Annika Bergbauer (Wavestone) und Oliver Hein (Google Cloud) © Wavestone / Google
  • Von Redaktion
  • 02.07.2024 um 11:12
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Künstliche Intelligenz bietet auch für Versicherungen große Möglichkeiten. Nur können sie viele noch nicht richtig nutzen, wie Annika Bergbauer, Senior Managerin bei Wavestone, und der Leiter Versicherungen in Deutschland bei Google Cloud, Oliver Hein, in einer Studie ermittelt haben. Hier erklären sie, woran das liegt und auf welchen Gebieten es ganz besonders hakt.

Versicherungen hüten einen wertvollen Schatz: die Daten ihrer Kunden. Denn in kaum einer anderen Branche verfügen Unternehmen über so viele Kundeninformationen wie in der Assekuranz. Gleichzeitig ist der Anteil repetitiver Tätigkeiten im Versicherungswesen besonders hoch. Die Mitarbeitenden verbringen beispielsweise viel Zeit damit, Informationen aus Dokumenten herauszusuchen oder E-Mails zu beantworten. Das kostet Zeit, Geld und Nerven.

Große Datenmengen und reichlich Automatisierungspotenzial: Die Assekuranz ist wie geschaffen für künstliche Intelligenz (KI), deren Geschäftsmodelle auf Daten beruhen und die Standardprozessen folgen. Nur scheinen die Versicherer den Wert ihres Schatzes und das Potenzial noch nicht heben zu können. Gerade weil 41 Prozent der Unternehmen in Deutschland und Österreich noch keine eigene Datenstrategie entwickelt haben, können sie das Potenzial von KI & Daten nicht voll ausschöpfen. Das ergab eine aktuelle Umfrage von Wavestone und Google Cloud. Woran liegt das? Und wie können die Unternehmen das ändern?

Verfluchter Datenschatz

Die größten Herausforderungen sehen die Versicherer laut Umfrage in der IT-Architektur und der mangelnden Datenqualität. Vier von zehn Unternehmen nennen diese beiden Aspekte als Hauptursachen dafür, dass ihre KI-Projekte ins Stocken geraten. Zusätzlich zu den eigenen Daten binden die Versicherer auch externe Daten ein, zu jeweils 76 Prozent handelt es sich dabei meist um Geo- oder Wetterdaten. Jeder dritte Versicherer setzt zudem auf ESG-Daten. Dies ist jedoch darauf zurückzuführen, dass die Reporting-Pflichten beim Thema Nachhaltigkeit strenger geworden sind.

Daten aus innovativen Quellen wie beispielsweise Social Media (29 Prozent), Sensoren (29 Prozent) oder Wearables und mobilen Endgeräten (12 Prozent) lassen dagegen die wenigstens Versicherer in ihre Entscheidungen einfließen. Dabei sind das zwar jene Bereiche, in denen sich das Datenvolumen durch die starke Vernetzung von immer mehr Verbrauchergeräten wie Fahrzeugen, Smart Speakern, Fitnesstrackern oder Smartphones weiter erhöht, aber die Regulatorik schiebt oft einen Riegel vor die Nutzung dieser Daten. Viele Versicherer tun sich schwer mit der Umsetzung von Anwendungsfall-MVPs als neuen Standard. Wo liegt das Problem?

Oft fehlen Fachkräfte und Strategie

Wie viele andere Branchen leiden auch Versicherer unter dem Fachkräftemangel. Es fehlt an Know-how, aber auch an guten Datengrundlagen und finanziellen Mitteln. So beklagen laut Umfrage jeweils 29 Prozent der Befragten fehlende Datenexpertise und -strategien sowie mangelnde Datenverfügbarkeit. Auch fehlendes technisches Wissen (24 Prozent) stellt ein Problem dar.

Weniger deutlich, aber durchaus entscheidend schlagen sich zudem fehlende Budgets (18 Prozent), fehlende Data Ownership (12 Prozent) und der Respekt vor IT-Fusionen, Regulatorik und den internen Gremien (jeweils 6 Prozent) nieder. Passend dazu sind externe Unterstützer auch ein viel größerer Treiber für die KI-Transformation (59 Prozent) als ausschließlich die eigenen Mitarbeiter (41 Prozent).

Um dies zu ändern und den KI-Reifegrad im Unternehmen zu erhöhen, setzen die Versicherer ihre größten Hoffnungen in eine gute Datenstrategie, Anwendungsfälle und die Weiterbildung der Belegschaft. Jeweils 35 Prozent der Versicherer glauben, dass ein unternehmensweites Konzept und erfolgreiche Anwendungsfälle notwendig sind.

Einige Unternehmen haben bereits erste Schritte unternommen. Zum Beispiel bei der KI-basierten Analyse der Schadensregulierung. 59 Prozent der Befragten sehen hier einen der wichtigsten Anwendungsfälle. 12 Prozent der Versicherer setzen die Technologie bereits ein. Zwei Drittel planen dies zumindest.

Ähnlich sieht es bei der automatisierten Verarbeitung von Rechnungsdaten aus. Diesen Anwendungsfall halten 47 Prozent der Unternehmen für besonders erfolgsversprechend. Vier von zehn Unternehmen haben KI an der Stelle sogar schon im Einsatz. Nirgendwo ist die Technologie weiter verbreitet.

Der Erfolg von KI-Systemen steht und fällt jedoch mit den Menschen, die sie bedienen: den Mitarbeitenden. 29 Prozent der befragten Unternehmen investieren daher in die Weiterbildung ihrer Belegschaft, um ihren KI-Reifegrad zu verbessern.

Aktiv, aber noch nicht visionär

Dass hier noch viel zu tun ist, zeigt ein Blick darauf, wie die Versicherer derzeit ihren eigenen KI-Reifegrad einschätzen. Demnach geben 53 Prozent der Befragten an, dass sie KI im Unternehmen aktiv einsetzen. Das bedeutet, dass das Analytics-Team gezielt historische Daten für einzelne Anwendungsfälle nutzt, um zukünftige Ereignisse vorherzusagen und Handlungsoptionen aufzuzeigen. Als visionär bezeichnet sich hingegen keines der Unternehmen. Das würde immerhin bedeuten, dass Echtzeit-Reportings die Grundlage für die meisten Prozesse und Entscheidungen liefern.

Doch wie kommen die Assekuranzen dorthin? Bisher haben sie bei der Optimierung durch intelligente Prozesse eher klassische Methoden im Blick. Die wichtigsten Ansätze sehen sie beispielsweise bei der Robotic-Process-Automation (82 Prozent) oder in ihren Ablauf-Management-Systemen (71 Prozent). KI-Methoden wie beispielsweise Natural Language Processing (65 Prozent), Zukunftsgerichtete Analyse oder Process Mining (jeweils 53 Prozent) folgen erst dahinter.

Entscheidungen auf Basis von maschinellem Lernen für die Klassifikation von Vorgängen sind dagegen mit jeweils 6 Prozent Zustimmung kaum ein Thema. Hier zeigt sich, dass sich die Branche in ihrem KI-Reifegrad zwar weit fortgeschritten sieht, entsprechende Methoden zur Optimierung aber noch nicht dominieren. Den Schatz haben sie also gefunden. Jetzt gilt es, die Truhe zu öffnen.

Zu den Autoren:

Annika Bergbauer ist Tech-Ökonomin und Datenexpertin. In ihrem Podcast Datenaffaire diskutiert sie mit ihren Gästen aus Wirtschaft und Wissenschaft Anwendungsfälle der Datenanalyse. Sie arbeitet als Senior Managerin bei Wavestone.

Oliver Hein ist Leiter Versicherungen bei Google Cloud in Deutschland. Er hilft deutschen Versicherungen ihren Weg in die Cloud erfolgreich und regulatorisch korrekt zu gestalten und die Möglichkeiten der Cloud zu heben.

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