- Von Lorenz Klein
- 21.07.2022 um 16:14
Seit Donnerstag fließt wieder Gas durch die Pipeline Nord Stream 1 – mit einer Auslastung von aktuell etwa 40 Prozent sogar mehr als zunächst erwartet. Das Lieferniveau liege damit so hoch wie vor den Wartungsarbeiten, bestätigte die Bundesnetzagentur.
Doch wie lange diese Atempause währt, ist ungewiss. So besteht auch weiterhin das Risiko, dass Gas in Europa rationiert werden muss, sofern die Gaslieferung vor dem Winter deutlich unter 40 Prozent sinkt. „Das könnte in der Industrie zu Betriebsunterbrechungen führen“, warnte der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) am Donnerstag.
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Darum ist eine Betriebsunterbrechungs-Versicherung so wichtig
Zugleich stellte der Verband klar, dass bei Gasmangel kein Versicherungsschutz durch eine Betriebsunterbrechungsversicherung (BU) bestehe. „Versichert sind solche Produktionsausfälle nicht“, teilt der GDV mit, da eine Entschädigung immer einen Sachschaden voraussetze. Kommt die Produktion einer Fabrik beispielsweise aufgrund eines Feuers zum Erliegen, sind daraus resultierende Schäden über eine Betriebsunterbrechungsversicherung abgedeckt. Hingegen seien Produktionseinbußen aufgrund einer „staatlich angeordneten und im Voraus geplanten Rationierung von Rohstoffen“ nicht versichert, so der Verband.
GDV sieht sich durch Gutachten bestätigt
Der GDV sieht sich in seiner Position durch ein eigens beauftragtes Gutachten bestätigt. Demnach würde es sich bei Ausrufen der Notfallstufe um eine „planmäßige Abschaltung“ handeln. Daraus folge, dass der entsprechende Risikoausschluss in den Musterklauseln greife. „Selbst wenn in einer Klausel das Vorliegen eines Sachschadens nicht konkret vereinbart ist – was bei älteren Policen der Fall sein kann – greift letztlich der Risikoausschluss ,planmäßige Abschaltung‘“, beruft sich der Verband auf die Einschätzung der Gutachter und verweist zudem auf eine ähnlich lautende Analyse der Ratingagentur Fitch.
Lehren aus dem Wirrwarr in der Betriebsschließungsversicherung
Mit der Beauftragung des Gutachtens dürfte der GDV seine Lehren aus den Querelen in der Betriebsschließungsversicherung (BSV) gezogen haben. Hier erlitt die Branche vor Gericht immer wieder Niederlagen im Zuge des coronabedingten Lockdowns. So klagten viele Gastwirte erfolgreich dagegen, dass Versicherer nicht zahlen wollten, weil das Covid-19-Virus nicht explizit in den Versicherungsbedingungen genannt war – obwohl das Vertragswerk zugleich eine behördlich verfügte Betriebsschließung auf Basis des Infektionsschutzgesetzes als zulässig erachtete. Kurzum: Das sogenannte Kumulrisiko durch eine Pandemie wurde von vielen Versicherern schlichtweg nicht bedacht. Inzwischen hat die Branche Altverträge in der BSV zum Großteil gekündigt und im Neugeschäft dahingehend angepasst, dass eine flächendeckend angeordnete Betriebsschließung nicht mehr versicherbar ist.
Sorge vor indirekten Schäden
Der Verband betonte dann auch am Donnerstag, dass Ausschlussklauseln für Versicherer wichtig seien, „um sich vor vielen gleichzeitigen Ansprüchen zu schützen, die sie selbst überfordern würden“. Das sei immer bei Kumulrisiken der Fall, die laut GDV „in relativ kurzer Zeit sehr viele Schäden anrichten können, wie beispielsweise ein Krieg, eine Pandemie oder eine über Monate im Voraus geplante Unterbrechung der Strom- oder Gasversorgung“.
Zugleich räumte der Verband ein, dass indirekte Schäden auf die Versicherungswirtschaft zukommen könnten im Falle eines Gas-Lieferstopps. Einsparungen bei der Heizenergie könnten beispielsweise dazu führen, dass im Winter mehr Wasserrohre in Häusern bersten – was ein klassischer Fall für die Gebäudeversicherung wäre. Denkbar sei auch, dass vorübergehende Produktionsstopps in den Betrieben in der Folge zu mehr Maschinenschäden führen, für die die Assekuranz einstehe, wie der GDV auf Basis des Fitch-Gutachtens abschließend mitteilte.
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