- Von Achim Nixdorf
- 20.06.2022 um 12:41
Die Einschätzung der wirtschaftlichen Situation in Deutschland für die kommenden sechs Monate hat sich in diesem Quartal deutlich verschlechtert: Knapp drei Viertel der Deutschen (74 Prozent) erwarten einen konjunkturellen Abschwung. Das sind 33 Prozentpunkte mehr im Vergleich zum Vorquartal. Selbst im ersten Quartal 2009 zu Zeiten der Finanzmarktkrise lag der Anteil mit 64 Prozent unter dem aktuellen Niveau. Das geht aus dem aktuellen Anlegerbarometer der Fondsgesellschaft Union Investment hervor – einer repräsentativen Online-Befragung von gut 1.000 Menschen in Deutschland, die in privaten Haushalten über Finanzen entscheiden.
Warum die Zinswende schon längst da ist
Ausgerechnet die Investmentbranche drängt auf höhere Zinsen
Ähnlich pessimistisch zeigen sich die Anleger mit Blick auf die künftige Preisentwicklung. Fast alle Befragten rechnen im nächsten halben Jahr mit steigenden Preisen (98 Prozent). Gut ein Drittel (35 Prozent) erwartet einen leichten Anstieg, knapp zwei Drittel (63 Prozent) einen starken. Auch das ist der höchste Wert seit 2008, als diese Frage im quartalsweise erscheinenden Anlegerbarometer zum ersten Mal gestellt wurde.
Die meisten Befragten (92 Prozent) führen den Anstieg der Inflation auf den Krieg in der Ukraine zurück und machen ihre Einschätzung an ihren Einkäufen im Supermarkt (92 Prozent) sowie den Benzinpreisen (78 Prozent) fest. Knapp die Hälfte (44 Prozent) bildet ihre Meinung zur Preisentwicklung anhand des eigenen Kontostands. „Die Rekordinflation in Deutschland verschärft die Situation für viele Sparer und wird daher auch ganz bewusst wahrgenommen“, sagt Giovanni Gay, Geschäftsführer bei Union Investment.
Immobilien und Gold gelten als besonders krisensicher
Für besonders inflationssicher hält die Mehrheit Immobilien (75 Prozent) und Gold (61 Prozent). Aber auch Investmentfonds (36 Prozent) sowie Aktien und Rohstoffe (jeweils 34 Prozent) bieten ihrer Ansicht nach Schutz gegen Inflation. Insgesamt wollen trotzdem nur wenige Befragte ihre klassisch angelegten Spareinlagen umschichten (15 Prozent) oder sich bei ihrer Bank über Alternativen informieren (14 Prozent).
„Die Zurückhaltung der Anleger liegt möglicherweise daran, dass zwei Drittel von steigenden Zinsen ausgehen und sie deshalb keine Notwendigkeit sehen, ihre Finanzen zu überprüfen“, erklärt Gay. Ein Gespräch mit einem Berater lohne sich dennoch. Denn entscheidend sei, die reale Wertentwicklung der Geldanlage im Blick zu behalten. „Selbst wenn die Zinsen leicht anziehen, bleibt das Niveau niedrig und gleicht die Inflationsrate nicht aus. Ein Umstand, der zu realen Verlusten führen kann, wenn Sparer nicht nach ertragreicheren Alternativen suchen.“
„Die Evolution des Sparens ist deutlich vorangeschritten“
Die Voraussetzungen hierfür sind nach Einschätzung der Fondsgesellschaft gut. Trotz Krieg und den damit verbundenen Konjunktur- und Inflationsrisiken zeigen sich die Befragten insgesamt offen für chancenorientierte Anlagen, insbesondere junge Sparer im Alter zwischen 20 und 29 Jahren. Jeder Zweite (51 Prozent) hält Aktien unverändert für attraktiv (1. Quartal 2022: 49 Prozent), unter den 20- bis 29-Jährigen sind es sogar 59 Prozent. Der Zuspruch zu Investmentfonds bleibt mit 50 Prozent ebenfalls auf dem Niveau vor Kriegsbeginn (1. Quartal 22: 51 Prozent). „Die Evolution des Sparens ist deutlich vorangeschritten. Immer mehr Anleger bleiben auch bei kurzfristigen Kursverlusten gelassen und setzen ihren Fokus auf den langfristigen Vermögensaufbau“, so Gay.
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