- Von Andreas Harms
- 28.06.2022 um 10:43
Die Richter des Bundesgerichtshofs (BGH) bekamen es jüngst mit dem Thema Geldanlage zu tun. Tatsächlich war die gar nicht so sicher, wie der Anlageberater zunächst behauptet hatte.
Was war geschehen?
Eine ehemalige Musiklehrerin wollte Geld anlegen. Auf den Tipp eines Beraters hin steckte sie 2015 über zwei Verträge gestreckt insgesamt 36.000 Euro in Datenspeichersysteme des Unternehmens EN Storage. EN wollte die Systeme mieten und der Anlegerin am Ende abkaufen, falls bestimmte Bedingungen erfüllt waren. Der Rückkaufpreis sollte dann etwa 57 Prozent des ursprünglichen Kaufpreises betragen.
BGH strafft Regeln für Beitragserhöhungen in der PKV
BdV zieht vor das Bundesverfassungsgericht
Bundesgerichtshof kippt PKV-Urteil
Die Anlegerin erhielt später aus den Verträgen zusammen über 10.000 Euro ausgeschüttet. Doch zum finalen Rückkauf kam es nicht mehr, weil EN Storage im Mai 2017 pleiteging. Dabei kam dem Insolvenzverwalter der Verdacht, es könnte seit 2012 ein Schneeballsystem betrieben haben.
Die Anlegerin klagte gegen ihren Berater und den Wirtschaftsprüfer, der die Anlagen bestätigt hatte. Der Berater hatte nämlich im Gespräch nicht über mögliche Verluste gesprochen, wie er selbst zugab. Ganz im Gegenteil habe er die Anlage sogar als „bombensicher“ beschrieben, behauptete die Anlegerin.
Der Berater hielt dagegen, dass sich seine Kundin bereits über ihre Schwester und deren Ehemann mit der Anlage befasst habe. Sie habe deshalb die Risiken gekannt. Außerdem habe sie keine längerfristige Anlage mit weniger Risiko und niedrigerer Rendite gewünscht.
Die Urteile
Das Landgericht Stuttgart gab der Anlegerin Recht, sie sollte somit 25.184 Euro plus Zinsen erhalten (Urteil 27 O 162/18). Doch das Oberlandesgericht reagierte auf die Berufung der Beklagten und wies die Klage ab (12 U 42/19). Man habe nicht feststellen können, dass der Berater seine Pflicht verletzt hat. Außerdem sah man in dem vorangegangenen Gespräch eher einen Auskunfts- als einen Anlageberatungsvertrag. Weshalb die Anlegerin zwecks Revision vor den BGH zog.
Der kippte nun das Urteil des Oberlandesgerichts und gab den Fall dorthin zurück (III ZR 327/20). Zunächst fanden die BGH-Richter, dass die Sachlage tatsächlich eher auf einen Anlageberatungsvertrag hindeutet. Doch noch wichtiger fanden sie, dass sich das Berufungsgericht nicht mit der Behauptung befasst hatte, die Anlage sei bombensicher. Es hatte sogar einen Beweisantrag übergangen, der den Ehemann der Anlegerin als Zeugen vorgeladen hätte. Nach Paragraf 286 Absatz 1 der Zivilprozessordnung (ZPO) hätte das Berufungsgericht aber zumindest versuchen müssen, die Bombensicher-Aussage zu überprüfen.
Der Berater wiederum hätte nie behaupten dürfen, die Anlage sei sicher oder sogar bombensicher. Denn laut den Anlageverträgen war EN Storage nicht mal verpflichtet, die Datensysteme zurückzukaufen. Somit „war – auch im Falle redlichen Verhaltens der Geschäftsführer der EN – keinesfalls mit Gewissheit davon auszugehen, dass die Klägerin nach Ablauf der Gebrauchsüberlassung von 36 Monaten ihr investiertes Geld in vollem Umfang zurückerhalten wird“, heißt es im Urteil wörtlich.
Und zu guter Letzt zitieren die BGH-Richter noch aus einem Schreiben des Anlageberaters vom 9. Juli 2015 an seine Kundin: „Sie finden in diesem Vertrag alle wesentlichen Punkte, die wir gemeinsam in unserem Gespräch angesprochen haben und die Ihnen die Sicherheit geben, auf die Sie Wert legten.“
0 Kommentare
- anmelden
- registrieren
kommentieren