- Von Lorenz Klein
- 28.03.2023 um 13:00
Wird ein Handelsvertreter nach seiner Kündigung zu erheblichen Rückzahlungen verpflichtet, dann könnten ihn solche Vereinbarungen zumindest mittelbar von einer Kündigung abhalten. Warum das problematisch sei, erläutert der Rechtsanwalt Tobias Strübing von der Kanzlei Wirth Rechtsanwälte auf Basis eines aktuellen Urteils des Bundesgerichtshofs (BGH). Das Urteil betreffe auch Handelsvertreter der Finanz- und Versicherungsbranche, so der Hinweis Strübings, da seine Kanzlei immer wieder ähnliche Vereinbarungen in deren Verträgen sehe.
Wie der BGH in einer aktuellen Entscheidung vom 19. Januar 2023 (Geschäftszeichen VII ZR 787/21) entschieden hatte, sah das Gericht im vorliegenden Fall eine „mittelbare Kündigungserschwernis“, wie Strübing berichtet. Diese verstoße gegen Paragraf 89 a Absatz 1 Satz 2 HGB und sei damit unwirksam. Aber der Reihe nach.
Was war geschehen?
Der Handelsvertreter eines Möbelunternehmens erhielt als Vergütung für seine Tätigkeit pauschale Provisionsvorschüsse. Zunächst war vereinbart, dass die Vorschüsse mit den tatsächlichen von dem Handelsvertreter erwirtschafteten Provisionen verrechnet würden. Allerdings schaffte es der Mann nicht, diese Vorschüsse mit den verdienten Provisionen auszugleichen. Bei Beendigung des Vertrages betrug der Saldo fast 55.000 Euro zulasten des Handelsvertreters. Schon während der Vertragslaufzeit wurde vereinbart, dass der Saldo als Darlehen gewährt und mit 3,5 Prozent per anno verzinst würde – und mit Beendigung des Handelsvertretervertrages in voller Höhe zurückgezahlt werden muss.
Das Unternehmen verklagte den Vertreter nun auf Rückzahlung des Darlehens nebst Zinsen. Das Landgericht wies die Klage ab, das Oberlandesgericht gab der Klage statt. Der Fall landete schließlich vor dem Bundesgerichtshof.
Das Urteil
Der BGH gab dem Handelsvertreter zumindest vorläufig Recht. Die Richter führten aus, dass jede Partei das Recht zu einer fristlosen Kündigung habe und dieses Recht auch nicht mittelbar eingeschränkt werden dürfe. Hierbei handele es sich, so der BGH, um eine „Schutzvorschrift des im Allgemeinen wirtschaftlich schwächeren Handelsvertreters“. Dieser werde mittelbar von einer Kündigung abgehalten, wenn an die Kündigung schwere Nachteile geknüpft würden, wie beispielsweise erhebliche Zahlungsverpflichtungen.
Daran ändert sich laut BGH auch nichts, wenn die Parteien wegen der Rückforderungen ein Darlehen geschlossen haben. Diesem Darlehen lag demnach kein konkreter Kreditbedarf des Handelsvertreters zugrunde, so dass es der ursprünglichen Abrede – sofortige Rückzahlung – gleichzustellen war.
Rechtliche Einordnung
„Der BGH geht sogar noch weiter“, kommentiert Rechtsanwalt Tobias Strübing das Urteil. Denn: Sofern eine unzulässige Kündigungserschwernis vorliegt, führt dies nicht nur zur Unwirksamkeit der Regelung, dass das Darlehen mit Beendigung des Handelsvertretervertrages sofort zur Rückzahlung fällig wird. Mehr noch: Der Handelsvertreter muss das Darlehen dann überhaupt nicht zurückzahlen. Der BGH verwies die Sache wieder zurück an das Oberlandesgericht. Dieses soll klären, ob die finanziellen Nachteile so schwer wiegen, dass eine unzulässige Kündigungserschwernis vorliegt.
„Bemerkenswert ist auch noch ein weiterer vom BGH in dem Urteil am Rande entschiedener Aspekt“, fährt Anwalt Strübing fort. „Danach steht ein vom Handelsvertreter geltend gemachtes, aber vom Unternehmer noch nicht erfülltes Buchauszugsbegehren, der Fälligkeit der Forderung auf Rückzahlung des Provisionsvorschusses entgegen.“ Kurzum: Dem Unternehmer steht wegen der Provisionsrückforderung kein Zurückbehaltungsrecht zu. Vielmehr sei er wegen des Buchauszuges vorleistungspflichtig, so Strübing. Denn: Anhand der Angaben im Buchauszug soll der Handelsvertreter prüfen können, ob die Provisionsrückforderung überhaupt berechtigt ist.
„Handelsvertreter sollten solche Forderungen nicht einfach hinnehmen“
Der BGH bleibe damit seiner bisherigen Rechtsprechung und der Rechtsprechung der Instanzengerichte treu, so der Anwalt weiter – und gibt abschließend zu bedenken: „Wir erleben es häufig, dass in Handelsvertreterverträge der Finanz- und Versicherungsbranche ähnliche Vereinbarungen enthalten sind.“
Hier müsse dann immer im Einzelfall geprüft werden, ob diese Forderungen berechtigt seien. „In jedem Fall sollten Handelsvertreter solche Forderungen nicht einfach hinnehmen, sondern erst einmal einen Buchauszug einfordern und am besten rechtlich prüfen lassen“, empfiehlt der Rechtsexperte. Bestehe ein Unternehmen gleichwohl auf die Bezahlung, dann könne darin durchaus auch ein Grund zu einer fristlosen Kündigung gesehen werden, so Strübing.
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