- Von Karen Schmidt
- 20.04.2023 um 10:10
Im Koalitionsvertrag haben die Ampel-Parteien festgelegt, dass sie Pflegebedürftige finanziell entlasten wollen. Einen Vorschlag, wie das gelingen kann, hat nun ein von der PKV eingesetztes, unabhängiges und interdisziplinäres Gremium erarbeitet.
Vor allem widmet sich das Gremium mit der „Pflege-Plus-Versicherung“ dabei den hohen Eigenanteilen bei den Pflegekosten im stationären Bereich. Dieser einrichtungseinheitliche Eigenanteil (EEE) liege mittlerweile bei über 1.200 Euro im Bundesdurchschnitt – Pflegebedürftige müssen ihn aus eigener Tasche zahlen.
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Im Koalitionsvertrag hat die Ampel vereinbart zu prüfen, wie die soziale Pflegeversicherung um eine „paritätisch finanzierte Vollversicherung“ ergänzt werden kann, die „die Übernahme der vollständigen Pflegekosten umfassend absichert“. Der Experten-Rat hat nun einen entsprechenden Vorschlag erarbeitet. Wichtigster Bestandteil: die Eigenanteile an den Pflegekosten sollen im Kapitaldeckungsverfahren und nicht im Umlageverfahren finanziert werden.
Das sind die Eckpunkte des Vorschlags:
- Einführung einer obligatorischen, kapitalgedeckt finanzierten Zusatzversicherung („Pflege-Plus“) verknüpft mit einem Annahmezwang für die Versicherungsunternehmen (ohne individuelle Gesundheitsprüfung und ohne Vertriebsprovision). Die Kalkulation enthält eine automatische Dynamisierung zur Inflationssicherung, Kinder sind beitragsfrei versichert, Rentner zahlen nur den halbierten Beitrag.
- Versichert sind die beim Pflegebedürftigen verbleibenden pflegebedingten Eigenanteile im Pflegeheim – bis auf einen Selbstbehalt von 10 Prozent.
- Der Beitrag liegt rechnerisch bei rund 39 Euro pro Monat für das Einstiegsalter von 20 Jahren, rund 48 Euro für 40-Jährige (bei Arbeitnehmern jeweils zur Hälfte paritätisch vom Arbeitgeber bezahlt).
Prof. Dr. Christine Arentz von der Technischen Hochschule Köln begründete die Entscheidung für die Kapitaldeckung damit, dass eine Stärkung des Umlageverfahrens zu „unsystematischen Umverteilungswirkungen zwischen den Generationen“ führen würde. Denn damit würden die heute Jüngeren auch für Personen bezahlen, die bereits selbst vorgesorgt haben und das Pflegerisiko finanziell aus eigenen Mitteln stemmen könnten – was immerhin rund zwei Drittel aller Pflegebedürftigen seien.
Der Beitrag in einem privaten Versicherungsmodell sei fair, so Professor Dr. Thiess Büttner von der Universität Erlangen-Nürnberg, weil „die gezahlten Prämien den erwarteten Leistungen“ entsprechen. Mit heute 4,3 Millionen Verträgen würden die heutigen freiwilligen Pflegezusatzversicherungen aber zu wenig genutzt. Das liege an einer Unterschätzung des Langfrist-Risikos Pflege, so Büttner.
Unsicherheit führt zu Aufschub
Das sieht auch Constantin Papaspyratos vom Bund der Versicherten ähnlich. Außerdem müsse man beim Abschluss einer Versicherung als 20-Jähriger ein Risiko absichern, dass in der Regel erst rund 65 Jahre später eintrete. Diese Unsicherheit führe häufig zu einem Aufschub des Versicherungsabschlusses.
Einen weiteren Vorteil einer Versicherungslösung nannte Professor Dr. Christian Rolfs von der Uni Köln. Denn hier seien die Rücklagen der Versicherten vor fremdem Zugriff geschützt – ein Kapitalstock unter dem Dach der Sozialversicherung könne dagegen zweckentfremdet werden.
Dr. Florian Reuther, Direktor des PKV-Verbands dankte dem Experten-Rat für den Vorschlag und betonte: „Es muss jetzt schnell gehandelt werden. Die angekündigte Pflegereform des Bundesgesundheitsministers liefert keine Lösung für eine dauerhafte Finanzierung der Pflege und wird das Problem langfristig sogar verschärfen.“
Hintergrund: Der Experten-Rat besteht aus: Prof. Dr. Jürgen Wasem von der Universität Duisburg-Essen, Prof. Dr. Christine Arentz von der Technischen Hochschule Köln, Professor Dr. Thiess Büttner von der Universität Erlangen-Nürnberg, Constantin Papaspyratos vom Bund der Versicherten, Professor Dr. Christian Rolfs, Universität zu Köln.
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