Ist gegen die Tariftreueregelung: der Präsident des Arbeitgeberverbands BPA, Rainer Brüderle. © bpa AGV / Laurence Chaperon
  • Von Juliana Demski
  • 02.06.2021 um 16:01
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lesedauer Lesedauer: ca. 01:35 Min

Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) und Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) verhandeln seit Wochen über einen Weg für höhere Löhne in der Altenpflege. Ihre Idee: eine Tariftreueregelung. Der Präsident des Arbeitgeberverbands BPA, Rainer Brüderle, hält davon nichts. Damit riskierten sie „Existenzen von Unternehmen, stagnierende oder sogar sinkende Löhne und den Verfassungsbruch“, warnte Brüderle.

In Deutschland herrscht ein Pflegenotstand. Kaum ein junger Mensch möchte mehr Pflegekraft werden. Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) und Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) sind sich deshalb einig: Es müssen höhere Löhne her. Ihre Idee: eine Tariftreueregelung – am Mittwoch gab das Bundeskabinett dazu auch seine Zustimmung. Anders sieht das jedoch Rainer Brüderle, Präsident des Arbeitgeberverbands BPA.

„Die heutige Entscheidung des Bundeskabinetts zeigt, wie weit weg diese Regierung der Wirklichkeit entrückt ist“, macht Brüderle seinem Ärger in einer Stellungnahme Luft. „Mit ihrer Tariftreueregelung in der Pflege riskiert sie Existenzen von Unternehmen, stagnierende oder sogar sinkende Löhne und den Verfassungsbruch. Jens Spahn und Hubertus Heil legen mit diesem Gesetz die Axt an die private Pflege in Deutschland.“

Nimmt „jegliche Luft zum Atmen“

Eine starre Tarifbindung von privaten Unternehmen in der Pflege nehme diesen „jegliche Luft zum Atmen“, so der BPA-Chef weiter. „Wenn Personaleinsatz, Preise, Qualität und nun auch noch die Löhne reguliert sind, dann brauchen Unternehmen klare Regelungen zu unternehmerischen Wagnissen“. Ohne diese werde es sich kaum mehr lohnen, Leistungen in der Pflege anzubieten, so Brüderle weiter. „Und diejenigen, die sich weigern, sich in ein starres Tarifkorsett zwingen zu lassen, müssen ohnehin ihre Existenz aufgeben. Hunderttausenden von Pflegebedürftigen droht der Verlust der professionellen Versorgung.“

Ferner seien die Löhne der Pflegefachkräfte innerhalb der vergangenen zehn Jahre bereits um rund 40 Prozent gestiegen, holt Brüderle weiter aus – und damit „beinahe doppelt so stark wie in allen anderen Branchen“. Der Durchschnittslohn für Fachkräfte in Pflegeheimen habe 2021 bei insgesamt 3.350 Euro gelegen.

„Jetzt droht die gesetzliche Regelung mit einem Refinanzierungsdeckel für nicht-tarifgebundene Unternehmen solche Lohnsteigerungen auszubremsen. Übertarifliche Löhne in Ballungsräumen und höhere Löhne über Arbeitsvertragsrichtlinien oder ähnliche Strukturen werden in Zukunft kaum mehr möglich sein. Die Lohneinbußen der betroffenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gehen dann auf die Rechnung dieser Regierung“, so Brüderle weiter.

Verstoß gegen „mehrere Grundrechte“

Zudem wirft der BPA-Präsident den Ministern vor, mit ihrer Tariftreueregelung gleich „mehrere Grundrechte“ zu verletzen: „Eine so einseitige Unterstützung des Staates für Gewerkschaften, denen weitgehend die Mitglieder fehlen, verstößt gegen die Tarifautonomie und die Tariffreiheit.“ Weitere im Grundgesetz garantierte Freiheitsrechte „bis hin zum Demokratieprinzip sind durch diese Gesetzgebung verletzt“, erläutert Brüderle seinen Standpunkt. „Wenn der Gesetzgeber diesen fatalen Irrtum der Bundesregierung nicht korrigiert, dann müssen wir den Rechtsweg einschlagen – im Interesse unserer Mitglieder, von uns betreuten Pflegebedürftigen und unserer Mitarbeiter.“

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Juliana

Juliana Demski

Juliana Demski gehörte dem Pfeffi-Team seit 2016 an. Sie war Redakteurin und Social-Media-Managerin bei Pfefferminzia. Das Unternehmen hat sie im Januar 2024 verlassen.

kommentare
Michael Speiser
Vor 3 Jahren

Zur Wahrheit gehört aber auch, dass es in Deutschland möglich ist, mit der Beteiligung am Pflege-Geschäft erstaunliche Renditen zu erzielen. Wie ist das mit der Situation großer Teile des Pflegepersonals und den immer wieder öffentlich werdenden Zuständen in so manchen Pflegeeinrichtungen zu erklären, Herr Brüderle?

Christian Jansen
Vor 3 Jahren

Meiner Meinung nach sind nicht unbedingt die zu niedrigen Gehälter in der Pflegebranche der Grund für die wenigen Nachkömmlinge im Pflegeberuf, sondern eher die häufig doch sehr knapp bemessene Anzahl an Mitarbeitern bei den Pflegediensten und in den Heimen. Die Menschen die diesen schweren Beruf ausüben haben meinen Respekt! Die meisten Pfleger:innen die ich gesprochen habe, lieben Ihren Beruf und kehren der Branche nur den Rücken, weil Ihre eigene Gesundheit da nicht mehr mitspielt. Aus meiner Sicht arbeiten viele dieser Menschen bis zur totalen Erschöpfung. Ist doch dann klar, dass keiner mehr diesen Job machen möchte. Da kann man die Gehälter bis ins unermessliche anheben. Gesundheit kann man sich davon auch nicht zurückkaufen. Ich persönlich bin kein Freund davon alles zu Regulieren und in Rahmen zu fassen, Unternehmer brauchen auch noch Freiheiten. Allerdings geht es hier um pflegebedürftige Menschen aus Fleisch und Blut die in Heimen teils unter menschenunwürdigen Zuständen “gehalten” werden, da die personelle Unterbesetzung es nicht anders umsetzen lässt. Das muss aufhören! An dieser Stelle sollte man vielleicht einmal mit dem richtigen Ehrgeiz prüfen, was dort so abgeht und entsprechend handeln. Besonders schlimm wird es, wenn Profitgier eine Rolle in der Pflege spielt. Es geht hier um das Wohlergehen und die Würde des Menschen.

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Michael Speiser
Vor 3 Jahren

Zur Wahrheit gehört aber auch, dass es in Deutschland möglich ist, mit der Beteiligung am Pflege-Geschäft erstaunliche Renditen zu erzielen. Wie ist das mit der Situation großer Teile des Pflegepersonals und den immer wieder öffentlich werdenden Zuständen in so manchen Pflegeeinrichtungen zu erklären, Herr Brüderle?

Christian Jansen
Vor 3 Jahren

Meiner Meinung nach sind nicht unbedingt die zu niedrigen Gehälter in der Pflegebranche der Grund für die wenigen Nachkömmlinge im Pflegeberuf, sondern eher die häufig doch sehr knapp bemessene Anzahl an Mitarbeitern bei den Pflegediensten und in den Heimen. Die Menschen die diesen schweren Beruf ausüben haben meinen Respekt! Die meisten Pfleger:innen die ich gesprochen habe, lieben Ihren Beruf und kehren der Branche nur den Rücken, weil Ihre eigene Gesundheit da nicht mehr mitspielt. Aus meiner Sicht arbeiten viele dieser Menschen bis zur totalen Erschöpfung. Ist doch dann klar, dass keiner mehr diesen Job machen möchte. Da kann man die Gehälter bis ins unermessliche anheben. Gesundheit kann man sich davon auch nicht zurückkaufen. Ich persönlich bin kein Freund davon alles zu Regulieren und in Rahmen zu fassen, Unternehmer brauchen auch noch Freiheiten. Allerdings geht es hier um pflegebedürftige Menschen aus Fleisch und Blut die in Heimen teils unter menschenunwürdigen Zuständen “gehalten” werden, da die personelle Unterbesetzung es nicht anders umsetzen lässt. Das muss aufhören! An dieser Stelle sollte man vielleicht einmal mit dem richtigen Ehrgeiz prüfen, was dort so abgeht und entsprechend handeln. Besonders schlimm wird es, wenn Profitgier eine Rolle in der Pflege spielt. Es geht hier um das Wohlergehen und die Würde des Menschen.

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