Senior bei der Arbeit: Hohe Abgaben auf Zuverdienste © picture alliance / Panama Pictures | Dwi Anoraganingrum
  • Von Andreas Harms
  • 09.06.2023 um 11:07
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lesedauer Lesedauer: ca. 02:10 Min

Der Staat hätte gerne, dass auch vorzeitige Rentner noch arbeiten gehen – weshalb er die Zuverdienstgrenze in diesem Jahr abschaffte. Doch das wird die Schäden durch die Rente mit 63 nicht ausgleichen, stellen zwei Volkswirte vom Institut der deutschen Wirtschaft fest. Schuld daran sind die hohen Abgaben auf den Zuverdienst.

Die weggefallene Hinzuverdienstgrenze wird den Fachkräftemangel in der deutschen Wirtschaft kaum bis gar nicht lindern. Zum dem Schluss kommen die Volkswirte Martin Beznoska und Ruth Maria Schüler vom Institut der deutschen Wirtschaft.

Schon jetzt hätten nur wenige Menschen die Chance genutzt, sich zur Rente nennenswerte Beträge hinzuzuverdienen, meinen die Wissenschaftler. Wer das ohnehin schon macht, wird damit fortfahren. Wer aber vor der Regelaltersgrenze mit Abschlägen in Rente geht – wird auch jetzt nicht wieder anfangen im größeren Ausmaß weiterzuarbeiten. Stattdessen bleibt für solche Leute der Minijob die bessere Alternative, heißt es in einer Analyse.

Hintergrund: Anfang dieses Jahres fiel die sogenannte Hinzuverdienstgrenze für vorgezogene Rentner weg. Seitdem kann auch jeder, der vorzeitig und mit Abschlägen in Rente geht, anschließend unbegrenzt Geld hinzuverdienen. Ohne dafür mit Rentenabzug bestraft zu werden. Die Bundesregierung wollte damit auf den Fachkräftemangel reagieren und Rentner dazu bewegen, doch noch weiterzuarbeiten.

Bis 2019 betrug die Hinzuverdienstgrenze noch 6.300 Euro pro Jahr. 2020 explodierte sie als Reaktion auf die Coronakrise regelrecht auf 44.590 Euro und stieg 2022 weiter auf 46.060 Euro.

Allein, es hilft dem Arbeitsmarkt nicht. Und das liegt nicht etwa an den Rentenabzügen, sondern an den hohen Abgaben, die Rentner auf ihr Zusatzeinkommen an den Staat abdrücken müssen. Knackpunkt ist der Umstand, dass bei Neurentnern seit 2023 der steuerliche Freibetrag nur noch 17 Prozent der gesetzlichen Jahresrente beträgt. So reizt allein die Grundrente mitunter den Grundfreibetrag der Einkommensteuer schon aus. Alles oben drauf ist also komplett steuerpflichtig.

Wie viel das ausmacht, haben Beznoska und Schüler anhand einiger Modellbeispiele ausgerechnet. Daraus picken wir uns vier heraus.

Single mit 15.000 Euro gesetzliche Rente und 25.000 Euro brutto Hinzuverdienst:
  • Nettoeinkommen ohne Zuverdienst: 13.328 Euro
  • Nettoeinkommen mit Zuverdienst: 28.732 Euro
  • Einkommensaufschlag durch Zuverdienst: 15.405 Euro
  • Abgabenbelastung auf Zuverdienst: 38,4 Prozent
Single mit 25.000 Euro gesetzliche Rente und 75.000 Euro brutto Hinzuverdienst:
  • Nettoeinkommen ohne Zuverdienst: 20.757 Euro
  • Nettoeinkommen mit Zuverdienst: 62.180 Euro
  • Einkommensaufschlag durch Zuverdienst: 41.424 Euro
  • Abgabenbelastung auf Zuverdienst: 44,8 Prozent
Ehepaar (A arbeitet weiter, B noch nicht in Rente, aber in Teilzeit) mit 15.000 Euro gesetzliche Rente und 25.000 Euro brutto Hinzuverdienst für A und 20.000 Euro brutto für B:
  • Nettoeinkommen ohne Zuverdienst: 28.743 Euro
  • Nettoeinkommen mit Zuverdienst: 44.298 Euro
  • Einkommensaufschlag durch Zuverdienst: 15.556 Euro
  • Abgabenbelastung auf Zuverdienst: 37,8 Prozent
Ehepaar (beide in Rente, B arbeitet weiter) mit 25.000 Euro gesetzliche Rente für A und 25.000 Euro Rente plus 50.000 Euro brutto Hinzuverdienst brutto für B:
  • Nettoeinkommen ohne Zuverdienst: 41.513 Euro
  • Nettoeinkommen mit Zuverdienst: 72.426 Euro
  • Einkommensaufschlag durch Zuverdienst: 30.913 Euro
  • Abgabenbelastung auf Zuverdienst: 38,2 Prozent

Beznoska und Schüler haben noch weitere Varianten durchgerechnet, die Studie finden Sie hier. Sie ziehen allerdings ein bitteres Fazit:

Wenn man vorzeitig in Rente geht, um mehr Freizeit zu haben, ist der Arbeitsanreiz wegen der hohen Abgabelast nicht sonderlich hoch. Selbst wenn die Rente selbst abschlagsfrei fließt. Jedenfalls sei die Zahl der Menschen, die im Alter etwas hinzuverdienen, trotz der Maßnahmen nur gering. Und wer das macht, der geht über einen Minijob.

Wörtlich heißt es: „Die Neuregelung werde es nicht schaffen, die Schäden am Arbeitsmarkt, die durch die „Rente mit 63“ verursacht werden, auszugleichen.“

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Andreas

Andreas Harms

Andreas Harms schreibt seit 2005 als Journalist über Themen aus der Finanzwelt. Seit Januar 2022 ist er Redakteur bei der Pfefferminzia Medien GmbH.

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