- Von Karen Schmidt
- 04.05.2022 um 16:01
Es ist ein Urteil mit ordentlich Strahlkraft für den Versicherungsvertrieb – die Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 13. November 2014 (Aktenzeichen III ZR 544/13). Was ist geschehen? Vertreter der Versicherung A überprüfen Anfang 2011 den bestehenden Versicherungsschutz ihrer Kunden. Diese kündigen daraufhin ihre bestehenden Versicherungsverträge bei Versicherer B – zu denen auch eine seit November 2004 laufende kapitalbildende Lebensversicherung gehört – und schließen über die Vertreter neue Policen bei Versicherer A ab.
Die Freude hält aber nicht lange, denn schon bald blüht es den Kunden, dass sie nun schlechter dastehen als vorher. Sie widerrufen also die neu abgeschlossenen Verträge mit der Begründung, sie seien von den Versicherungsvertretern falsch beraten worden. Die Lebensversicherung aus dem Jahr 2004 lässt sich aber nicht wieder aktivieren, also schließen die Kunden eine neue Lebenspolice bei ihrem Ursprungsversicherer ab.
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Mit der Klage wollen die Kunden nun die Differenz zwischen den Kosten und Erträgen ihrer alten und neuen Lebensversicherung ersetzt bekommen. Sie meinen, es sei ein Beratungsfehler gewesen, sie nicht auf die Nachteile einer Kündigung der bestehenden und des Abschlusses einer neuen Lebensversicherung hinzuweisen. Die da wären: Wegfall der Steuerfreiheit, höhere Prämien wegen eines höheren Eintrittsalters, neue Abschlusskosten und ein geringerer Garantiezins. Die Versicherungsvertreter behaupten aber, die Kunden hätten die alte Lebensversicherung unbedingt beenden wollen und man habe sehr wohl auf die Folgen einer Kündigung hingewiesen und den Kunden geraten, diese nur beitragsfrei zu stellen. Eine Beratungsdokumentation gibt es nicht. Eine Liste mit allen wesentlichen leistungs- und beitragsrelevanten Unterschieden zwischen der alten und der neuen Lebensversicherung auch nicht.
Der Fall landet schlussendlich vor dem BGH. Und der spricht einen entscheidenden Satz. Nämlich: „Die Nichtbeachtung der Dokumentationspflicht des Versicherungsvermittlers nach den Paragrafen 61, 62 Versicherungsvertragsgesetz (VVG) kann zu Beweiserleichterungen zugunsten des Versicherungsnehmers bis hin zu einer Beweislastumkehr führen. Ist ein erforderlicher Hinweis von wesentlicher Bedeutung nicht, auch nicht im Ansatz, dokumentiert worden, so muss grundsätzlich der Versicherungsvermittler beweisen, dass dieser Hinweis erteilt worden ist.“ Gelinge dieser Beweis nicht, so sei zugunsten des Versicherungsnehmers davon auszugehen, dass der betreffende Hinweis nicht erteilt worden sei und der Versicherungsvermittler pflichtwidrig gehandelt hat.
Was lernen Makler und Vermittler daraus? Dokumentieren, dokumentieren, dokumentieren. Sonst kann es vor Gericht in Haftungsfragen schnell ungemütlich – und teuer werden. Was gehört aber in eine gute Beratungsdokumentation rein, damit sie den Vermittler im Ernstfall auch wirklich schützt? Wir haben das mehrere Rechtsanwälte gefragt.
„Wichtig ist, dass die vier Kernbereiche der Beratung im Sinne des Paragrafen 61 Absatz 1 VVG abgedeckt sind: Beratungsanlass, Kundenwünsche und -bedürfnisse, Erläuterungen des Vermittlers und die Empfehlung samt Begründung“, sagt Jens Reichow, unter anderem Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht bei der Hamburger Kanzlei Jöhnke & Reichow.
Auch die „Neins“ dokumentieren
Sein Kollege Norman Wirth von der Berliner Kanzlei Wirth Rechtsanwälte formuliert es so: „Zuerst einmal sollten immer die Basics, also die W-Fragen, enthalten sein. Wer, wo, wann, wieso“, sagt er. „Maklerinnen und Makler haben unter Berücksichtigung der Komplexität des angebotenen Versicherungsvertrages zu beraten, zu begründen und zu dokumentieren. Selbstverständlich müssen die wesentlichen Punkte, die für die finale Entscheidung relevant waren, enthalten sein. Was relevant ist, ergibt sich im Einzelfall. Da verbieten sich pauschale Aussagen.“
Er weise Maklerinnen und Makler auch regelmäßig darauf hin, dass es am wichtigsten sei, auch das „Nein“ der Kunden zu dokumentieren. Hierfür nennt er ein paar Beispiele: „Nein, ich brauche keine Berufsunfähigkeitsversicherung. Ich bin kerngesund.“ – „Nein, eine Million Euro Deckungssumme für das Wohngebäude ist mir zu viel. Das ist letztlich zu teuer, und was soll schon passieren?“ Wirths Warnung: „Wenn so etwas nicht gut dokumentiert ist und sich später ein Schaden doch realisiert, kann es eng werden.“
Vogt
Vor 3 JahrenMan hat den Eindruck, dass die Form (gendern) den Inhalt schlägt. Deshalb mitten im Text das Lesen abgebrochen.
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Vor 3 JahrenMan hat den Eindruck, dass die Form (gendern) den Inhalt schlägt. Deshalb mitten im Text das Lesen abgebrochen.