- Von Redaktion
- 13.01.2022 um 13:20
Das Landgericht (LG) Meiningen hatte darüber zu befinden, ob einem Versicherungsnehmer Schmerzensgeld zusteht, sofern die Weitergabe von gesundheitsrelevanten Daten durch den Versicherer unberechtigt erfolgt ist (LG Meiningen, Urteil vom 23. Dezember 2020, Aktenzeichen: 3 O 363/20).
Was war geschehen?
Der Kläger unterhält bei dem beklagten Versicherer eine Unfallversicherung. Am 3. Mai 2014 hatte der Kläger als Motorradfahrer einen Verkehrsunfall erlitten. Ein Arzt erstellte ein Gesundheitsgutachten des Geschädigten. Es kommt zum Prozess gegen den Unfallversicherer.
Zugleich führt der Geschädigte einen Haftpflichtprozess gegen den vermeintlichen Unfallverursacher, um weitere Leistungen zu beanspruchen. Die Anwältin, die im Haftpflichtprozess den Versicherer vertritt, wandte sich telefonisch an die beklagte Unfallversicherung aus dem ersten Verfahren. Ein Mitarbeiter der Versicherung erklärte, dass das vorliegenden Gesundheitsgutachten auch im Haftpflichtprozess verwertet werden könne. Ein Einverständnis des Klägers hierzu lag nicht vor.
Der Kläger macht geltend, dass die beklagte Unfallversicherung, mit der von ihm nicht autorisierten Weitergabe des Gutachtens, schwerwiegend gegen vertragliche Rücksichtnahmepflichten verstoßen hatte. Insbesondere seien seine Gesundheitsdaten besonders zu schützen. Das Landgericht Meiningen gab dem Kläger teilweise Recht und erkannte einen Schmerzensgeldanspruch an.
Das Urteil
Im Rahmen von Vertragsverhältnissen, die auf Dauer angelegt sind, sind die Vertragsparteien gegenseitig zur Rücksichtnahme verpflichtet. Aus Paragraf 241 Absatz 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) ergibt sich eine Vertraulichkeitspflicht – hieraus erwächst die Pflicht zur Verschwiegenheit. Das gilt insbesondere dann, wenn es sich um sensible Daten handelt. Gesundheitsdaten, die in einem Versicherungsverhältnis erlangt worden sind, wie es sich aus Paragraf 213 Versicherungsvertragsgesetz (VVG) ergibt, besonders schützenswert. Zudem sind besonders persönlich und sensible Daten immer auch dem Kernbereich des allgemeinen Persönlichkeitsrechts (Artikel 2 Absatz 1, Artikel 1 Absatz 1 Grundgesetz (GG)) zuzurechnen, so dass der Einzelne grundrechtlich geschützt über die Verwertung seiner persönlichen Daten selbst bestimmen kann. Der Kläger hatte vorliegend nicht in die Verwertung seiner Gesundheitsdaten eingewilligt.
Die beklagte Versicherung kann sich auch nicht auf Artikel 6 Absatz 1 f) Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) berufen, wonach eine Verarbeitung der Daten rechtmäßig wäre, sofern die Verarbeitung zur Wahrung von berechtigten Interessen eines Dritten erforderlich ist. Das LG Meinigen prüfte, ob das Interesse des Haftpflichtversicherers, den Prozess mit den nicht einvernehmlich erlangten Daten führen zu können, schützenswert genug ist, um dem grundrechtlichen Datenverwertungsrecht des Klägers übergeordnet werden zu können. Hiergegen stellte sich das LG Meinigen und bewertete das Interesse des Klägers als höher, da nicht abzusehen war, ob ihm durch die Weitergabe prozessuale Nachteile entstehen könnten. Eine schwerwiegende Verletzung der Rücksichtnahmepflicht lag somit vor, so dass dem Kläger ein Schmerzensgeldausgleich zuzusprechen war.
Fazit und Hinweis für die Praxis
Die Versicherer erheben und verwerten mitunter höchstpersönliche Daten des Versicherungsnehmers. Diese Daten müssen stets unter Rücksicht auf die Interessen des Versicherungsnehmers behandelt werden. Werden höchstpersönliche – insbesondere Gesundheitsdaten – weitergegeben, so stellt dies eine schwerwiegende ausgleichsfähige Pflichtverletzung dar.
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Über den Autor
Rechtsanwalt Björn Jöhnke ist Fachanwalt für Versicherungsrecht, für Gewerblichen Rechtsschutz sowie Informationstechnologierecht bei der Hamburger Kanzlei Jöhnke & Reichow Rechtsanwälte in Partnerschaft.
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