Stephan Busch (links) und Tim Schreitmüller (rechts) von CoachMeNetto interviewen Menschen aus der Branche zum Thema Honorarberatung. Dieses Mal: Anja Glorius. © CoachMeNetto/KVoptimal,de
  • Von Redaktion
  • 20.06.2023 um 09:48
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Für die Interview-Reihe „Mit Vision – Über die Lage der Honorarberatung“ luden Stephan Busch und Tim Schreitmüller dieses Mal Anja Glorius zum Gespräch. Sie ist Fachwirtin für Versicherungen und Finanzen und seit zehn Jahren Geschäftsführerin des Maklerunternehmens KVoptimal.de GmbH.

Wofür gibst du gern Geld aus?

Anja Glorius: Für allen möglichen Unsinn vermutlich. In jedem Fall achten wir vor allem bei Lebensmitteln und Essen wenig auf Ausgaben. Als mein Mann vor neun Jahren aus dem Studium kam, war das einer seiner ersten Wünsche: „Beim Essen nicht mehr aufs Geld achten zu müssen“.

Wenn du dich in die Rolle des Endkunden versetzt: Was bevorzugst du, die Provisions- oder die Honorarberatung?

Die Honorarberatung. Kunden wählen bei uns die Honorarberatung, um sicher zu sein, dass wir ohne Interessen am finanziellen Fluss beraten. Natürlich beraten wir so oder so frei von wirtschaftlichen Ergebnissen und sind unabhängig, aber für den Kunden ist es aus seiner Sicht mit einem Honorar sicherer.

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Wenn man nachweislich als Maklerin oder Makler auch Honorare in Rechnungen stellen darf (Grundsatz der Privatautonomie), steht im Vordergrund, dass die Kundschaft keinen Anlass hat, später zu sagen „Wenn ich das gewusst hätte, dann wäre ich damit nicht einverstanden gewesen”. Wie kann man diesen Sachverhalt in der Praxis am besten angehen?

Für uns ist Klarheit und Transparenz wichtig, frei nach dem Motto „Weil einfach einfach einfach ist“. Wir habe ein klares Leistungsportfolio für unsere Leistungsbereiche. Unsere Kunden erhalten dieses vorab und wissen immer ganz konkret, was sie von unseren Mitarbeitenden erwarten dürfen.

Ein oft angebrachtes Argument von Vermittlern lautet: „Ich kann und werde die Transformation zur Honorarberatung aufgrund meiner bestehenden Mandate und den damit verbundenen Bestandscourtagen nicht umsetzen können, weil ich dann die Bestandscourtagen nicht mehr verdienen darf“. Welche Meinung vertrittst du diesbezüglich?

Halte ich als Nicht-Juristin für Unsinn. Wir leben es in der Praxis seit zehn Jahren erfolgreich. Die originären Makleraufgaben bei Bruttoprodukten erledigen wir entsprechend. Benötigt der Kunde drumherum Dienstleistung, zahlt er dafür.

Ein Gegenargument der Honorarberatung ist häufig, dass sie sich nur wohlhabende Personen leisten können und Personengruppen mit geringem Einkommen keinen Zugang zu dieser Dienstleistung haben. Stimmt das in deinen Augen?

Man sieht im Vergleich mit anderen Ländern, dass eine ausschließliche Honorarberatung einkommensschwache Bürgerinnen und Bürger von der Beratung abschneidet. Durch technologischen Fortschritt rechnen wir in den kommenden Jahren aber mehr denn je damit, dass sie einfache Versicherungen von großen Playern am Markt erhalten werden und so vermutlich von uns als Versicherungsmaklern eher spezielle Policen bekommen werden – sprich spezielle Beratung vom Profi für die relevanten Themen wie Altersvorsorge, Arbeitskraftabsicherung und PKV. Diese Bereiche tangieren mehr denn je einkommensstarke Familien, die sich ein entsprechendes Honorar leisten können und heute teilweise schon wollen.

Es scheint nämlich unbestritten zu sein, dass der Mittelstandsbauch verschwindet und die Einkommensverteilung mehr denn je einer Sanduhr gleicht. Durch Vermittler-Vergreisung werden sich die verbleibenden Vermittlerinnen und Vermittler am Ende den oberen Einkommensbereich mit starken Einkommen aufteilen. Heute hat einkommensschwach zu sein aber auch oft mit Bildung zu tun und wir erleben, dass die einkommensschwache Gruppe schon heute nur Geld für existenzielle Policen wie KFZ, Privathaftpflicht und vielleicht noch eine kleine Zusatzversicherung hat. In diesen Einkommensbereichen gibt es heute schon wenig Geld für Altersvorsorge und Arbeitskraftabsicherung.

Derzeit buhlen alle um die Gunst der Besserverdienenden

Inwiefern könnte die unternehmerische Freiheit und Verantwortung jedes einzelnen Vermittlers auch dazu führen, dass es Beratungskonzepte gegen Honorar für Personengruppen mit geringem Einkommen gibt? Würde eine Spezialisierung von Vermittlern auf die Belange von Personengruppen mit geringem Einkommen Sinn ergeben?

Derzeit buhlen alle um die Gunst der Besserverdienenden. Der eine fischt bei Anwärtern und Studenten, um sich die künftig hohe Einkommensklasse zu sichern, der andere steigt direkt mit dem Unternehmer oder Angestellten über die Jahresarbeitsentgeltgrenze ein. Für Vermittler kann es sinnvoll sein, eine ganz andere Marktposition einzunehmen und durch standardisierte und automatisierte Prozesse vermeintlich kleine Einkommensgruppen zu gewinnen und damit Umsatz zu generieren. Man kann Beratungen bündeln oder sie mit technischen Mitteln als Kurs aufzeichnen und freigeben. Letztlich sind die Möglichkeiten unbegrenzt, wenn man nur will.

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