- Von Lorenz Klein
- 28.11.2022 um 12:06
Die privaten Krankenversicherer (PKV) in Deutschland sind mit ihrer Geschäftsentwicklung im Großen und Ganzen zufrieden und sehen vor allem in der Krankenzusatzversicherung und in der betrieblichen Krankenversicherung Chancen auf künftiges Wachstum. Zugleich hadert die Branche damit, dass die von ihnen angebotenen Gesundheitsservices von den Versicherten bislang nur wenig genutzt werden. Neben diversen Baustellen in der Digitalisierung treibt die Unternehmen auch der wachsende Fachkräftemangel um.
Mission digitaler Gesundheitsdienstleister – was der PKV noch fehlt
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Dies sind Ergebnisse der zweiten Ausgabe der Studie „Zukunft der PKV“ des Beratungsunternehmens Deloitte (Download hier). Dazu wurden gemeinsam mit dem Institut für Versicherungswissenschaft an der Universität zu Köln (IVK) und der Wiesbaden Business School Entscheidungsträgerinnen und -träger 19 privater Versicherungsunternehmen zu ihrer Positionierung im Geschäftsumfeld befragt. Die Studienteilnehmer repräsentieren Deloitte zufolge 66 Prozent der Bruttoprämien des deutschen PKV-Marktes. Die Befragung erfolgte zwischen Mai und August 2022.
Pflegepolicen-Absatz leidet unter politischer Unsicherheit
Laut der Umfrage ist die große Mehrheit der befragten Krankenversicherer (84 Prozent) ist mit der Geschäftsentwicklung in der Krankenvollversicherung zufrieden. „Gute Neugeschäftsentwicklungen, der Erfolg neuer Produkte und akzeptable Gesamtbestandsentwicklungen lassen die Branche positiv auf das Geschäftsjahr 2021 zurückblicken“, fasst Nils Dennstedt von Deloitte zusammen. Ein „großes Sorgenkind“ sei die Pflegezusatzversicherung – 79 Prozent der Versicherer zeigten sich hier mit den Entwicklungen unzufrieden. „Gründe sind schlechte Absatzzahlen, hohe Beitragsanpassungen und unsichere politische Rahmenbedingungen“, kommentieren die Studienautoren die allgemeine Gemütslage, wenn es um die Pflege geht. Individuelle und geförderte Pflegezusatzversicherungen werden aufgrund der politischen Unsicherheit verhaltener eingeschätzt als noch bei der vorherigen Befragung im Jahr 2020.
Krankenzusatzprodukte nimmt eine große Mehrheit der Befragten (90 Prozent) hingegen nach wie vor als Wachstumsfeld wahr. Großes Potenzialfeld bieten demnach auch die betrieblichen Produkte: 47 Prozent der befragten Unternehmen hätten in den letzten zwei Jahren bereits neue Produkte in der betrieblichen Krankenversicherung eingeführt. „Der Wettbewerb in diesem Marktsegment steigt“, heißt es bei Deloitte.
Weiter stellen die Experten fest, dass sich die PKV verstärkt mit zwei gesellschaftlichen Entwicklungen auseinandersetzt: Das sei einerseits die wachsende Nachhaltigkeitsorientierung, mit der vor allem der Umweltaspekt von Kapitalanlagen und Prozessen sowie die soziale Komponente der Produkte ins Rampenlicht rücken. Andererseits sei der Fachkräftemangel inzwischen auch in der PKV-Branche angekommen: So befürchten 94 Prozent der Befragten, dass die Suche nach qualifizierten Arbeitskräften in den kommenden Jahren zur Herausforderung wird.
„Das ,Kostenerstatter‘-Image hält sich hartnäckig“ – aber das muss nicht so bleiben
Dabei werden Fachkräfte, die neue Ideen mitbringen dringend benötigt, um den Kulturwandel weiter voranzutreiben. „Das ,Kostenerstatter‘-Image hält sich hartnäckig“, merken die Studienautoren kritisch an – und das meinen die Befragten sogar selbst. So vertrauten die Versicherten in Gesundheitsfragen auf Ärztinnen und Ärzte – und nicht so sehr auf die PKV. „Kundinnen und Kunden binden ihren Krankenversicherer erst spät in den Prozess ein“, sagt Stefanie Kampmann von Deloitte. „Um sich erfolgreich als Gesundheitspartner zu positionieren, müssen Krankenversicherer frühzeitig das Vertrauen ihrer Kundinnen und Kunden gewinnen“, lautet ihre Empfehlung. Präventive Serviceangebote könnten ein Weg sein, langfristige Bindungen aufzubauen „und nicht erst im Moment des Leistungsfalls in Erscheinung zu treten“ so Kampmann. Laut den Versicherern werden bereits angebotene Gesundheitsservices von den Versicherten zwar häufig als wichtig erachtet, aber dennoch bislang wenig genutzt. Dabei variiere die Annahme der Angebote je nach Krankenversicherer.
PKV im Digitalisierungs-Dilemma
Die Erfolgsmessung der Gesundheitsmanagementaktivitäten beschränkt sich bei den Versicherern meist auf Befragungen (63 Prozent) und die Auswertung von Nutzerzahlen (47 Prozent). Knapp 80 Prozent der Befragten planen „Predictive Analytics“ einzusetzen, um auf Basis von Leistungsdaten ihre Services zu verbessern. „Doch erst 21 Prozent haben bereits erste Maßnahmen umgesetzt“, berichten die Experten von Deloitte. Die Datenverfügbarkeit und -qualität seien hier die größten Herausforderungen – denn oft seien Bestandsgrößen und Datenmengen einzelner Krankenversicherer zu klein, um valide Vorhersagen zu treffen. Regulatorische Vorgaben, wie Bafin-Auflagen oder Datenschutzbestimmungen, stellen aus Sicht der Autoren zusätzliche Hürden dar. „Fragt ein Krankenversicherer immer wieder nach der Datenfreigabe, mischt er sich zu sehr bei Behandlungen ein oder werden sogar falsche Prognosen erstellt, kann dies zu geringerer Akzeptanz bei Kundinnen und Kunden führen“, erläutert Kampmann das Dilemma der Branche. „Hier sind kundenfreundliche und systematische Ansätze gefragt.“
Laut Deloitte wird in der Studie außerdem deutlich, dass die Digitalisierung von Prozessen, IT und Kundenschnittstellen „im Fokus der Versicherer“ bleibt. Vor allem im Leistungsmanagement vermuteten die Befragten noch digitales Optimierungspotenzial. So planten die Krankenversicherer ihre Dunkelverarbeitung in den nächsten fünf Jahren stark zu erhöhen – auf Zielquoten zwischen 60 und 80 Prozent. „Nicht zuletzt in Anbetracht neuer Herausforderungen, wie dem verschärften Fachkräftemangel, bleibt die Digitalisierung eines der zentralen Handlungsfelder für die Zukunft der PKV“, fassen die Autoren zusammen.
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