- Von Lorenz Klein
- 17.02.2023 um 13:54
Pfefferminzia: Seit dem 1. August 2022 muss jede Berufsausübungsgesellschaft – egal welcher Rechtsform – eine eigene Berufshaftpflichtversicherung haben. Im Vorfeld kritisierten Sie die Versicherer, weil die „durchgreifende Umgestaltung“ der Pflichtversicherung „wenig geglückt“ sei. Wie stellt sich die Situation heute dar: Haben sich Ihre Sorgen in puncto Berufshaftpflichtversicherung zerstreuen können?
Martin Diller: Es ist in der Tat so, dass die führenden Berufshaftpflichtversicherer die Chance nicht genutzt haben, anlässlich des Systemwechsels – sprich: Versicherungspflicht nunmehr auch für alle Sozietäten selbst, nicht nur für die einzelnen Berufsträger – die veralteten, unübersichtlichen und schwer verständlichen Bedingungswerke zu modernisieren. Weder hat man die Bedingungswerke von überholten Vorschriften entrümpelt noch hat man die Übersichtlichkeit verbessert. Für Außenstehende ist das schwer zu verstehen, weil für die Versicherer dadurch natürlich das Risiko steigt, dass die Gerichte im Streitfall einzelne Klauseln schlicht wegen „Intransparenz“ für unwirksam erklären.
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Welche Regelungen in den Tarifwerken der Versicherer sollten Sozietäten besondere Aufmerksamkeit schenken, Stichwort: Fallstricke im Dickicht der allgemeinen Versicherungsbedingungen (AVB)?
Die gefährlichste Lücke im Versicherungsschutz, nämlich die klassische „Sozienklausel“ mit der dort angeordneten Durchschnittsdeckung, ist obsolet geworden, weil sich nunmehr ja alle Sozietäten auch selbst versichern müssen. Nach wie vor enthalten die AVB aber gefährliche Deckungslücken. Besonders gefährlich ist die Klausel, wonach die Versicherung nur die berufstypische Tätigkeit abdeckt – versichert ist also nicht alles, was der Rechtsanwalt für seine Mandanten auftragsgemäß macht, sondern nur dasjenige, was zum klassischen anwaltlichen Berufsbild zählt.
Inwiefern ist das problematisch?
Nun, dieses Berufsbild entwickelt sich ständig weiter – was wiederum ständig neue Fragen nach dem Umfang der versicherten Tätigkeit aufwirft. Im Moment sind hier beispielsweise Treuhandtätigkeiten, die ein Rechtsanwalt für seinen Mandanten übernimmt, besonders kritisch zu sehen. Ähnliches gilt für die Entwicklung von Legal-Tech-Tools oder Tätigkeiten des Anwalts als Ombudsmann für Beschwerde- und Hinweisgebersysteme oder als externer Datenschutzbeauftragter et cetera. Im Zweifelsfall empfiehlt sich hier eine individuelle Abstimmung mit dem Haftpflichtversicherer.
Die bedarfsgerechte Versicherungssumme richtig einzuschätzen, dürfte viele Sozietäten überfordern. Welches Vorgehen schlagen Sie hier vor und bei wem sollten sich Anwälte Rat einholen?
Die benötigte Versicherungssumme richtig einzuschätzen, ist schwierig. Es gibt leider keine Experten, die man befragen könnte – auch die Versicherer helfen nicht weiter. Das Problem liegt darin, dass der Gegenstandswert (Streitwert) oft mit dem Haftungsrisiko nichts zu tun hat. In einem berühmten Fall entstand ein Schaden von 463.763 D-Mark, weil der Rechtsanwalt versäumt hatte, bezüglich einer Forderung von lediglich 62,19 D-Mark einen Offenbarungseidstermin zu verlegen (BGH, NJW 1974, 134).
Letztlich kann man den Kollegen nur raten, sich einfach einmal eine Stunde Zeit zu nehmen und anhand der laufenden Akten zu überlegen, welche Risiken konkret bei welchen möglichen Fehlleistungen drohen. Dann erhält man schnell ein Gefühl dafür, wie die Haftpflichtversicherungssumme bemessen sein sollte.
Zur Person:
Martin Diller ist Fachanwalt für Arbeitsrecht und seit 1996 Partner bei der Rechtsanwaltskanzlei Gleiss Lutz. Diller berät Mandanten im gesamten Arbeitsrecht, insbesondere im Betriebsverfassungsrecht, Tarifvertragsrecht sowie bei Restrukturierungen und Outsourcing. Ein besonderer Schwerpunkt ist die betriebliche Altersversorgung.2014 wurde er in den Fachausschuss Arbeitsrecht der Arbeitsgemeinschaft für betriebliche Altersversorgung (aba) berufen. Seit 2016 ist Martin Diller Honorarprofessor an der Universität Würzburg.
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