Sven Schönfeld ist Vertriebschef bei der Beratungsplattform Thinksurance. © Thinksurance
  • Von Manila Klafack
  • 16.02.2021 um 11:00
artikel drucken artikel drucken
lesedauer Lesedauer: ca. 03:00 Min

Die Ausbreitung des Corona-Virus beschäftigt seit gut einem Jahr auch Gewerbeversicherer. Über die aktuelle Stimmung in der Branche und wie sich die Beratung seither verändert, berichtet Sven Schönfeld, Vertriebschef bei der Beratungsplattform Thinksurance.

Pfefferminzia: Welche Auswirkungen bemerken Sie auf dem Gewerbemarkt nach einem Jahr Corona?

Sven Schönfeld: Die Gewerbe- und Industrieversicherungen sind im Vergleich zu anderen Bereichen der Assekuranz und im Vergleich zu anderen Branchen gut durch das vergangene Jahr gekommen. Grund dafür: Diese Versicherungen, wie Inhalts- und Sachversicherungen, sind essenziell für Betriebe und Unternehmen.

Die großen Einschläge blieben bisher aus. Eine spannende Beobachtung ist, dass seit Anfang 2020 die Zahl der Mischgewerbe steigt. Das führen wir auf die Lockdowns zurück. Viele Kleinunternehmer versuchen, sich neue Einkommensströme zu erschließen, um das weggebrochene Geschäft zu kompensieren. So liefert der Kioskbesitzer nun Pakete für Amazon und vielleicht am Wochenende frische Brötchen aus. Diese Mischgewerbe zu erfassen und abzusichern, ist insbesondere in diesem neuen Variantenreichtum oft eine Herausforderung im Vermittleralltag.

Wie sieht denn der Alltag eines Gewerbemaklers aktuell aus?

Die Arbeit ist viel digitaler geworden. Das zieht sich durch von der Kommunikation über Video-Beratungsgespräche bis hin zu Online-Abschlussstrecken. Auch das Thema elektronische Signatur steht auf der Tagesordnung. Da kein Publikumsverkehr in Büros und Agenturen zugelassen ist, kommt dem eine große Bedeutung zu. Interessant hier: Die Erfahrungen der vergangenen Monate zeigen, wie gut diese neuen Formen der Beratung funktionieren und angenommen werden.

Worauf führen Sie diese Akzeptanz zurück?

Der Hauptgrund ist der Faktor Zeit. Digitale Verwaltungs- oder Organisationsprozesse sind einfach schneller. Zudem entfallen mittels digitaler Beratungsansätze beispielsweise auch längere Fahrzeiten. Das wiederum kann in den Ausbau digitaler Beratungsmodelle und digitaler Vertriebsaktivitäten fließen. Gleichzeitig, und das ist vielen Maklern berechtigterweise wichtig, ersetzt nichts den direkten Kundenkontakt inklusive des Besuches vor Ort. Allein für die Risikoerfassung ist das häufig unabdingbar. Daher meine These: Künftig wird es bei Gewerbeversicherungen hybride Beratungsansätze geben.

Welche Chancen sehen Sie durch die Digitalisierung für Makler und Vermittler?

Die größten Chancen liegen darin, dass digitale und automatisierte Prozesse deutlich effizienter und schneller sind. Durch den immer weniger werdenden manuellen Verwaltungsaufwand verschaffen digitale Lösungen den Vermittlern mehr Zeit und reduzieren Verwaltungskosten. Gleichzeitig steigern sie die Produktivität. Es bleibt mehr Zeit für Beratung und Vertriebsaktivitäten. Ein weiterer wichtiger Punkt ist zudem die neu gewonnene Transparenz digitaler Lösungen. Diese ermöglichen einen demokratischen Zugang. Desweiteren sind viele Informationen, die zuvor so schlicht nicht erfassbar und durchdringbar waren, übersichtlicher aufbereitet.

Und wo könnten Risiken liegen?

Das größte Risiko ist, dass der Markt die Digitalisierung verschläft. Immer mehr Unternehmer erkennen den Mehrwert digitaler Lösungen und überdenken mit vollem Einsatz ihre Prozesse. Dennoch geht es teilweise eher langsam voran. Das übergreifende Ziel müsste sein, Unsicherheiten abzubauen, jeden Einzelnen zu aktivieren, und so den Mehrwert für jeden Agierenden spürbar zu machen.

In welchem Bereich der Gewerbeversicherung stellen Sie die größte Veränderung seitens der Versicherer fest?

Am meisten ändert sich bei der Betriebsschließungsversicherung. Die Entwicklungen haben hier zu einem neuen Verständnis in der Assekuranz geführt. Grundsätzlich war die Bedingung einer behördlich angeordneten Betriebsschließung aufgrund eines Erregers, der im Infektionsschutzgesetz vorgesehen ist, in den Tarifwerken nichts Neues. Aus Gastronomie und Hotellerie ist das etwa bei Salmonellen bekannt. Und in diesen Fällen leisteten viele Versicherer.

2020 war jedoch der bundesweite Lockdown mit der flächendeckenden Betriebsschließung von nahezu allen Betriebsarten neu, den das neuartige Virus verursacht. Dieses Virus wurde nirgendwo, auch nicht im Infektionsschutzgesetz, berücksichtigt. Das führte dazu, dass plötzlich zwischen Einzel- und Allgemeinverfügung unterschieden wurde. Begriffe, die in diesem Kontext zuvor nicht auftauchten. Die Konsequenz: Versicherer prüfen und überarbeiten ihre Tarifwerke. Sie beobachten gerichtliche Verfahren, mithilfe derer entschieden wird, ob die Versicherung greift oder nicht.

Wie veränderte sich die Betriebsschließungsversicherung durch Corona?

Vor dem ersten Lockdown stiegen die Anfragen nach einer Betriebsschließungsversicherung deutlich. Selbst dann gab es das noch, als vielerorts der Zeichnungsstopp ausgerufen war. Wie schon beschrieben, musste das ganze Thema aus einer sich immer weiter zuspitzenden und akuten Problemlage heraus behandelt und neu gedacht werden. Diese Situation regulieren die Versicherer auf unterschiedliche Weise.

Manche Versicherer passten inzwischen die Bedingungen an. Corona beziehungsweise Pandemien werden in der Betriebschließungsversicherung nun oft ausgeschlossen. Das hat zwei Folgen: Zum einen macht es eine Betriebsschließungsversicherung nicht mehr ganz so attraktiv für viele Unternehmen. Zum anderen können die aktuell geführten Debatten und Verfahren darüber, ob der bestehende Schutz unter den noch unveränderten Bedingungen gilt, das Vertrauen in das Leistungsversprechen der Versicherung beeinträchtigen. Das wiederum kann langfristig ein Problem darstellen. Wie es sich jedoch insgesamt weiterentwickelt, hängt sicher auch davon ab, wie die Urteile der Gerichte ausfallen werden.

Gibt es Versicherer, die besonders schnell auf die Situation reagiert und ihre Versicherungsbedingungen angepasst haben?

Grundsätzlich haben alle Versicherer reagiert, sich der Situation gestellt, ihre Bedingungen überprüft und angepasst. Aus Sicht der Versicherer ist das verständlich. Dennoch wäre es ratsam, den möglichen Vertrauensverlust zu vermeiden. Letztlich ist es im Sinne der Versicherungsunternehmen, einen Imageschaden, sowohl für das eigene Unternehmen als auch für die gesamte Branche, abzuwehren.

autorAutorin
Manila

Manila Klafack

Manila Klafack war bis März 2024 Redakteurin bei Pfefferminzia. Nach Studium und redaktioneller Ausbildung verantwortete sie zuvor in verschiedenen mittelständischen Unternehmen den Bereich der Öffentlichkeitsarbeit.

kommentare

Hinterlasse eine Antwort

kommentare

Hinterlasse eine Antwort

Pfefferminzia Logo rgb
Suche
Close this search box.
Zuletzt hinzugefügt
Wie die Zukunft der bAV aussieht
Handelsblatt Jahrestagung bAV 2024

Wie die Zukunft der bAV aussieht

Vermittler müssen und wollen sich weiterbilden
AfW-Vermittlerbarometer: Nachhaltigkeit

Vermittler müssen und wollen sich weiterbilden

Skip to content