Aufräumen in Koblenz nach dem Hochwasser zum Jahreswechsel: Mehr als jede zehnte Adresse ist dort gefährdet © picture alliance/dpa | Thomas Frey
  • Von Andreas Harms
  • 27.02.2024 um 13:32
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In einem Mediengespräch geht der Branchenverband GDV mit dem deutschen Hochwasserschutz hart ins Gericht und präsentiert neue Zahlen. Es geht um versäumte Prävention, viel zu viele Ausnahmen im Gesetz – und deutsche Kirchengebäude als Positivbeispiel. Pflichtversicherungen seien hingegen sinnlos.

Manchmal sollte man den Versichererverband GDV für seine Hartnäckigkeit einfach mal bewundern. Seit Jahren fordert er nimmermüde, dass die Deutschen endlich aufhören, neue Häuser in Überschwemmungsgebiete zu stellen. Doch es geschieht: nichts. Noch immer kommen jedes Jahr fast 1.500 neue Gebäude hinzu. „Die bauen weiter, als ob es den Klimawandel nicht gäbe“, wie die stellvertretende Hauptgeschäftsführerin Anja Käfer-Rohrbach in einem Anflug von Galgenhumor anmerkt.

Der ist bei den Akteuren inzwischen auch angebracht. Denn bei diesem Pressegespräch des GDV fühlt man sich fast wie in einer Zeitschleife gefangen. Fehlt nur noch der Radiowecker, der „I got you, babe“ von Sonny & Cher spielt. Dafür gibt es einige andere inzwischen bekannte Aussagen (die nur noch in Berlin und den Landeshauptstädten mal verfangen müssten): der bereits erwähnte geforderte Baustopp in Überschwemmungsflächen, Präventionsmaßnahmen vor Hochwasser, ein zentrales Naturgefahrenportal, Naturgefahrenausweis für Gebäude – um nur einige zu nennen.

Was dagegen überhaupt nicht hilft, ist laut GDV die Pflicht zur Versicherung. Denn die würde ja die Schäden nicht verhindern, sondern nur dafür sorgen, dass alle Versicherten zusammen sie bezahlen. Und solche Versicherungen würden auch nicht automatisch billiger, nur weil alle sie haben, bemerkt Oliver Hauner, Leiter Sach- und Technische Versicherung. Er könne einfach nicht verstehen, wie man auf diesen Gedanken kommt. Prämien richten sich nach Risiken, und die sind oft zu hoch.

Mehr Brandschutz anstatt Pflichtfeuerversicherung

Stattdessen zieht Hauner ein sehr gut passendes Gleichnis hervor: Die ausufernden Feuerschäden vor über hundert Jahren. Auch damals, zum Beispiel nach dem großen Brand in Chicago 1871, sei nicht etwa eine Pflicht zur Feuerversicherung der Ausweg gewesen. Stattdessen habe man den Brandschutz kräftig weiterentwickelt. Die Sprinkleranlage stammt übrigens aus dem Jahr 1874. Heute ist sie ganz selbstverständlich, ebenso wie die Brandschutztür.

Überhaupt zeigen sich Käfer-Rohrbach und Hauner gut in Form. Sie sprechen bildlich, zuweilen ironisch und mit einleuchtenden Parallelen. „Haben Sie in einem Überschwemmungsgebiet schon mal gesehen, dass die Kirche unter Wasser steht?“, fragt Hauner etwa. Das ist eher rhetorisch gemeint, denn die Antwort ist klar: Kirchen wurden immer so gebaut, dass sie eben nicht absaufen. Es funktioniert also.

An einer anderen Stelle hat er ein ganz spezielles Kleinod aus dem deutschen Recht parat. Denn laut Paragraf 78 Absatz 1 Wasserhaushaltsgesetz (WHG) ist es in Deutschland verboten, in „festgesetzten Überschwemmungsgebieten“ zu bauen. „Doch in Absatz 2 gibt es davon für jeden Geschmack eine Ausnahme“, schiebt Hauner nach. Wir haben übrigens mal nachgesehen: Es sind neun (!) Stück.

Neue Studie über Zahl der gefährdeten Adressen

Um das Thema besser greifbar zu machen, haben die GDV-Leute eine neue Studie mitgebracht. Dafür hat das Unternehmen VdS Schadenverhütung sämtliche Adressen in Deutschland auf Überschwemmungsgefahr hin untersucht und öffentliche Daten genutzt.

Darin hat Hauner einen interessanten Zusammenhang festgestellt: Ausgerechnet in jenen Ländern, die am lautesten nach der Pflichtversicherung rufen, stehen die relativ meisten Häuser in Gefahrenzonen.

Seite 2: „Das hört sich wenig an, ist aber genau dort, wo die großen Schäden passieren“

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Andreas Harms

Andreas Harms schreibt seit 2005 als Journalist über Themen aus der Finanzwelt. Seit Januar 2022 ist er Redakteur bei der Pfefferminzia Medien GmbH.

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