- Von Karen Schmidt
- 30.08.2023 um 15:49
Es ist zwar die erste Anpassung nach mehr als 20 Jahren, trotzdem dürften Tierbesitzer nicht allzu glücklich sein mit der neuen Gebührenordnung für Tierärzte (GOT). Denn: Durch die Angleichung sind viele Behandlungen seit November 2022 teurer geworden. Zum Teil sogar deutlich teurer. Laut einer Übersicht des Vergleichsportals Check24 müssen insbesondere Katzenbesitzer tiefer in die Tasche greifen, weil ihre Behandlungskosten beim Tierarzt an die von Hunden angeglichen wurden.
So stieg der Gebührensatz für das Anlegen eines Verbandes (schwierig) von 7,71 Euro auf 34,50 Euro. Das entspricht einem Plus von 347 Prozent. Eine allgemeine Untersuchung mit Beratung wurde um 163 Prozent teurer. Aber auch Hundebesitzer müssen nun mehr zahlen. So legten die Gebühren für eine gelenkorthopädische Operation (Arthroskopie) laut Check24 von 128,27 Euro auf 274,28 Euro zu – also um 114 Prozent. Die Kastration bei Pferden ist jetzt gut dreimal so teuer wie bisher.
„Die Veränderung der GOT ist überfällig, aber sie ist natürlich zu einem denkbar ungünstigen Zeitpunkt für viele Kunden gekommen“, sagt Versicherungsmakler Martin Markowsky, der sich mit seiner Firma Dogvers auf die Absicherung von Hunden und Katzen spezialisiert hat. „Denn die Kosten sind ja in allen Bereichen gestiegen, und jetzt kommen noch höhere Ausgaben beim Tierarzt hinzu.“ Das merkt der Makler auch in der Beratung, erzählte er uns jüngst in einem Interview für unseren Podcast „Die Woche“. Früher habe er etwa bei wenig anfälligen Hunderassen auch mal eine reine Tier-OP-Versicherung empfohlen. Jetzt ende die Beratung zu 80 bis 90 Prozent mit dem Abschluss einer Tierkrankenversicherung, bei der die OP-Versicherung mit dabei ist.
Vom Nischenmarkt zum lukrativen und zugleich wettbewerbsintensiven Massenmarkt
Ähnliches beobachtet auch das Marktforschungs- und Beratungsinstitut Heute und Morgen. Für die Studie „Customer Journey zur Tierkrankenversicherung“ befragten die Forscher einerseits Hunde- und Katzenhalter, die in den vergangenen zwölf Monaten eine Tierkrankenversicherung neu abgeschlossen oder ihren Anbieter gewechselt haben, und andererseits Hunde- und Katzenbesitzer, die sich in dieser Zeit zumindest zu dem Produkt informiert haben.
Der häufigste Auslöser, sich erstmalig mit dem möglichen Abschluss einer Tierkrankenversicherung oder einer Tier-OP-Versicherung auseinanderzusetzen, ist demnach die Angst der Kunden vor hohen Tierarztkosten (48 Prozent). Die bereits versicherten wechselwilligen Haustierbesitzer treibt hingegen überwiegend die Suche nach besseren und kostengünstigeren Angeboten an (42 Prozent). „Tierkrankenversicherungen entwickeln sich schrittweise vom Nischenmarkt zu einem lukrativen, zugleich wettbewerbsintensiven Massenmarkt“, sagt Michaela Brocke, Geschäftsführerin bei Heute und Morgen.
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Aktuelle Zahlen aus der Haustierbranche unterstreichen das. Laut dem Zentralverband Zoologischer Fachbetriebe leben mehr als 30 Millionen Katzen, Hunde und Kleintiere in deutschen Haushalten. Am beliebtesten sind Katzen (15 Millionen) und Hunde (11 Millionen). „Das Marktpotenzial ist hoch, denn aktuell verfügen 44 Prozent der Pferde-, 30 Prozent der Hunde- sowie 23 Prozent der Katzenbesitzer über eine Tier-OP- oder -krankenversicherung“, sagt Felix Garlipp, Produkt- und Portfoliomanager der Uelzener Versicherungen, die sich auf die Absicherung von Tieren spezialisiert hat und in diesem Jahr ihr 150. Bestehen feiert. „Generell gibt es eine stärkere Nachfrage, insbesondere bezüglich der Tierkrankenversicherung. Zudem gehen viele Bestandskunden von einer OP- zur Tierkrankenversicherung über“, berichtet der Fachmann.
Und während sich 93 Prozent der Verbraucher vor Abschluss einer Police im Internet informieren, steigt die Abschlussneigung, wenn sie Kontakt mit Versicherungsvertretern, Maklern und Versicherungsgesellschaften haben, zeigt die Heute-und-Morgen-Studie. Sowieso ist es eine gute Idee, sich zum Thema beraten zu lassen, denn es gibt Stolpersteine, die sich bei der reinen Online-Recherche eben nicht offenbaren. „Im Bereich der Operations- und Krankenversicherung sollten Tierhalter grundsätzlich darauf achten, ihren Vierbeiner frühzeitig zu versichern, um Ausschlüsse etwa durch Vorerkrankungen zu vermeiden. Denn junge Tiere sind in der Regel auch gesunde Tiere“, sagt Uelzener-Mann Garlipp. Zudem sei es wichtig, das individuell passende Versicherungspaket zu finden. Garlipp: „Das kann für bestimmte Rassen von großer Bedeutung sein, beispielsweise bei Hunden oder Katzen mit sogenannten rassespezifischen Erkrankungen oder Erberkrankungen.“
Makler Markowsky empfiehlt unbegrenzte Deckung – so weit das möglich ist
Dieser Meinung ist auch Martin Markowsky. „Ein gutes Beispiel ist hier etwa das brachycephale Syndrom – eine Deformation des Kopfes, heißt die platte Nase, die etwa beim Boxer, Mops oder der französischen Bulldogge auftritt. Wenn ich einen Toptarif bei einem Versicherer abschließe, das Syndrom aber nicht versichert ist, habe ich bei diesen Hunderassen ein großes Problem.“ Markowsky spricht sich auch dafür aus, so weit möglich eine unbegrenzte Deckung oder zumindest eine mit sehr hohen Limits zu vereinbaren. Bei vielen eher günstigen Tarifen sei die Gesamtleistung pro Jahr zum Beispiel bei 2.000 Euro gedeckelt. „Das klingt erst mal nach viel Geld, ist mit der neuen GOT heutzutage aber echt schnell erreicht“, warnt der Profi.
Was sich die Kunden an Leistungen besonders bei Tierkrankenversicherungen und Tier-OP-Versicherungen wünschen, sind laut Heute-und-Morgen-Umfrage vor allem die unbegrenzte Deckung von OP-Kosten inklusive Voruntersuchungen und Nachbehandlungen, die Übernahme auch hoher GOT-Sätze bis zum vierfachen Satz sowie stabile Beiträge im Tieralter und die freie Wahl von Tierärzten oder Tierkliniken. Nur einem Teil sei der Versicherungsschutz auch im Ausland oder eine Kostenübernahme beim erforderlichen Einschläfern der Tiere wichtig.
Seite 2: Nicht nur nach dem günstigsten Preis zu schauen / Treibt nun die GOT auch die Prämien rauf?
Karl Eberhardt
Vor 1 Jahr“Trotzdem dürfte eine Tierversicherung aber noch deutlich günstiger sein als der Gang zum Tierarzt mehrmals im Jahr.”
Bedeutet das, dass versicherte Tiere nicht mehr zum Tierarzt müssen?
Und ernsthaft, ein Geschäftsmodell, bei dem die Beiträge der Versicherung deutlich günstiger sind als die möglichen Kosten, dürfte nicht langfristig erfolgreich sein.
1 Kommentare
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kommentierenKarl Eberhardt
Vor 1 Jahr“Trotzdem dürfte eine Tierversicherung aber noch deutlich günstiger sein als der Gang zum Tierarzt mehrmals im Jahr.”
Bedeutet das, dass versicherte Tiere nicht mehr zum Tierarzt müssen?
Und ernsthaft, ein Geschäftsmodell, bei dem die Beiträge der Versicherung deutlich günstiger sind als die möglichen Kosten, dürfte nicht langfristig erfolgreich sein.