Nigel Dunne ist Geschäftsführer von Standard Life International. © Standard Life International
  • Von Oliver Lepold
  • 23.01.2024 um 13:09
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Nigel Dunne, Geschäftsführer von Standard Life International, beurteilt, inwieweit sich die Folgen eines Provisionsverbots vom britischen auf den deutschen Markt übertragen lassen und wie sich Standard Life nach der Übernahme durch die Phoenix Gruppe auf dem Markt positioniert hat.

Pfefferminzia: Wie geht der britische Markt mit der Beratungslücke für mittlere und untere Einkommensbezieher um, die sich dort nach Einführung eines Provisionsverbots für Altersvorsorgeprodukte entwickelt hat?

Nigel Dunne: Die Lücke gibt es und sie vergrößert sich. Die Berater haben ihren Kundenstamm kategorisiert und ein Beratungsangebot für das obere Ende ihres Marktes entwickelt. Kunden, die es sich leisten können, für eine Beratung zu bezahlen, finden ein gutes Angebot. Am unteren Ende der Einkommens- beziehungsweise Vermögensskala hingegen werden viele Kunden nicht mehr bedient. Der Markt hat dafür noch keine wirklich effektive Lösung gefunden. Digitale Direktangebote für Verbraucher waren bislang nicht sehr erfolgreich. Die Aufsichtsbehörden denken nun an eine Lösung mit einer abgespeckten Beratung und damit einem hoffentlich geringerem Regulierungsaufwand, zum Beispiel für Massenprodukte. Der durchschnittliche Kunde in Großbritannien braucht keine komplizierte Beratung, die meisten Angestellten fallen in das System der verpflichtenden betrieblichen Altersversorgung. Dieses „auto enrolment“ ist recht einfach und leicht zu handhaben, die Opt-out-Lösung wird nur selten genutzt.

Die EU-Strategie für Kleinanleger könnte zu einem Verbot von Provisionen für Vermittler von Versicherungsanlageprodukten führen. Wird sich der Markt in Deutschland in diesem Fall so entwickeln wie in Großbritannien?

Dunne: Ich vermute, dass sich der deutsche Markt im Falle eines Provisionsverbotes ähnlich entwickeln könnte. Um ehrlich zu sein, war die Angst vor der Veränderung bei Beratern in Großbritannien schlimmer als die tatsächliche Veränderung. Die meisten Berater hatten ihre Geschäftsmodelle bereits angepasst und waren viel mehr auf die Beratung als auf den Produktverkauf ausgerichtet. Also begannen sie, ein Dienstleistungsangebot für ihre Kunden zu entwickeln, um das „Advisor Charging“ zu unterstützen. Dabei handelt es sich nicht um eine Provision, sondern um einen Prozentsatz des gehaltenen Vermögens für Investmentprodukte – oft eine Gebühr für die Einrichtung des Vertrags und eine weitere für die laufende Beratung. Für Absicherungs- und biometrische Produkte fällt nach wie vor eine Provision an.

Verdienen britische Berater heute weniger ohne Provisionen?

Dunne: Nein, das glaube ich nicht. Aber es sind nach der Konsolidierung weniger Berater übriggeblieben. Zudem wächst die Belastung durch die regulatorischen Vorgaben ständig. Es gibt jetzt mehr größere Maklerfirmen – in der Vergangenheit war die Branche ziemlich zersplittert. Viele kleine Makler haben sich zusammengeschlossen, um ein besseres Dienstleistungs- und Beratungsangebot zu entwickeln. Heute geht es nicht mehr darum, eine Vergütung zu erhalten, wenn die Transaktion abgeschlossen ist. Es geht darum, wie man laufende Gebühren für den Berater rechtfertigt. Berater brauchen dafür einen strukturierten Prozess der Finanzplanung und müssen den Kunden langfristig betreuen. Das scheint gut zu funktionieren. Die Berater, die dies konsequent umgesetzt haben, haben in den vergangenen Jahren profitiert. Sie schätzen, dass ihnen mehr Zeit für die Beratung bleibt und sie aufgrund der laufenden Gebühren ein sicheres und planbares Einkommen haben.

Viele Kunden halten derzeit ihr Geld zusammen. Was bedeutet das für Versicherer, ist ein Einbruch im Neugeschäft zu erwarten?

Dunne: Die Rahmenbedingungen bleiben wirtschaftlich und politisch schwierig. Die Aktienmärkte sind unverändert volatil. Aus kurzfristiger Perspektive kann es sinnvoll sein, die gestiegenen Zinssätze zu nutzen und das Geld für eine gewisse Zeit relativ risikofrei anzulegen. Mittel- bis langfristig ist es zielführend, auf ein ausgewogenes, breit diversifiziertes Portfolio zu setzen und dabei auch in risikoreichere Anlagen zu investieren. Unsere Produkte sind mittel- bis langfristig aufgestellt. Wir wollen auch 2024 europaweit einen beträchtlichen Zuwachs im Neugeschäft erzielen. Wir sehen keine Notwendigkeit, die Produktstrategie grundsätzlich zu verändern.

Welche Rolle spielt Standard Life in der Phoenix-Gruppe?

Dunne: Phoenix hat sich zunächst als Konsolidierer von Lebensversicherungsgesellschaften einen Namen gemacht. Das tun wir immer noch, aber die Strategie hat sich innerhalb der Gruppe in den vergangenen 24 Monaten radikal gewandelt, hin zu einem mehr traditionellen Lebensversicherer. Wir wollen sowohl neue Kunden gewinnen als auch diejenigen Kunden betreuen, die wir über andere Gesellschaften gewonnen haben. Wir haben in diesem Jahr große Fortschritte gemacht, zum Beispiel im Bereich der bAV oder bei Rentenversicherungen für Großkunden in Großbritannien. Die Marke Standard Life ist die treibende Kraft in all unseren Märkten für das Spar- und Ruhestandsgeschäft.

Wie hat sich Ihr Geschäft entwickelt und welche Zukunftspläne haben Sie für den deutschen Markt?

Dunne: Im irischen Markt sind wir sind der zweit- oder drittgrößte Anbieter und im britischen Markt der größte Anbieter von Spar- und Ruhestandslösungen. In Deutschland wollen wir wachsen. Uns hilft dabei, dass wir gerade im Bereich der Renten immer wettbewerbsfähiger werden. Wir prüfen, wie wir unser Angebot verbessern und ausbauen können. Wir bauen auch unsere hauseigene Vermögensverwaltung ständig aus. Unser europäisches Geschäft umfasst 30 Milliarden Euro an Vermögenswerten und rund 600.000 Kunden. Das ist global gesehen noch relativ klein, aber für europäische Verhältnisse recht groß. Wenn wir das mit dem Bestand von 11 Millionen Kunden in Großbritannien verbinden, bringt das große Vorteile. So können wir beispielsweise Fonds und Infrastruktur zu einem günstigeren Preis bekommen. Wir arbeiten an einer solideren und zukunftsfähigen IT-Plattform, die uns in die Lage versetzt, Lösungen der Gruppe schneller nach Deutschland zu bringen und zusätzlich einen besseren Kundenservice ermöglicht.

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Oliver Lepold

Oliver Lepold ist Dipl.-Wirtschaftsingenieur und freier Journalist für Themen rund um Finanzberatung und Vermögensverwaltung. Er schreibt regelmäßig für Pfefferminzia und andere Versicherungs- und Kapitalanlage-Medien.

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