- Von Lorenz Klein
- 02.08.2021 um 07:47
Bis Freitag, den 30. Juli, hat die Gothaer laut einer Sprecherin fast 10 Millionen Euro an Soforthilfen ausgezahlt, um den Versicherten in den Gebieten der Flutkatastrophe schnell und unbürokratisch zu helfen. Zwei Tage zuvor sprach Pfefferminzia mit Gothaer-Vertriebsvorstand Oliver Brüß über das Ausmaß der Zerstörungen durch das Tief „Bernd“, von dem er sich, unter anderem in Ahrweiler, ein eigenes Bild machte.
Das gesamte Gespräch können Sie in der aktuellen Ausgabe des Pfefferminzia-Podcasts „Die Woche“ nachhören. Den Beginn des Interviews können Sie hier im verschriftlichten Wortlaut nachlesen:
Pfefferminzia: Herr Brüß, Sie waren in den vergangenen Tagen viel unterwegs in jenen Regionen, in denen die Menschen infolge der Flutkatastrophe ihr Hab und Gut verloren – und nicht selten sogar ihr Leben. „Ein unfassbarer Tag geht für mich zu Ende“, lautet der erste Satz in einem Nachbericht, den Sie vor gut einer Woche in den sozialen Medien teilten, als sie von ihrem Besuch in Ahrweiler zurückkehrten. „Was ich heute gesehen und gehört habe, hat mich schockiert und sprachlos gemacht“, schrieben sie darin. Können Sie unseren Hörerinnen und Hörern einmal Ihre ganz persönlichen Eindrücke schildern, die Sie von dort und auch von anderen Orten mitgenommen haben?
Oliver Brüß: Das, was ich da gesagt habe, gilt für mich eigentlich immer noch. Diese Sprachlosigkeit ist für mich ein Thema, das anhält, wenn man das live und in Farbe gesehen hat. Ich war tatsächlich in der vorletzten Woche im Urlaub, als mich die Nachricht erreicht hat, dass dieses Starkregenwetter bei uns eingeschlagen ist. Und wenn man sowas erstmal hört, ist das ja relativ weit weg: Man sieht die Bilder im Fernsehen, in der Zeitung – ich habe dann meinen Urlaub abgebrochen. Wir haben sofort quasi – das war Donnerstag, als ich es erfahren habe – eine Task Force aufgesetzt und ich bin dann an dem Montag persönlich in das Gebiet gefahren, weil wir natürlich auch in dieser Region Vermittler haben, Agenturen, den Exklusiv-Vertrieb – also unsere Ausschließlichkeit –, aber natürlich auch viele Makler und ganz viele Kunden.
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Und was ich dort gesehen habe wirklich, war nochmal wesentlich schlimmer als das, was man schnell im Fernsehen wahrnehmen konnte. Aber wenn man dieses Leid vor Ort sieht, und natürlich auch hört, kann man das eigentlich kaum in Worte fassen. Diese Unfassbarkeit macht sich dann insbesondere richtig bemerkbar, wenn man hört, oder von Menschen erfährt, dass sie ihr Haus verloren haben, ihr Hab und Gut. Der Haushalt ist weg, das Auto ist weg. Die Firma, in der sie gearbeitet haben, in Teilen aber auch. Denn viele leben und arbeiten natürlich in der Region. Es gab auch einige Schicksale, die mich betroffen gemacht haben, wo Familienangehörige, Freunde und Bekannte ihr Leben verloren haben. Das schockiert einen schon massiv – und wie gesagt, das hält auch weiterhin an. Diese Bilder kriegt man so schnell nicht aus dem Kopf.
Sie als Gothaer haben einen 500.000 Euro dotierten Hilfsfonds aufgelegt zunächst, der soziale Härten ausgleichen soll. Gleichzeitig wurden für die Vertriebspartner vor Ort die bestehenden Regulierungsvollmachten erhöht, damit sie ihren Kunden schnell und unbürokratisch helfen können. Mit welchen Schwierigkeiten in der Schadenregulierung haben sie zu kämpfen derzeit und mit welchen Schadensummen rechnen sie zum jetzigen Stand?
Dieser Hilfsfonds ist natürlich erstmal nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Am Anfang kam es natürlich auf ganz andere Dinge an – und das war mir dann auch sehr wichtig, nach den ersten Eindrücken: Einfach schnell und unbürokratisch vor Ort zu sein und unseren Kunden, die wirklich versichert sind, auch schnell zu helfen. Denn man muss sich wirklich bewusst machen: Da gibt es viele Menschen, die hatten noch die Kleidung am Körper – und mehr nicht. Da ist natürlich Soforthilfe erstmal gefragt. Und das ist natürlich die große Herausforderung, in einer solchen Betroffenheit, mit der Vielzahl der Schäden, das entsprechend auch in den Griff zu kriegen. Wir sprechen heute aktuell (Mittwoch, 28. Juli, Anm. d. Redaktion) über circa 5.700 gemeldete Schäden. Wir glauben aber, dass das mehr oder weniger die halbe Wahrheit ist: Wir gehen davon aus, dass es eher in Richtung 10 bis 11.000 Schäden gehen wird.
Die ganz großen Katastrophen haben wir mittlerweile gemeldet bekommen. Und wir sind natürlich jetzt – und das ist die große Herausforderung – erstmal dabei, soweit es geht, Regulierungskapazitäten, Sachverständige, Spezialisten – zum Beispiel Chemiker – an die betroffenen Ortschaften zu ziehen, einfach um sehr, sehr schnell diese Schäden zu begutachten. Und Begutachten ist ein ganz wichtiges, großes Thema. Hier reicht aber nicht aus, Regulierungsvollmachten zu erhöhen – weil viele Firmen und private Haushalte sind total zerstört. Das sind Großschäden, das sind Totalschäden. Und dann ist natürlich wichtig, dass dort die Regulierer hinkommen, und dass die Sachverständigen, die Ingenieure da sind. Dass Chemiker da sind, dass Statiker da sind. Und das zu organisieren, ist natürlich eine riesige Herausforderung. Wir haben das für unsere eigenen Leute so gelöst, dass wir bundesweit Regulierer zusammengezogen haben. Die wohnen natürlich im Moment auch Nahe der betroffenen Gebiete, um wirklich tagtäglich bis zur Erschöpfung auch Schäden aufzunehmen und den Menschen Orientierung zu geben.
Aber es geht natürlich im zweiten Schritt auch darum, sehr schnell Technik bereitzustellen. Denn der Regulierer sagt natürlich jetzt erstmal, was zu tun ist. Und an vielen Stellen – ich war an Regulierungsgesprächen beteiligt – wenn es dann vielleicht noch nicht der Abriss ist von ganz stark beschädigten Gebäuden, ist es an vielen Stellen das Herstellen des Rohbauzustandes. Und das heißt natürlich – auf Deutsch gesagt – „Alles muss raus“: Putz muss raus, Belege müssen raus. Dafür brauchen sie Handwerker und erst dann macht es natürlich auch Sinn, mit Baugerät mit Bautrocknern et cetera reinzugehen und da weiterzuarbeiten. Und das alles muss organisiert werden, das muss sehr konzentriert und schnell organisiert werden. Denn das habe ich auch nach meinem Besuch festgestellt: Die Geschwindigkeit, mit der dieser Dreck – und das ist ja nicht nur Schlamm oder Matsch, der da drin ist, das sind ja Gemische, das will man sich gar nicht vorstellen, was da alles drinsteckt – das schnell aus den Häusern rauszukriegen, damit es eben nicht noch mehr schwerwiegendere Folgen für das Gebäude hat. Das muss alles schnell organisiert werden. Und das zu organisieren, das ist die große Herausforderung.
Wir haben bisher circa die Hälfte der gemeldeten Schäden begutachtet. Unser Ziel ist es, Ende der Woche wirklich alle großen Schäden vor Ort gesichtet haben und insofern die Kundinnen und Kunden wissen, was zu tun ist. Das ist dann der nächste Schritt, eben genau das zu organisieren.
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