- Von Lorenz Klein
- 25.02.2022 um 16:28
Atomkraft und Gas als „grün“ zu befürworten, stößt in der deutschen Versicherungswirtschaft auf breite Ablehnung. 78 Prozent der Versicherer stufen derartige Energiequellen als nicht-taxonomiekonform ein. Die Hälfte der Befragten lehnt die Einstufung sogar strikt ab („nein, auf keinen Fall“).
Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie des German Sustainability Network (GSN) in Zusammenarbeit mit V.E.R.S. Leipzig, die den Titel hat: „Status quo: Nachhaltigkeit in der Versicherungsbranche“ und an der nach eigenen Angaben insgesamt 32 Versicherungsunternehmen teilgenommen hatten.
„Wir arbeiten gerade die Taxonomie in die Anlagerichtlinien ein“
„Das macht einen fossilen Energieträger nicht grün“
„Taxonomie ist nur ein Teil der Lösung“
Wenn es darum geht, das Thema Nachhaltigkeit in den verschiedenen Unternehmensbereichen zu verankern, haben die Versicherer am stärksten im Bereich der Kapitalanlage zu tun: Knapp 80 Prozent sehen hier einen großen Handlungsbedarf. Es folgen die Bereiche Produktentwicklung, Vertrieb und Risikomanagement, bei denen von mindestens 60 Prozent der Befragten ein hoher Handlungsbedarf gesehen wird. Der im Schnitt geringste Handlungsbedarf wird den Funktionsbereichen Human Resources und Compliance zugeordnet.
So weit sind die Versicherer mit der Transformation
Bei der Frage, wie zügig sich die Gesellschaften nachhaltig aufstellen, wird deutlich, dass die Branche hier nicht einheitlich tickt. So werde der Transformationsfortschritt sehr unterschiedlich eingeschätzt, heißt es seitens der Studienautoren. Demnach gab die Mehrheit der Unternehmen an, die ganzheitliche Transformation noch zu weniger als der Hälfte abgeschlossen zu haben. Demgegenüber seien 20 Prozent der Meinung, Nachhaltigkeit bereits zu 61 bis 70 Prozent umgesetzt zu haben.
Auch personell hakt es vielerorts an einer vollumfänglichen nachhaltigen Neuausrichtung Es falle auf, so die Autoren, dass in vier der befragten Unternehmen keine einzige Person mit dem Thema Nachhaltigkeit ausschließlich als betraut sei. Der Durchschnitt über alle befragten Unternehmen liegt bei 3,2 Personen, die sich ausschließlich oder im Schwerpunkt mit dem Thema Nachhaltigkeit beschäftigen. Immerhin gab aber über die Hälfte der Befragten an (62 Prozent), die personellen Ressourcen ausbauen zu wollen. Bei einem Viertel der Unternehmen sei dies jedoch nicht vorgesehen, berichten die Autoren.
Geschäftserfolg mit Nachhaltigkeit? Ja, aber es dauert wohl noch
Inwieweit sich mit Nachhaltigkeit bares Geld verdienen lässt – auch da ist das Stimmungsbild gemischt. „Während rund ein Drittel der Unternehmen einen relevanten Erfolgsbeitrag sieht, schätzen etwa 20 Prozent der Unternehmen diesen als gering oder sehr gering ein“, heißt es aus Leipzig. 97 Prozent der Befragten erwarten allerdings, dass der Erfolgsbeitrag in den nächsten fünf Jahren zunehmen wird.
Als anspruchsvoll erweist sich zudem die ESG-Regulatorik für die Versicherer. Mehr als die Hälfte der Unternehmen schätzt die Anforderungen als zu hoch ein; nur einer der Befragten als eher zu wenig. Ähnlich sehen die Einschätzungen zur Ausgestaltung der Regulatorik aus, die die Mehrzahl der Unternehmen laut der Studie „als nur bedingt praxistauglich ansehen“. Unterstützt würden diese Aussagen durch die Wünsche der Versicherer an die Politik: „Sie bemängeln vielfach klare und konsistente Vorgaben, die sich an den Gegebenheiten der Praxis orientieren. Gleichzeitig sind sich viele der Befragten einig, dass die regulatorischen Vorgaben mit dem entsprechenden zeitlichen Vorlauf erfolgen sollen, wodurch wiederum die Qualität gesteigert werden könnte“, geben die Studienautoren abschließend zu bedenken.
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