Weiterhin hat das Gericht festgestellt, dass Kurzarbeitergeld sowie Überbrückungshilfen und Soforthilfen nicht schadenmindernd anzurechnen sind.

LG München I, Aktenzeichen 12 O 5868/20, Urteil vom 22. Oktober 2020: Das Gericht hat auch hier der Klägerin Recht gegeben und die Versicherung (Die Haftpflichtkasse) zur Regulierung des Betriebsschließungsschaden verurteilt. Das Gericht hat in dem 28-seitigen Urteil erneut umfänglich mit sauberer rechtlicher Begründung dargelegt, weshalb auch dieser Betrieb aufgrund behördlicher Anordnung im Sinne der Versicherungsbedingungen durch Allgemeinverfügung beziehungsweise Rechtsverordnung geschlossen gewesen ist und dass auch die in den Versicherungsbedingungen der Haftpflichtkasse enthaltene Klausel der Auflistung der Krankheiten einer AGB-rechtlichen Prüfung nicht standhält und unwirksam ist, weil die Auflistung in den Versicherungsbedingungen trotz Bezugnahme auf das Gesetz inhaltlich vom Gesetz abweicht. Auch hier hat das Gericht festgestellt, dass Kurzarbeitergeld sowie Überbrückungshilfen und Soforthilfen nicht schadenmindernd anzurechnen sind.

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