Tobias Strübing ist Fachanwalt für Versicherungsrecht und für die Kanzlei Wirth-Rechtsanwälte in Berlin tätig. © Wirth Rechtsanwälte
  • Von Redaktion
  • 03.11.2020 um 10:42
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Der erste Lockdown ab März 2020 führte zu erheblichen Konflikten zwischen Kunden mit einer Betriebsschließungsversicherung (BSV) und deren Versicherer. Der zweite Lockdown im November dürfte die Auseinandersetzungen noch verschärfen, meint der Fachanwalt Tobias Strübing. Die Gründe hierfür erläutert er in seinem Gastbeitrag.

Mit der Corona-Krise gerieten insbesondere unzählige Hotels und Restaurant aber auch Kitabetreiber, Handwerker, Ladenbetreiber und viele andere Gewerbebetriebe in existentielle finanzielle Not. Viele hatten für diesen Fall mit einer Betriebsschließungsversicherung vorgesorgt. Diverse Versicherer lehnten die Übernahme der Versicherungsleistung ab, unterbreiteten Zahlungsangebote, die in vielen Fällen inakzeptabel waren und sprachen die Kündigung der Versicherungspolice. Wirth-Rechtsanwälte bearbeitet inzwischen eine Vielzahl dieser Fälle.

 

Viele Firmen, vor allen Dingen aber Gastronomen und Hotelbetreiber, stehen vor einer ähnlichen Situation wie bereits Ende März. Sie müssen seit dem 2. November erneut ihre Betriebe ganz oder teilweise schließen. Soweit diese Firmen mit ihrem Betriebsschließungsversicherer keinen Vergleich geschlossen haben oder die Verträge nicht schon durch Kündigung wirksam beendet oder angepasst wurden, bestehen die Versicherungsverträge in vielen Fällen unverändert fort. 

Mehrfache Anordnung ausgeschlossen?

Dementsprechend gibt es derzeit viele Fragen dazu, ob nun nicht ein neuer Versicherungsfall eingetreten sei und daher gegebenenfalls neue Leistungsansprüche entstehen können. Wie so oft lässt sich diese Frage nicht pauschal beantworten. Im Ergebnis dürfte aber in vielen Fälle ein neuer Versicherungsfall eingetreten sein, wenn nicht mit dem Versicherer vereinbart wurde, dass SARS Cov-2 und/ oder Pandemien ausdrücklich ausgeschlossen sind.

Teilweise sind in den Versicherungsverträgen zwar Regelungen enthalten, wonach mehrfache Anordnungen aufgrund gleicher Umstände ausgeschlossen sind. So heißt es in den Bedingungen mehrerer Versicherer gleichlautend:

„Mehrfache Anordnung

Wird eine der durch die Versicherung gedeckten Maßnahmen mehrmals angeordnet und beruhen die mehrfachen Anordnungen auf den gleichen Umständen, so wird die nach Nr. 3 zu leistende Entschädigung nur einmal zur Verfügung gestellt.“

Derartige Vereinbarungen dürften aber mindestens deswegen unwirksam sein, weil sie keine zeitliche Zäsur enthalten und daher entgegen dem Vertragszweck zu einer abschließenden – unzulässigen – Beschränkung des Versicherungsschutzes führen würden.

Um es plakativer und ohne Pandemie auszudrücken: Wenn in einem Restaurant mehrmals Salmonellen auftreten, unter Umständen erst im Abstand von mehreren Jahren – sind dann Salmonellen nach der Klausel nach dem ersten Fall nie wieder mitversichert? Das dürfte schwerlich – insbesondere nach dem maßgeblichen Verständnis des versicherten Unternehmens – der Fall sein.

Vergleiche in vielen Fällen treuwidrig

Darüber hinaus sollte aber auch solchen Versicherungsnehmern Anspruch wegen des zweiten Lockdowns zustehen, die mit ihrem Versicherer einen Vergleich geschlossen haben.

In einer Vielzahl von Fällen dürften die mit dem jeweiligen Versicherer geschlossenen Vergleiche treuwidrig und damit unwirksam sein. Es entsprach und entspricht gefestigter Rechtsprechung, dass Vergleiche mit Versicherungsnehmern dem Umstand Rechnung tragen müssen, dass der Versicherer dem Versicherungsnehmer aufgrund seines Fachwissens regelmäßig überlegen ist. Das wiederum hat zur Folge, dass Versicherer nur dann wirksam Vergleiche schließen dürften, wenn sie sich sehr redlich gegenüber ihrem Kunden verhalten und ihn unter anderem auf die mit dem Vergleich verbundenen Nachteile hinweise.

Wir haben bisher aber fast keinen Vergleichsvorschlag gesehen, der dieser Rechtsprechung ausreichend Rechnung getragen hat. Es bleibt also ein Dauerthema. Ansprüche auf Versicherungsleistung sollten durch die betroffenen Unternehmen und Gewerbetreibenden unbedingt angemeldet werden, auch wenn schon beim ersten Lockdown die Ablehnung kam oder ein Vergleich geschlossen wurde.

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