Björn Jöhnke ist Fachanwalt für Versicherungsrecht, für Gewerblichen Rechtsschutz und IT-Recht in Hamburg. © Jöhnke & Reichow Rechtsanwälte
  • Von Redaktion
  • 24.08.2022 um 11:34
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In Teil 1 seiner Mini-Serie warnte Rechtsanwalt Björn Jöhnke davor, dass digital unterschriebene Risikolebensversicherungen unbewusst unwirksam sein können. In diesem zweiten Teil geht er auf die sich daraus ergebenden Haftungsgefahren für Vermittlerinnen und Vermittler ein.

I. Die unbewusst „unwirksame“ Lebensversicherung

Im ersten Artikel zur Lebensversicherung auf fremdes Leben als „unbewusst unwirksame-Versicherungsverträge“ wurde bereits umfassend der diesbezügliche Streitstand erörtert. Die rechtliche Einordnung dieser Thematik ist gewiss nicht einfach. Ebenso wurde zur Problematik des gesetzlich vorgeschriebenen Einwilligungserfordernisses aufgeführt mit dem Ergebnis, dass die gesetzliche vorgeschriebene Schriftform durchaus auch durch ein elektronisches Verfahren („E-Signing“) ersetzt werden kann.

Denn ist eine Schriftform – wie bei der Einwilligung nach Paragraf 150 Versicherungsvertragsgesetz (VVG) –gesetzlich angeordnet, dann kann das E-Signing durch eine qualifizierte elektronische Signatur (QES) bewirkt werden. Hierfür muss jedoch ein qualifizierter Vertrauensdiensteanbieter tätig werden. Eine QES muss aufgrund einer identifizierbaren Verschlüsselung nur einer einzigen Person zuzuordnen sein. Die sichere QES kann, anders als die einfache digitale Signatur, nicht einfach durch etwa einen Austausch des eingefügten Signaturelements beliebig ersetzt werden.

Die Person, deren Leben versichert wird, muss also ihre Einwilligungserklärung durch einen Vertrauensdiensteanbieter signieren lassen. Dass es in der Versicherungspraxis jedoch durchaus anders gehandhabt wird, wurde bereits im ersten Artikel ausgeführt. Dieser zweite Artikel soll sich mit etwaigen Haftungsszenarien auseinandersetzen und den Leser für dieses Problemfeld sensibilisieren.

II. Haftungsgefahren

Ist der Versicherungsvertrag unwirksam und werden Prämien gezahlt, stellt sich natürlich die Frage, wer diesen Umstand und in welchem Umfang zu verantworten hat. Der Versicherungsnehmer will bei Erleben des vertraglich bestimmten Beendigungstermins zumindest die Prämien oder, wenn der Todesfall der versicherten Person eintritt, die Versicherungsleistung erhalten. Ein Anspruch auf die Versicherungsleistung besteht nicht. Denn wenn die Einwilligung gemäß Paragraf 150 Absatz 2 VVG formunwirksam nach Paragraf 125 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) war, besteht dem Grunde nach gar kein Versicherungsvertrag.

Der Versicherungsnehmer könnte in der Konsequenz die gezahlten Prämien zurückfordern. Hierfür könnte ihm das Rechtsinstitut des bereicherungsrechtlichen Rückabwicklungsanspruchs aus Paragraf 812 Absatz 1 Satz 1 BGB zur Seite stehen. Die Prämien wären ohne Rechtsgrund geleistet worden, um eine nicht bestehende vertragliche Prämienzahlungspflicht zu erfüllen. Der Versicherer könnte die Auszahlung der angesammelten Prämien nicht nach Paragraf 814 BGB verweigern, wonach das zur Erfüllung einer Verbindlichkeit nicht zurückgefordert werden kann, wenn bekannt ist, dass eine Leistungsverpflichtung nicht bestanden hat. Regelmäßig hat der Versicherungsnehmer keine Kenntnis über das Nichtbestehen des Vertrages (vgl. BGH, Urteil vom 07. Mai 1997 – IV ZR 35/96).

Auf der anderen Seite kann es sein, dass der Versicherer bereits die Versicherungsleistung samt Risikodeckung ausgezahlt hat, weil die versicherte Person starb. Der Versicherer würde nun aufgrund des unwirksamen Vertrags die Risikoleistung zurückfordern. Er hätte ohne Rechtsgrund geleistet, denn es besteht kein versicherungsrechtlicher Anspruch auf die ausgezahlte Deckungsleistung. Der Versicherungsnehmer hat durch die faktische Risikodeckung etwas ihm nicht Zustehendes erlangt. Ob der Versicherer die Leistung tatsächlich zurückverlangen könnte, hängt maßgeblich davon ab, ob er die Auszahlung hätte verweigern können.

Wird der Versicherungsvertrag trotz seiner Unwirksamkeit durch die Prämienzahlungen in Vollzug gesetzt, könnte es dem Versicherer verwehrt sein, sich auf die Unwirksamkeit des Vertrags zu berufen. Nimmt der Versicherer die Prämienzahlungen an, obwohl der Versicherungsvertrag unwirksam ist, schafft er in zurechenbarer Weise beim Versicherungsnehmer Vertrauen auf die Wirksamkeit des Versicherungsvertrags. Verweigert der Versicherer die Zahlung, dann verhält er sich treuwidrig und widersprüchlich zu seinem Vorverhalten (vgl. BGH, Urteil vom 16. Juli 2014 – IV ZR 73/13). Diese BGH-Rechtsprechung ist wegweisend für die Bewertung der Rückabwicklung der nichtigen Verträge: Nahm der Versicherer die Prämien langfristig an und suggerierte somit die Wirksamkeit des Vertrags, dürfte der Versicherungsnehmer trotz des nicht bestehenden formunwirksamen Vertrags im Ergebnis einen Anspruch auf die Deckungssumme haben.

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