- Von Oliver Lepold
- 01.09.2022 um 12:55
Pfefferminzia: Experten stellen immer wieder Mankos in der Investmentkompetenz von Versicherungsmaklern fest. Wie beurteilen Sie den Status quo in der Branche?
Matthias Pendl: Ich sehe das ähnlich. Das liegt unter anderem daran, dass es in der Vergangenheit Produkte gab, die dieses Know-how nicht erfordert haben. Nach dem Motto „One size fits all“ hat man sich lange auf Garantie- und Hybridprodukte fokussiert, die scheinbar für jeden Kunden passen sollten. Heutzutage fallen Investment-Wissensmängel schneller auf.
Welche Wissenslücken sind am gravierendsten?
Wer über keine langjährigen Erfahrungen im Vertrieb von Fondspolicen verfügt, hat meist Probleme mit der Auswahl des richtigen Investments für Kundinnen und Kunden. Denn hierfür ist Investment-Grundlagenwissen unerlässlich. Darunter verstehe ich Fragen wie: Was ist eine Aktie, was sind Anleihen, welche Fonds existieren, worin investieren diese und was ist eine geeignete Fondsauswahl für einen Kunden mit bestimmtem Risikoprofil? Gemanagte Portfolios sind hier ein schönes Angebot. Je nach Risikobereitschaft und Anlagehorizont gibt es unterschiedliche Lösungen, die zumindest so weit standardisiert sind, dass sie verständlich und nachvollziehbar erklärt werden können. Allerdings haben viele Vertriebspartner Bedenken oder gar Angst, dass der Kunde Fragen stellen könnte, die das Portfolio im Detail betreffen. Denn dafür reicht das Investmentwissen oft nicht aus.
Inwieweit haben die Kursrutsche des ersten Halbjahres 2022 an der Börse dazu geführt, dass Maklern die Mankos bewusster geworden sind?
Je professioneller der Vertrieb aufgestellt ist, desto weniger entsteht Nervosität. Wer professionell berät und über eine gewisse Erfahrung im Investmentgeschäft verfügt, ist bisher entspannt mit der Lage umgegangen. Denn auch noch nie aufgetretene Besonderheiten wie die Börsenlage im ersten Halbjahr 2022 fallen auf lange Sicht nicht ins Gewicht. Wir sprechen über Altersvorsorge und langfristige Geldanlage. Zudem können Kundinnen und Kunden jetzt auch neue Einstiegschancen nutzen. Die Beratung dazu erfordert aber Souveränität, Erfahrung und eben eine professionelle Ausbildung.
Standard Life hat kürzlich die sechsteilige Webinar-Reihe „Crashkurs Investments: 2022” abgeschlossen. Wie war der Wissenstand der Teilnehmer zu Beginn?
Wir haben die Ausbildungsreihe gemeinsam mit unseren strategischen Investmentpartnern Abrdn, Franklin Templeton und Vanguard auf die Beine gestellt und hatten knapp 400 Teilnehmer. Etwa 80 Prozent davon haben sich zu Beginn ohne Investment-Know-how eingestuft oder lediglich mit etwas Basiswissen. Wir sind daher mit einfachen Fragen gestartet wie etwa: Was ist eigentlich eine Aktie oder was ist der Unterschied zwischen Large und Small Caps? Das wird in Vorträgen und Markt-Updates der Investmenthäuser vorausgesetzt. Versicherungsmaklerinnen und -makler fühlen sich dort oft nicht abgeholt. In den weiteren Modulen sind wir dann näher auf die Anlageklassen Aktien, Anleihen, Multi-Asset und ESG eingegangen und haben am Ende konkrete Tipps für das Kundengespräch erarbeitet.
Welche konkreten Fragen hatten die Teilnehmer?
Es bestand viel Interesse, wann aktives Management gefragt ist und wo passive Lösungen die bessere Alternative darstellen. Unsere Experten haben geschildert, dass es in Märkten wie etwa den US-Large Caps eine gute Idee ist, ausschließlich auf die Kosten zu schauen. Auf der anderen Seite sind aktive Manager in weniger entwickelten Märkten wie den Emerging Markets oder bei Nebenwerten gefragt. Der Mehrwert aufgrund der feinen Selektion ausgewählter Aktien und der Nähe zu den jeweiligen Märkten ist hier entscheidend. Viele Fragen gab es auch zum Thema Nachhaltigkeit, hier suchen viele Teilnehmer Lösungen, nicht zuletzt durch die Regulierung, die seit 2. August vorschreibt, dass nach Nachhaltigkeitspräferenzen im Beratungsgespräch zu fragen ist. Aber viele Kundinnen und Kunden sind mittlerweile auch direkt an ESG-Anlagen interessiert und fragen danach.
„In der Krise kommt es auf Planen und proaktives Handeln an“
„Das eine gültige Konzept für Ruhestandsplanung gibt es nicht“
„Sollten Finanzberater gleichzeitig einen Bildungsauftrag wahrnehmen müssen?“
Wie lassen sich erlernte Erkenntnisse in clevere Beratungsansätze umsetzen?
Wenn Aldi die Butter als Sonderangebot heruntersetzt – ist das eine Kaufgelegenheit oder verunsichert das eher? Dieses Discounter-Beispiel haben wir ins Kundengespräch übersetzt: Wenn Aktienmärkte fallen, ist das Grund zur Unruhe oder ein Kaufanreiz? Zudem haben wir typische Anlegerfragen behandelt: Wann ist der richtige Zeitpunkt, einzusteigen, wann sollte man wieder aussteigen und darüber hinaus viele konkrete Tipps für das Kundengespräch gegeben. Oft läuft es darauf hinaus, dass Geduld und Zeit wichtig sind, denn kurzfristiges Hin und Her macht Taschen leer. Zu glauben, ständig reagieren zu müssen, hat meist keine guten Folgen.
Was macht eine gute Investment-Fortbildung für Maklerinnen und Makler aus?
Neben der Vermittlung von Investmentwissen ist es wichtig, dass die Grundlagen unter Begleitung von Coaches auch in die Praxis umgesetzt werden. Alle unsere Vertriebsbetreuer sind gleichzeitig Unternehmensentwickler für Vermittlerbetriebe, begleiten also Makler bei der Umsetzung der Themen im Unternehmen. Das funktioniert sehr gut. Zudem sollte eine Möglichkeit bestehen, das Wissen über eine Intensivierung noch weiter zu ergänzen. Die Verantwortung dafür liegt nicht nur bei den Bildungsinstituten. Seit Jahresbeginn erkennen wir eine klare Tendenz, dass auch Produktgeber, die bislang stark auf Garantieprodukte gesetzt haben, nun zur Fondspolice umschwenken und Makler mit Bildungsmaßnahmen dabei unterstützen. Sie haben erkannt, dass ohne Investment-Know-how eine Beratung auf Augenhöhe nicht möglich ist.
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