- Von Achim Nixdorf
- 20.05.2021 um 19:06
Im Jahr 2020 wurden in Deutschland 15.840 Unternehmen zahlungsunfähig, 15,5 Prozent weniger als noch 2019. Auch dank massiver staatlicher Unterstützung ist das der niedrigste Stand seit 1993 und der stärkste Rückgang seit 1975.
Eigentlich eine erfreuliche Entwicklung, doch nach Einschätzung des Kreditversicherers Coface trügt der Schein aus mehreren Gründen:
Grund 1: Ausnahmen von der Regel
Eine Auswertung des Kreditversicherers Coface zeigt, dass nicht jede Branche oder Region von dieser Situation profitiert hat. Denn um Corona-Hilfen zu erhalten, mussten Unternehmen nachweisen, dass ihr Geschäftsmodell vor der Pandemie, also im Dezember 2019, wirtschaftlich gesund war.
„Sowohl die Metall- als auch die Automobilbranche befanden sich jedoch seit Ende 2018 in der Rezession. Dadurch erfüllten einige Unternehmen diese Kriterien nicht und erhielten keine staatliche Unterstützung“, erklärt Coface-Volkswirtin Christiane von Berg. Folglich seien die Insolvenzen im Metallsektor im vergangenen Jahr um 7,1 Prozent und im Automobilsektor um 31,6 Prozent gestiegen.
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Unterschiede offenbart die Auswertung auch innerhalb der Bundesländer. Fast alle Länder meldeten demnach einen Rückgang der Insolvenzen – mit Ausnahme des Stadtstaates Bremen. Dort stieg die Zahl der Firmenpleiten um 8 Prozent gegenüber 2019, was vor allem auf die Bereiche Unternehmensdienstleistungen, verarbeitendes Gewerbe und Transport zurückzuführen sei. Auch die Rückgänge in Hessen (minus 8,4 Prozent) und den beiden „Autoländern“ Baden-Württemberg und Niedersachsen mit jeweils minus 11,9 Prozent hätten unter dem Bundesdurchschnitt gelegen.
Grund 2: Insolvenzforderungen auf Höchststand
Laut Statistischem Bundesamt haben sich die zu erwartenden Forderungen aus Unternehmensinsolvenzen im Jahr 2020 auf 44,1 Milliarden Euro summiert. Dem Kreditversicherer zufolge ist das der höchste Stand seit 2009 und im Vergleich zu 2019 eine Steigerung um 65 Prozent.
Grund 3: Versteckte Insolvenzen
Nach einer Simulation von Coface hätten die Gesamtinsolvenzen im Jahr 2020 auf Grundlage des Konjunktureinbruchs um 6 Prozent gegenüber 2019 ansteigen müssen. In der Realität sind sie aber um 15,5 Prozent gesunken.
„Daher könnte ein Anteil von bis zu 21,5 Prozent – beziehungsweise 4.030 Insolvenzen – in der Pipeline stecken und sich 2021 und 2022 materialisieren“, prognostizieren die Anaylysten. Das Gros dürfe mit bis zu 660 „versteckten Insolvenzen“ aus dem Gastgewerbe kommen, gefolgt von Transport und Bau (jeweils bis zu 420), dem Verarbeitenden Gewerbe (230) und dem Einzelhandel (190).
„Viele Unternehmen haben nach den Wirtschaftskrisen 2002 und 2009 mehr Eigenkapital aufgebaut und gingen dadurch stabiler in die aktuelle Krise. Aber irgendwann sind diese Reserven aufgebraucht. Für viele wird der aktuelle Lockdown zu lange andauern, sie werden es nicht schaffen“, sagt Christiane von Berg. Darauf deute auch die wachsende Zahl der Anmeldungen für ein Regelinsolvenzverfahren hin.
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