- Von Redaktion
- 03.06.2022 um 10:32
Über 550.000 Menschen weltweit sind derzeit über 100 Jahre alt. Ein Großteil davon – etwas über 70.000 – lebt in Japan. 80 Prozent von ihnen sind Frauen (darauf kommen wir später erneut zu sprechen). Japan ist damit das älteste Land in der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD).
2055 wird es mehr als 4 Millionen 100-Jährige weltweit geben, das sind zirka acht Mal so viel wie heute. Der Begriff „exponenziell“ ist seit 2020 in einem anderen Kontext allgegenwärtig – hier passt er allerdings auch. Eine Frage drängt sich dabei auf: Schafft es ein Land wie Japan, ein solides Rentensystem abzubilden? Die Antwort vorweg: Nein.
„Analyse-Programme würde ich in der Beratung nicht einsetzen“
Japan hat einen Mix aus Grundrente und einer verdienstabhängigen „Zusatzrente“ für abhängig Beschäftigte („Zweigliedriges System“). Zusätzlich bestand eine dritte Schicht für Beamte und Lehrer an privaten Schulen, die jedoch 2015 in die Zusatzrente überführt wurde. Eine Blaupause für Deutschland?
Die volle Grundrente fließt nach 40 Versicherungsjahren, wobei der Beitrag pauschal bei umgerechnet 125 Euro monatlich liegt. Die zusätzliche Arbeitnehmerrente finanziert sich paritätisch vom Einkommen, der Beitragssatz liegt bei 18,3 Prozent. In Summe lag die durchschnittliche Rente 2018 bei 1.220 Euro Steuer- und Sozialabgaben. Die Nettoersatzrate (Relation letztes Monatsgehalt zu Rentenhöhe) entspricht 36,8 Prozent – das japanische Durchschnittseinkommen ist dabei vergleichbar dem deutschen.
Parallelen zu Deutschland
Alles vereinfacht dargestellt, aber: Es fällt auf, dass die Parallelen zum deutschen Rentensystem durchaus gegeben sind. Zwar besitzen wir keinen Pauschalbeitrag, haben dafür aber bekannterweise einen um 0,3 Prozentpunkte höheren Beitragssatz zur gesetzlichen Rente. Stark vereinfachte These: Japan ist das zukünftige deutsche „New Rentennormal“, welches jedoch dort heute schon existiert.
Die Absicherung des biometrischen Risikos der Langlebigkeit obliegt – neben den staatlichen Systemen – einzig und allein der Versicherungswirtschaft. Uns. Ein Privileg, welches es gilt a) zu nutzen, aber eben b) auch zu erfüllen.
Gibt es hier noch Möglichkeiten?
Schaue ich in meinen Arbeitsalltag (subjektiv), stelle ich fest, dass Tarife (egal welcher Schicht) oftmals nach Kosten (Alpha, Beta, Gamma), Ablaufwerten (Kapital) und beispielsweise den hinterlegten Fonds bewertet werden.
Der passendste Tarif ist also danach der, der am günstigsten in der Ansparphase kalkuliert ist, die höchsten Kapitalwerte liefert und ein breites Fondsportfolio mit sich bringt. Diese Parameter sind wichtig – unstrittig. Betrachtet man sie aber isoliert, wird natürlich kundenseitig ein Vergleich zum Direktdepot provoziert, den wir als Branche nur bedingt gewinnen können. Und für den es uns im Zweifel nicht braucht.
Sind die (Verrentungs-)Argumente der dritten Schicht unseren Kundinnen und Kunden hinreichend bekannt? Ertragsanteilsbesteuerung, steuerfreier Kapitalübertrag in die Rentenphase, steuerfreier Fondswechsel, lebenslange Leistung? Modelle aus klassischer, aber auch fondsbasierter Verrentung? Um nur einige Argumente abzubilden.
Als „Paradebeispiel“ dazu dient aus meiner Sicht die Basis-Vorsorge (Schicht I – „Rürup“). Standardgegenargument: „Kunde lehnt ab, weil es keine Kapitaloption gibt“. Subjektive Anmerkung: Ich selber bin angestellt. Ich habe in nun 14 Berufsjahren noch nie meinen Rentenversicherungsträger angerufen und mich nach der Kapitaloption meiner staatlichen Rente erkundigt, beziehungsweise diese Option vermisst. Wie stark wäre es, einen Teil meiner Beiträge börsenorientiert anlegen zu können?
Ist der Ausschluss der Kapitalleistung damit nicht sogar die größte Stärke der Basisvorsorge? Weil es hier überwiegend um nichts anderes geht, als lebenslanges Einkommen (Vererbbarkeit blende ich an der Stelle aus)? Damit Absicherung des Lebensstandards? 41 Prozent der deutschen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer kennen das Modell „Rürup“ nicht – Chance und Risiko zugleich.
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