- Von Achim Nixdorf
- 28.06.2021 um 10:16
Die Angst um Angehörige und die Einsamkeit haben viele Menschen in Deutschland in der Corona-Pandemie zunehmend zermürbt. Das zeigt der aktuelle Gesundheitsreport der Techniker Krankenkasse (TK), für den fast 3.000 Menschen befragt und Gesundheitsdaten der Versicherten ausgewertet wurden.
Demnach fühlten sich 42 Prozent der Deutschen im März dieses Jahres – zur Hochphase des zweiten bundesweiten Lockdowns – stark beziehungsweise sehr stark von der Situation belastet. Vor einem Jahr bei einer ersten Befragung im Mai zu Beginn der Pandemie waren es noch 35 Prozent. Das entspricht einem Anstieg von 20 Prozent.
Corona belastet die Psyche immer stärker
Mehrheit der Singles hat mit der Psyche zu kämpfen
Psychische Belastung von Schülern durch Corona wächst
Fast 90 Prozent gaben der Umfrage zufolge im März an, Treffen mit Verwandten oder Freunden zu vermissen. Angst, dass Angehörige oder Freunde an Covid-19 erkranken, empfanden demnach 60 Prozent. Bei Familien mit Kindern gehörten zudem Kita- und Schulschließungen (59 Prozent) sowie bei den Berufstätigen mehr Stress am Arbeitsplatz (49 Prozent) zu den größten Belastungsfaktoren.
Doppelbelastung: Home-Office und Kinderbetreuung
„Die emotionale Belastung hat sich bei vielen Menschen in diesem Frühjahr im Vergleich zum ersten Lockdown nochmals verstärkt“, sagt Jens Baas, Vorstandsvorsitzender der TK. „Bei den Erwerbstätigen sind es vor allem Eltern im Homeoffice, die durch die Doppelbelastung von Arbeit und Kinderbetreuung vor einer besonders großen Herausforderung standen.“
So fühlte sich mehr als die Hälfte der befragten Erwerbstätigen im Home-Office mit mindestens einem Kind im Haushalt (54 Prozent) im März dieses Jahres von der Corona-Situation stark beziehungsweise sehr stark belastet. Im Mai letzten Jahres waren es noch 45 Prozent. Zum Vergleich: Bei den Berufstätigen im Home-Office ohne Kinder hatte sich der Belastungsgrad nicht verändert (jeweils 31 Prozent).
„Die Batterien sind leer“
„Die Batterien sind leer“, betont der Chemnitzer Arbeitspsychologe Bertolt Meyer, der an der Studie für den Gesundheitsreport mitgearbeitet hat. „Einerseits haben die beruflichen und sozialen Herausforderungen den Stress der Menschen auf Dauer erhöht. Andererseits war es der Bevölkerung durch die Lockdown-Maßnahmen über einen sehr langen Zeitraum nicht möglich, die eigenen Ressourcen wieder aufzufüllen. Dieses Ungleichgewicht führt auf Dauer in die Erschöpfung und in schweren Fällen sogar in den Burnout.”
Krankenstand insgesamt gesunken
Insgesamt betrachtet, liefert der Gesundheitsreport jedoch überraschenderweise keine Hinweise auf eine grundsätzliche Verschlechterung der Gesundheit der Erwerbstätigen durch die Pandemie. Mit einem Krankenstand von 4,14 Prozent lag das Jahr 2020 sogar unter den Werten der Vorjahre von etwas über 4,2 Prozent.
Das sei vor allem auf weniger Krankschreibungen mit Erkältungskrankheiten zurückzuführen, glauben die TK-Experten. Die Abstands- und Hygieneregeln hätten offenbar nicht nur dazu beigetragen, die Verbreitung von Sars-Cov-2 zu reduzieren, sondern auch die vieler anderer Infektionserkrankungen. So seien Im Coronajahr 2020 auch so wenige Antibiotika verschrieben worden wie seit 20 Jahren nicht mehr.
Den größten Anteil am Krankenstand machen mit 19,8 Prozent die Fehltage aufgrund psychischer Erkrankungen aus. Doch diesen Trend beobachte man schon seit Jahren. Ein auffälliger „Corona-Peak“ lasse sich aus den aktuellen Daten jedenfalls nicht ablesen. Auf Platz 2 und 3 folgen Krankheiten des Muskel-Skelett-Systems – vor allem Rückenprobleme (17,9 Prozent) – sowie Krankheiten des Atmungssystems (15,2 Prozent). Covid-19-Diagnosen machen mit 0,39 Prozent nur einen untergeordneten Anteil am Gesamtkrankenstand aus.
Arbeitgeber in der Verantwortung
„Um jenseits politischer Entscheidungen auch künftig für mögliche Ausnahmesituationen gewappnet zu sein, ist es wichtiger denn je, dass jeder Einzelne dauerhaft etwas für sein Wohlbefinden und seine Gesundheit tut“, meint TK-Chef Baas. Aber auch die Unternehmen stünden in der Verantwortung für eine gesunde Arbeitsumgebung zu sorgen, besonders im Homeoffice, das sich zu einer etablierten Arbeitsform entwickelt habe.
„Dabei geht es nicht nur um einen ergonomischen Arbeitsplatz und eine reibungslose IT“, so Baas. „Die viel größere Herausforderung ist es, auch auf die Entfernung eine wertschätzende, vertrauensvolle und transparente Arbeitskultur zur verankern. Das sind entscheidende Faktoren für Motivation, Zufriedenheit und Gesundheit der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.“
Den gesamten Report mit dem Titel „Ein Jahr Coronapandemie: Wie geht es Deutschlands Beschäftigten?“ können Sie hier herunterladen.
0 Kommentare
- anmelden
- registrieren
kommentieren