- Von Lorenz Klein
- 01.11.2021 um 14:28
Der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) hat sich immer gegen eine Pflichtversicherung gegen Hochwasserschäden gestellt – und hat nun seine eigenen Ideen präsentiert, wie Wohngebäude in Zukunft besser gegen Wetterextreme abgesichert werden können.
Künftig soll es nach dem Willen der Versicherungswirtschaft nur noch Wohngebäudeversicherungen geben, die auch sogenannte Elementargefahren wie Hochwasser und Starkregen abdecken – sowohl im Rahmen des Neugeschäfts als auch bei bestehenden Verträgen. Das geht aus einem Positionspapier hervor, das der GDV am Freitag veröffentlicht hatte (Download im PDF-Format hier) und über das der „Spiegel“ zuerst berichtete. Darin fordert die Versicherungswirtschaft außerdem „ein nachhaltiges Umsteuern der öffentlichen Hand, etwa durch klare Bauverbote in hochwassergefährdeten Gebieten“.
Droht Maklern nach der Flutkatastrophe die Haftungswelle?
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„Das schockiert einen schon massiv“
Das vierseitige Positionspapier des GDV ist gespickt mit Vorschlägen „zur Zukunft der Versicherung gegen Naturgefahrenereignisse in Deutschland“, so der Titel des Dokuments. Dabei stehe die Absicherung aller privaten Wohngebäude gegen Extremwetterrisiken im Mittelpunkt des Konzepts, wie der GDV mitteilte, denn bislang seien bundesweit weniger als 50 Prozent aller Gebäude gezielt gegen sogenannte Elementargefahren wie Hochwasser und Starkregen versichert.
„Ohne eine konsequente Klimafolgenanpassung wird unsere Gesellschaft gezwungen sein, die schlimmen Auswirkungen verheerender Unwetterereignisse immer wieder zu durchleben. Das kann nicht unser Ziel sein“, kommentierte GDV-Hauptgeschäftsführer Jörg Asmussen den Branchenvorstoß, der gut drei Monate nach der Flutkatastrophe im Westen Deutschlands der Öffentlichkeit präsentiert wurde.
Versicherungsbeiträge dürften regional kräftig steigen
Die Vorschläge hätten vor allem für den Versicherungsschutz der laut GDV rund 17 Millionen privaten Hauseigentümer weit reichende Folgen. Denn nach dem Willen des Verbandes sollen nicht nur alle Neuverträge, sondern auch alle bestehenden Verträge in der privaten Wohngebäudeversicherung um den Elementarschutz-Baustein ergänzt werden – was regional zu teils deutlich steigenden Prämien führen dürfte. Der Grund: Die Prämienhöhe soll sich sowohl beim Neuabschluss als auch bei der Umstellung bestehender Verträge, „wie bisher nach der konkreten Gefährdung des Gebäudes durch Naturgefahren richten“, wie es im Papier heißt. Kurzum: Wer in unwetterträchtigen Gebieten wohnt, muss mehr zahlen als Eigenheimbesitzer in ruhigeren Zonen.
Für Härtefälle solle es individuelle Lösungen geben, so das Ziel, „zum Beispiel mit Hilfe höherer Selbstbeteiligungen“. Man werde mit der neuen Bundesregierung „alle Optionen prüfen und Wege diskutieren, wie in anderen Härtefällen sozialverträgliche Konditionen für private Hauseigentümer hergestellt werden können“, so Asmussen weiter. Zugleich betont der GDV, dass eine gesetzliche Regelung notwendig sei, um die Veränderungen im Neugeschäft und im Bestand überhaupt durchsetzen zu können.
Opt-Out-Regel soll auch Vermittler entlasten
Und ganz wichtig: Versicherungskunden, die partout keinen Elementarschutz wollen, müssen den Baustein auch künftig nicht abschließen – allerdings müssten sie dafür nach Willen der Versicherer selbst aktiv werden und sich für eine entsprechende „Opt-Out-Regelung“ entscheiden. Das Opt-Out solle demnach wie eine „schriftliche Haftungsfreistellung für Kommunen, Länder und den Bund sowie Versicherer und Vermittler“ wirken. „In dieser Haftungsfreistellung verzichtet der Hauseigentümer auf Hilfen im Elementarschadenfall. Klagerisiken, wie sie einer Pflichtlösung innewohnen, entfallen damit“, heißt es dazu weiter im Papier. Man verbinde mit diesem bewussten Handeln des Kunden die Erwartung, so der Verband, „dass Eigenheimbesitzer – wenn überhaupt – künftig nur noch in Ausnahmefällen den Elementarschutz abwählen“.
Dass es GDV-Hauptgeschäftsführer Asmussen mit den Plänen ernst ist, wird daran deutlich, dass er anstelle von „Elementarschäden“ von „Klimaschäden“ spricht: „Wir können es nicht hinnehmen, dass jedem zweiten Haus der Versicherungsschutz gegen Klimaschäden fehlt. Daher sieht unser Gesamtkonzept nicht zuletzt die risikogerechte Absicherung aller Neu- und Bestandsbauten in der privaten Wohngebäudeversicherung vor“, so Asmussen.
Was hätte der Makler davon? Pfefferminzia bat AfW um Stellungnahme
Doch wie kommt das Positionspapier der Versicherer in der Vermittlerschaft an? Beim AfW – Bundesverband Finanzdienstleistung in Berlin, den Pfefferminzia am Montag um eine Stellungnahme bat, stoßen die Pläne auf Zustimmung: „Das ist mit den Erfahrungen der letzten Monate und Jahre – und mit realistischem Blick in die Zukunft – ein richtiges und nachvollziehbares Konzept des GDV“, lobt Norman Wirth, geschäftsführender Vorstand des AfW, das GDV-Papier, für das der Vermittlerverband im Vorfeld nicht zu Rate gezogen wurde.
Mit der „Opt-Out-Regelung“ sei auch gewährleistet, so Wirth, dass jeder Eigenheimbesitzer sich im Antragsprozess „nochmals ernsthaft Gedanken macht, ob er auf diesen wichtigen Schutz wirklich verzichten will – es dann aber auch kann“.
Zur Frage von Pfefferminzia, ob mit dem vorgeschlagenen Opt-Out-Modell eine potenzielle Haftungsfalle von Versicherungsmaklerinnen und -maklern geschlossen würde, reagierte der AfW-Vorstand zurückhaltend. Er würde das „nicht vorrangig ansehen“. Wirth weiter: „Es ist eine – ich nenne es einmal – Basispflicht, bei Abschluss einer Wohngebäudeversicherung auf den Elementarschutz mit hinzuweisen und das eventuelle Nein des Kunden auch entsprechend zu dokumentieren. Eine große Haftungsgefahr habe ich da in der Vergangenheit nicht gesehen.“
Kein Versicherungsschutz für Neubauten in Überschwemmungsgebieten
Der GDV pocht in seinem Papier außerdem darauf, dass Neubauten in amtlich ausgewiesenen Überschwemmungsgebieten „ab einem bestimmten Stichtag künftig keinen Versicherungsschutz für die Risiken Rückstau, Überschwemmung und Starkregen mehr erhalten“. Das sei auch ein wichtiges Signal in Richtung Politik, keine Neubauten mehr in stark gefährdeten Gebieten zu genehmigen, so Asmussen.
Weiterer wesentlicher Bestandteil des Positionspapiers seien daher klare Forderungen an Bund, Länder und Kommunen zur Klimafolgenanpassung. „Es ist an der Zeit, das Thema Klimawandel jenseits der Pflichtversicherungsdebatte im Sinne eines wirksamen Gesamtkonzeptes neu zu denken“, fasste Asmussen das Positionspapier der Versicherer zusammen. Nötig seien gesetzliche Änderungen und mehr Prävention.
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