- Von René Weihrauch
- 30.07.2021 um 12:02
Pfefferminzia: Herr Will, laut PKV-Verband ist die Zahl der Beschäftigten mit einer betrieblichen Krankenversicherung zwischen 2015 und 2020 von 0,57 auf 1,04 Millionen gestiegen. Die Zahl der Unternehmen, die eine bKV anbieten, hat sich mehr als vervierfacht, und liegt jetzt bei 13.500. Was sind aus Ihrer Sicht die Gründe dafür?
Reiner Will: Es stimmt: Die bKV als ein Zweig der privaten Krankenversicherung wächst enorm. Das hat mehrere Gründe. Die erhoffte Wirkung – Mitarbeiterbindung, Verringerung von Ausfallzeiten, um es grob zusammenzufassen – stellt sich in den allermeisten Fällen ein. Über 80 Prozent der Unternehmen, die ihren Beschäftigten eine bKV anbieten, würden dies deshalb wieder tun. Die Zahl der bKV-Befürworter in den Betrieben steigt. Die überwiegende Zahl der Versicherungen ist arbeitgeberfinanziert, was sich ausgesprochen positiv und motivierend auf die Arbeitnehmer auswirkt – und das zu überschaubaren Beiträgen, die im Schnitt bei etwa 20 Euro im Monat liegen. Gleichwohl ist bei rund 45 Millionen Erwerbstätigen in Deutschland noch viel Luft nach oben.
Wie hat sich die bKV in den vergangenen Jahren bezogen auf Angebote und Leistungen denn verändert?
Die Entwicklung geht klar in Richtung Budgettarife, innerhalb derer den Versicherten ein bestimmtes Jahresbudget für Gesundheitsausgaben frei zur Verfügung steht. Diese Tarife sind eindeutig die Treiber im bKV-Geschäft. Das leuchtet auch ein, denn aus Arbeitgebersicht muss eine gute bKV drei Bedingungen erfüllen: Sie muss bei den Beschäftigten ein erlebbares Leistungserlebnis auslösen, flexibel nutzbar und einfach in der Handhabung sein. Budgettarife erfüllen diese Anforderungen besser als herkömmliche Modultarife. Eine weitere Veränderung betrifft die Digitalisierung: Telemedizin, Gesundheits-Apps, digitale Facharztvermittlung – der gesamte E-Health-Bereich ist in den vergangenen Jahren dazugekommen.
Was muss eine gute bKV heute im Einzelnen leisten?
Ambulante und stationäre Leistungen gehören dazu, ebenso machen Zahnbehandlungen und Vorsorgeuntersuchungen Sinn und finden sich entsprechend in neueren Tarifen. Dann sollte die Aufnahme von Familienmitgliedern zu vereinfachten Bedingungen enthalten sein und die Übernahme der Kosten für laufende Behandlungen insbesondere im Zahnbereich. Ein zunehmend wichtiger Bereich betrifft Pflegezusatzleistungen, die Arbeitnehmer mit pflegebedürftigen Angehörigen entlasten. Diese Beschäftigten könnten ansonsten vielleicht nur noch in Teilzeit beziehungsweise gar nicht mehr arbeiten, weil sie ihr Familienmitglied pflegen wollen oder müssen. Eine entsprechende Pflegezusatzversicherung verhindert das. Davon hat der Arbeitnehmer einen echten Vorteil, und auch der Arbeitgeber profitiert, weil wichtige Fachkräfte dann nicht ausfallen.
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Seit 2020 gelten Beiträge zur bKV wieder als Sachlohn und sind somit für Arbeitnehmer steuerfrei. Ein richtiger Schritt?
Auf jeden Fall. Und ein starkes Vertriebsargument für die betriebliche Krankenversicherung. Beschäftigte müssen die Zuwendung des Arbeitgebers nicht versteuern – jedenfalls sofern sie in Form einer Versicherung erfolgt und nicht als Barbeitrag zu einer individuell abgeschlossenen Police des Arbeitnehmers gezahlt wird. Der Arbeitgeber wiederum kann die Beiträge als Betriebsausgaben steuerlich geltend machen. Seitdem diese Regelung wieder gilt, hat der Vertrieb spürbar angezogen.
Welche Herausforderungen kommen auf die betriebliche Krankenversicherung in Zukunft zu?
Es bestehen noch viele Möglichkeiten an Zusatzleistungen. Die Produktgestaltung muss weiter gehen. Dabei spielt auch das gestiegene Gesundheitsbewusstsein der Menschen im Zuge von Corona eine Rolle. Viele erleben gerade in ihrem engsten Umfeld oder am eigenen Leib, wie wichtig das Thema Gesundheit ist. Prävention wird wichtiger. Arbeitgeber, die sich darauf einstellen und eine bKV anbieten, können bei der Fachkräftegewinnung ordentlich punkten. Versicherer müssen sich aber auch darauf vorbereiten, dass mit der zunehmenden Verbreitung der bKV das Absatzpotenzial in der Einzelversicherung möglicherweise sinkt. Vielleicht noch nicht morgen oder übermorgen, aber in absehbarer Zukunft.
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