Andreas Harms, Redakteur bei Pfefferminzia © Pfefferminzia
  • Von Andreas Harms
  • 14.04.2022 um 18:09
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Hatte wirklich jemand geglaubt, die EZB würde heute irgendwas unternehmen, um die Inflation zu dämpfen? Nicht wirklich, oder? Stattdessen hat sie nur wieder bestätigt, was ihr jetzt wichtig ist. Und was nicht.

Sparer, Vorsorger und Geldausgeber müssen jetzt ganz stark sein: Die Europäische Zentralbank (EZB) lässt den Leitzins unverändert und kauft noch immer Anleihen. Das kam heute auf ihrer Sitzung heraus. Nur mal zur Erinnerung: Sie macht das bei einer Inflationsrate von 7,5 Prozent in der Eurozone. Derart stark steigende Preise gab es zuletzt vor über 40 Jahren. Zumindest in Deutschland.

Damit hat sie einmal mehr bestätigt, was ihr Ziel ist. Oder vielmehr, was nicht ihr Ziel ist. Sie sieht es ganz offensichtlich nicht mehr als ihre Aufgabe an, Preise stabil zu halten, die Kaufkraft des Euro zu bewahren. Die klassische sogenannte Wertaufbewahrungsfunktion einer Währung – für die EZB ist sie wohl kein Thema. Dass Sparer damit Geld verlieren, dass Altersvorsorge damit ein wirklich schwieriges Unterfangen geworden ist, dass Geringverdienern einkaufen regelrecht weh tut – für die Hüter der Währung Euro scheint das nicht interessant zu sein. Das ist finanzielle Repression in Reinkultur.

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Aber sie kommt mit Ansage. Jahrelang hat die EZB durch niedrige Zinsen und künstlich gedrückte Anleiherenditen dafür gesorgt, dass sich Staaten ungestört verschulden konnten. Das Resultat: In diesem Jahr steht Italien mit voraussichtlich 150 Prozent seiner jährlichen Wirtschaftsleistung in der Kreide. Bei Spanien sind es 116 Prozent, bei Portugal 126 Prozent, bei Frankreich 113 Prozent und Griechenland 199 Prozent (Quelle: IWF). Wenn die EZB in so einer Lage abrupt und ohne Vorwarnung aufhört, Anleihen zu kaufen und gar den Leitzins erhöht, riskiert sie ein Blutbad an den Anleihemärkten – mit Staatspleiten als großem Showdown. Da muss sie schon behutsam vorgehen. Oder anders ausgedrückt: Sie kann nicht mehr schnell und flexibel handeln, sonst fliegt ihr der ganze Mist um die Ohren.

46 Milliarden Euro Zinsaufschlag

Es wird jetzt schon interessant, wie Italien künftig mit den gestiegenen Renditen klarkommen will. Vor einem halben Jahr rentierte die zehnjährige Anleihe noch bei 0,83 Prozent, heute sind es 2,46 Prozent (Stand: 14. April 2022). Angesichts eines Schuldenstands von 2.830 Milliarden Euro macht das einen Zinsaufschlag von 46 Milliarden Euro im Jahr. Zum Glück greift das erst, wenn Anleihen fällig werden und das Land neue ausgeben muss. Deshalb merkt man das nicht gleich, aber zumindest ein Schuldenschreck wird kommen.

Stattdessen ist die Inflation auf den ersten Blick das Beste, was der EZB jetzt passieren kann. Denn sie lässt die nominale Wirtschaftskraft der Länder steigen – schließlich wird das Bruttoinlandsprodukt (BIP) in Euro gemessen. Wenn die Schulden im Vergleich dazu nominal halbwegs konstant bleiben, sinken sie relativ zum BIP. Ein simpler Dreisatz, der hilft, dass sich die Euroländer auf Kosten ihrer Einwohner entschulden.

Nicht die Inflation, die sie wollte

Ich schreibe „auf den ersten Blick“, weil die Lage der EZB in Wirklichkeit schwierig ist. Denn die Inflation kommt nicht wie – jahrelang heiß ersehnt – aus einem Wirtschaftsaufschwung mit daraus folgendem Wohlstandsgewinn. Stattdessen fliegen uns Rohstoffpreise um die Ohren, weil ein … sagen wir mal … Herrscher einen Krieg vom Zaun bricht und deshalb plötzlich Güter knapp werden. Vor allem Energie. Eskalierende Inflation, gepaart mit einer Wirtschaftskrise dürfte nicht so das sein, wo von man in Frankfurt jahrelang geträumt hat. Ich verkneife mir mal das böse Wort Stagflation – aber danach sieht es nun mal aus, wenn es so weitergeht. Nein, die EZB ist nicht zu beneiden.

Für Sparer, Vorsorger und Geldausgeber – falls es noch nicht bewusst geworden ist – heißt das: Die EZB muss weiter auf Zeit spielen und dabei Beruhigungspillen verteilen, um damit die Länder finanziell im Spiel zu halten. Wie viel wir uns morgen von unseren Euros noch kaufen können, spielt dabei nur die Nebenrolle. Das Mandat, für stabile Preise zu sorgen, steht auf der Agenda … ähem … etwas weiter unten.

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Andreas Harms

Andreas Harms schreibt seit 2005 als Journalist über Themen aus der Finanzwelt. Seit Januar 2022 ist er Redakteur bei der Pfefferminzia Medien GmbH.

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