Norman Wirth ist Rechtsanwalt und Inhaber der Kanzlei Wirth Rechtsanwälte, außerdem Vorstand im Bundesverband Finanzdienstleistung AfW. © Andreas Klingberg für AfW Berlin
  • Von Redaktion
  • 20.07.2022 um 12:05
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Ein Versicherter tritt 2020 eine Reise nach Sri Lanka an und muss wegen der ausbrechenden Corona-Pandemie einen erheblich teureren Rückflug buchen. Das Geld verlangt er von seinem Reiseversicherer zurück – bei der Corona-Pandemie handele es sich in seinen Augen um eine versicherte Naturkatastrophe. Wie das Urteil in diesem Fall lautete, erklärt Rechtsanwalt Norman Wirth in seinem Gastbeitrag.

Was ist geschehen?

Im Januar 2020 schloss der Versicherungsnehmer eine Reiserücktrittsversicherung ab, die auch eine Reiseabbruchversicherung beinhaltete. Nach den Bedingungen gewährte die Versicherung auch Schutz wegen möglicher Mehrkosten einer außerplanmäßigen Rückreise infolge einer Naturkatastrophe am Urlaubsort. Konkret hieß es unter anderem in den Bedingungen:

Wenn Sie wegen einer Naturkatastrophe am Urlaubsort (zum Beispiel Lawinen, Erdbeben) die Reise nicht planmäßig beenden können: Wir übernehmen die notwendigen Mehrkosten für Unterkunft, Verpflegung und Rückreise.

Der Versicherungsnehmer buchte – schon grundsätzlich bemerkenswert – am 4. März 2020 für sich und einen Mitreisenden eine Reise nach Sri Lanka vom 7. bis 29. März 2020, die beide auch wie geplant antraten. Am 24. März 2020 annullierte die Fluggesellschaft mit Verweis auf die durch das Corona-Virus SARS-CoV-2 hervorgerufenen Reisebeschränkungen den Rückflug.

Daraufhin buchte der Versicherungsnehmer die letzte verbliebene Rückreisemöglichkeit vor Schließung des Flughafens Colombo nach Zürich. Einzig verfügbar waren da nur noch Sitzplätze der höchsten Tarifklasse der Business-Class, was zu Umbuchungskosten von 3.610 Euro geführt hatte. Die Fluggesellschaft selbst verweigerte eine Entschädigung.

Die Mehrkosten verlangte der Versicherungsnehmer nun im Wege der Klage von der Versicherung. Er meinte, dass sich es sich bei der Corona-Pandemie um eine Naturkatastrophe handele und sich daraus eine Leistungspflicht der Versicherung ergäbe. Die Versicherung weigerte sich zu zahlen, unter anderem mit der Begründung, dass eine Pandemie als versichertes Ereignis in den abschließend aufgezählten versicherten Risiken gerade nicht genannt sei.

Das Urteil

Das Amtsgericht München entschied mit Urteil vom 20.Mai 2021 zugunsten des Versicherers und urteilte, dass die Corona-Pandemie keine Naturkatastrophe im Sinne der Versicherungsbedingungen sei (Aktenzeichen 275 C 23753/20). Das Gericht stellte dafür auf das Verständnis eines durchschnittlichen Versicherungsnehmers ab.

Kennzeichnend für eine Naturkatastrophe sei, dass sie an jedem Ort die gleichen Auswirkungen hätte. Bei Corona sei es anders:  Bei den jeweiligen staatlichen Schutzmaßnahmen handele es sich um politische Ermessensakte. Da diese staatlichen Maßnahmen von Land zu Land und Fall zu Fall höchst unterschiedlich in ihrer Intensität und damit ihren Auswirkungen ausfallen können, liegt begrifflich keine Naturkatastrophe vor.

Praxishinweis

Dieses Ergebnis wird auch durch Erwägungen zur Rechtssicherheit gestützt. Naturgemäß schwankende Infektionszahlen und sich dem anpassende Schutzmaßnahmen werfen die Abgrenzungsfrage auf, ab welchem Grad die Schwelle zur Naturkatastrophe überschritten würde.

Infektionszahlen und Schutzmaßnahmen entwickeln sich an verschiedenen Orten unterschiedlich, sodass dasselbe Ereignis teilweise als Naturkatastrophe einzustufen wäre und teilweise nicht. Dem Urteil ist zuzustimmen und Versicherungsnehmern ist zu raten, auf inzwischen vorhandene Deckungskonzepte von Versicherern zu schauen, die auch Pandemieschutz mit enthalten.

Über den Autor

Norman Wirth ist Rechtsanwalt mit den Schwerpunkten Versicherungsrecht, Vertriebsrecht, Vermittlerrecht und Kapitalanlagerecht und Inhaber der Kanzlei Wirth Rechtsanwälte in Berlin.

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