Der Hamburger Rechtsanwalt Björn Thorben M. Jöhnke. © Kanzlei Jöhnke & Reichow
  • Von Redaktion
  • 30.04.2021 um 11:48
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Das Oberlandesgericht Frankfurt musste sich damit befassen, ob die Frage des Krankenversicherers bei Vertragsabschluss nach bestehenden „Anomalien“ zum nachträglichen Ausschluss der Kostenübernahme für kieferorthopädische Behandlungen berechtigt. Wie die Richter entschieden, berichtet Rechtsanwalt Björn Thorben M. Jöhnke in seinem Gastbeitrag.

Was war geschehen?

Der klagende Versicherungsnehmer beantragte im März 2017 bei der Versicherung eine private Krankheitskosten- und Pflegeversicherung. Bezogen auf seine mitzuversichernde, neun Jahre alte Tochter beantwortete er folgende Frage mit „nein“:

„Bestehen / bestanden in den letzten 3 Jahren Beschwerden, Krankheiten, Anomalien (auch Implantate – z.B. Brustimplantate – und / oder Unfallfolgen…), die nicht ärztlich behandelt wurden?“

Seit 2011 befand sich die Tochter des Mannes in regelmäßiger zahnärztlicher Kontrolle. Es lag bei ihr unstreitig ein Engstand der Backenzähne vor. Sie erlitt im Sommer 2017 einen Unfall. Bei diesem brach sie sich einen Zahn ab. Im Rahmen dieser Behandlung wurde die Indikation (Heilanzeige) für eine kieferorthopädische Behandlung gestellt. In dem von der Kieferorthopädin aufgestellten Heilbehandlungs- und Kostenplan vom November 2017 heißt es unter anderem: „Platzmangel im UK (Unterkiefer), Scherenbiss Zahn 24, diverse Rotationen und Kippungen“.

Der Versicherer vertrat die Auffassung, dass dieser Engstand der Backenzähne eine anzeigepflichtige „Anomalie“ im Sinne der Frage im Antragsformular darstelle. Hätte der Versicherer Kenntnis hiervon, würde er den Vertrag nicht einschränkungslos annehmen, sondern einen Ausschluss der Leistungen für die kieferorthopädische Behandlung vereinbaren. Daher sei der Vertrag wegen einer Verletzung der Anzeigepflicht nachträglich anzupassen.

Demgegenüber hatte sich der Versicherungsnehmer darauf berufen, dass er erstmalig im Sommer 2017 Kenntnis davon erlangt habe, dass eine kieferorthopädische Behandlung bei seiner Tochter notwendig sei. Anzeichen dafür lagen nach Ansicht des Versicherungsnehmers nicht vor. Insbesondere habe auch nicht der Engstand der Backenzähne auf eine solche notwendige Behandlung hingedeutet.

Das Landgericht Gießen hatte die Klage des Versicherungsnehmers auf Erstattung von Aufwendungen für kieferorthopädische Behandlung abgewiesen. Gegen diese Entscheidung legte er Berufung zum Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt ein.

Die Entscheidung des OLG Frankfurt

Die Berufung hatte vor dem OLG Frankfurt überwiegend Erfolg (OLG Frankfurt, Urteil vom 24. März 2021 – Aktenzeichen 7 U 44/20). Das Gericht entschied, dass der Versicherer nicht zur Vertragsanpassung unter Aufnahme eines Risikoausschlusses für die Behandlung von Zahnfehlstellungen/Anomalien berechtigt gewesen sei. Der Versicherungsnehmer habe keine Anzeigepflicht verletzt. Das OLG kam zum Ergebnis, dass der Umstand, dass bei der Tochter des Klägers ein Engstand der Backenzähne vorgelegen und ihm bekannt gewesen sei, nicht anzeigepflichtig gewesen sei, da Fragen, die eine Wertung des Versicherungsnehmers voraussetzen, grundsätzlich unzulässig seien. Das OLG Frankfurt hat die Revision zum BGH nicht zugelassen.

Engstand der Backenzähne ist keine Krankheit

Das OLG führte aus, dass es sich beim Engstand der Backenzähne nicht um eine „Krankheit“ handele. „Krankheit“ im versicherungsvertraglichen Sinne sei „ein anormaler Körper- oder Geisteszustand, der eine nicht ganz unerhebliche Störung körperlicher oder geistiger Funktionen mit sich bringt“. Im Streitfall habe auch selbst der Versicherer nicht behauptet, dass der Engstand hier zu einer solchen Störung körperlicher Funktionen führte.

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