- Von Lorenz Klein
- 02.05.2022 um 12:13
Die Deutsche Aktuarvereinigung (DAV) hat am Freitag auf ihrer Jahrestagung in Bonn ihren Ruf nach einem „Kulturwandel“ in der betrieblichen Altersversorgung (bAV) erneuert und einen größeren Gestaltungsspielraum in der Kapitalanlage gefordert.
„Die altbekannte versicherungsförmige Nominalgarantie kann bei insgesamt negativer Realverzinsung die Wertstabilität der eingezahlten Beiträge nicht mehr gewährleisten“, begründete der Aktuar Friedemann Lucius sein Eintreten für eine Reform der bAV. Denn das Problem sei, dass sich bAV-Zusagen, die als Versorgungsleistung feststehende Nominalbeträge vorsehen, aktuell in einem „Zangengriff“ befänden: „Die Niedrigzinsen treiben die Kosten für die Finanzierung nach oben, während die Inflation die Leistung aufzehrt“, warnte der Vorstandsvorsitzende des Instituts der Versicherungsmathematischen Sachverständigen für Altersversorgung (IVS), einem Zweigverein der DAV.
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Sofern die bAV also auch künftig „einen nennenswerten Anteil zur Lebensstandardsicherung im Alter beitragen soll, müssen nach Überzeugung des IVS die Kräfte des Kapitalmarktes besser genutzt werden“, forderte Lucius, um so ein „Entkommen aus der Zins- und Inflationsfalle“ zu ermöglichen. Dafür müssten die Beiträge renditeorientiert vor allem in Sachwerte angelegt und die Leistungen entsprechend der Wertentwicklung dynamisiert werden, wie Lucius ausführte – was derzeit am besten in der Gestaltungsform der beitragsorientierten Leistungszusage (BoLZ) gelänge.
Zum Verständnis: Anders als bei der Beitragszusage mit Mindestleistung (BZML) sieht die BoLZ keinen Erhalt der eingezahlten Beiträge vor. Es wird lediglich gefordert, dass die zugesagten Beiträge in eine festgelegte garantierte (Mindest-)Leistung umgewandelt werden – was durchaus weniger als der Beitragserhalt sein kann, zum Beispiel nur 70 oder 80 Prozent. „Je niedriger die garantierte (Mindest-)Leistung ausfällt, desto mehr Mittel können mit einer entsprechend höheren Renditeerwartung angelegt werden und desto höher sind potenziell die über die Garantieleistung hinausgehenden Leistungen – bei gleichzeitig steigenden Schwankungsrisiken“, erläuterte Friedemann Lucius die Vorteile eines Aufweichens des Beitragserhalts.
Bislang fehlt es laut IVS allerdings an objektiven Kriterien, wie eine Untergrenze für die garantierte (Mindest-)Leistung aktuariell begründet werden könnten. Das sei aber aus arbeitsrechtlicher Sicht nötig, um Rechtssicherheit zu schaffen. Sinnvoll wäre aus Sicht des IVS-Vorsitzenden, „wenn der Gesetzgeber den Betriebspartnern die Möglichkeit eröffnet, sich eigenständig auf eine Untergrenze verständigen zu dürfen“.
„Wir setzen uns für eine Lockerung des regulatorischen Korsetts ein“
Zugleich wünschen sich die Aktuare auch für bestehende Zusagen mehr Gestaltungsspielraum in der Kapitalanlage. Durch die derzeitigen Rechtsvorschriften seien speziell den Pensionskassen die Hände gebunden, in renditereichere Anlagen zu investieren – und die Kritik-Liste der Aktuare geht noch weiter: „Unterdeckungen aufgrund von Kapitalmarktschwankungen werden selbst bei einem Anlagehorizont von mehreren Jahrzehnten nicht akzeptiert“, prangert Friedemann Lucius die aus seiner Sicht zu strenge Auslegung des Gesetzgebers an.
Zudem stört den Experten die Haltung der Finanzaufsicht Bafin, wonach die vorhandenen Eigenmittel bis zur Mindesthöhe der aufsichtsrechtlichen Eigenkapitalanforderungen nicht als Risikopuffer für Kapitalmarktschwankungen verwendet werden dürfen – sondern lediglich für „unvorhersehbare, dauerhaft ungünstige Entwicklungen“ herhalten dürften. Hier sei aus aktuarieller Sicht „eine großzügigere Auslegung erlaubt“, findet der Versicherungsmathematiker. Das Resümee des IVS-Vorsitzenden: „Wir setzen uns für eine Lockerung des regulatorischen Korsetts ein, damit Pensionskassen mehr Risiken in der Kapitalanlage eingehen und die Kraft der Kapitalmärkte besser für die Finanzierung der zugesagten Leistungen nutzen können.“
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