- Von Karen Schmidt
- 30.01.2023 um 12:20
Zehn Jahre ist es her, dass in Großbritannien die sogenannte Retail Distribution Review (RDR) eingeführt wurde. Das Regulierungspaket schaffte Ende 2012 unter anderem Provisionen für Anlageprodukte ab. Der Wunsch war es, einen widerstandsfähigen, effektiven und attraktiven Markt für Kleinanleger zu schaffen, dem die Verbraucher vertrauen.
Nun fand in London eine Diskussionsrunde zur RDR statt, besetzt mit Vertreterinnen und Vertretern der Finanzaufsicht, von Verbänden, Beratungsunternehmen und Versicherern statt. Darunter etwa Therese Chambers, Direktorin für Verbraucheranlagen Financial Conduct Authority (FCA) oder Chris Hudson, Managing Director of Retail & Intermediary bei Standard Life. Auch Norman Wirth, Vorstand des Bundesverbands Finanzdienstleistung AfW, war vor Ort, um sich zu informieren.
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„Die Erfahrungen aus Großbritannien sind als ambivalent zu beschreiben“, sagt Wirth. „Durch die RDR gibt es mehr Qualität und mehr Vertrauen in die Berater, aber auch eine großes Beratungslücke gerade bei den Bevölkerungsgruppen, die es am nötigsten hätten.“
Zielkunden für eine ganzheitliche Beratung seien danach überwiegend wohlhabende Verbraucher. 40 Prozent der Beratungsunternehmen haben laut einer Studie der FCA aus dem Jahr 2019 einen Schwellenwert an verfügbarem Vermögen für Neukunden. Mehr als die Hälfte davon liegt bei 50.000 Pfund, die anderen noch deutlich darüber. Der durchschnittliche beratene Kunde verfüge über ein Vermögen von über 150.000 Pfund (etwa 170.000 Euro).
Die Zahl der Beratungsunternehmen sei nicht signifikant eingebrochen. Die Qualität habe sich erhöht und das Vertrauen der Bevölkerung in die unabhängige Beratung sei gestiegen. Wie Wirth weiter berichtet, stellte aber Finanzaufseherin Chambers fest, dass viele Verbraucher ihr Geld bar hielten, statt es zu investieren. Eine Verbraucherstudie der FCA hatte bereits 2019 ergeben, dass 54 Prozent der britischen Erwachsenen mit einem investierbaren Vermögen von 10.000 Pfund oder mehr – immerhin fast 10 Millionen Menschen –, in den vergangenen Jahren keine formelle Unterstützung bei ihren Investitionsentscheidungen erhalten hatten.
„Wir können nur hoffen, dass in Brüssel die Entwicklungen in Großbritannien sehr genau analysiert werden“, sagt Wirth. Jeder Markt sei anders und habe sich auch historisch unterschiedlich entwickelt. Wirth: „Die deutsche Regierung hat sehr bewusst und aus guten Gründen darauf verzichtet, einen Provisionsdeckel oder sogar ein Provisionsverbot in ihre Agenda aufzunehmen. Die entstehende Beratungslücke bei weiten Teilen der Bevölkerung wäre immens und kann nicht gewünscht sein.“
Im Gegenteil gehörten auf die Agenda „unbedingt“ Schritte zu mehr Anreizen, sich zu Risikovorsorge und Altersabsicherung unabhängig beraten zu lassen – „und nicht ein Abschneiden der Mittelschicht und der unterer Einkommensgruppen von der dringend notwendigen individuellen Beratung“, so das Fazit von Wirth.
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