- Von Jens Lehmann
- 06.11.2024 um 10:09
In den vergangenen zehn Jahren hat die Grundfähigkeitsversicherung eine erstaunliche Entwicklung genommen: Das unter Kunden lange Zeit kaum bekannte Nischenprodukt ist zu einem echten Verkäufer geworden. „Die Grundfähigkeitsversicherung wird als Alternative zum Berufsunfähigkeitsschutz gehandelt, auch wenn sie nicht die eigentliche berufliche Tätigkeit, sondern wesentliche Grundfähigkeiten absichert“, sagt André Meissner, Direktor Vertrieb bei der Canada Life.
Gerade in körperlich und psychisch belastenden Berufen, zum Beispiel im Handwerk oder in der Pflege, können sich viele Berufstätige eine Berufsunfähigkeitsversicherung (BU) wegen saftiger Zuschläge nicht mehr leisten oder haben aufgrund von Vorerkrankungen keine Möglichkeit, sich adäquat abzusichern – und weichen deshalb auf die Grundfähigkeitsversicherung aus. „Mittlerweile hat sie sich als wichtiger Bestandteil der Einkommensabsicherung etabliert“, bestätigt Sascha Bassir, Vorstand Baloise Vertriebsservice.
„Wir haben die Abfragezeiträume bei den Gesundheitsfragen reduziert“
Grundfähigkeitsversicherung: Analysten sehen noch Lücken
Das liegt auch am einfachen Konzept der Grundfähigkeitsversicherung mit eindeutig definierten, gut verständlichen Leistungsauslösern. Voraussetzung für Rentenzahlungen ist der Verlust körperlicher oder geistiger Kompetenzen. Wer beispielsweise nicht mehr hören, sehen, gehen oder Treppen steigen kann, erhält eine Grundfähigkeitsrente. Schon der Verlust einer versicherten Fähigkeit löst die Rentenzahlung aus, und zwar unabhängig davon, ob der Versicherte seinen Beruf noch ausüben kann oder nicht – ein wichtiger Unterschied zur klassischen BU, deren Leistungsauslöser in aller Regel der Berufsunfähigkeitsgrad von 50 Prozent ist.
Auch der Grund für den Verlust der Fähigkeit spielt keine Rolle: Die Versicherung zahlt unbeachtet der Ursache des Handicaps, sei es durch Unfall, Krankheit oder allgemeinen körperlichen Verfall. Der Leistungsfall ist ausgelöst, sobald eine versicherte Grundfähigkeit verloren geht. Ein überschaubares, klares Versicherungskonzept.
Günstiger und offener
Für die Grundfähigkeitsversicherung spricht zudem, dass sie recht günstig zu haben ist. Das liegt vor allem am begrenzten Versicherungsumfang, dem damit einhergehenden geringeren Leistungsrisiko für den Versicherer und der meist kürzeren Vertragslaufzeit im Vergleich zur BU.
Zudem punktet die Grundfähigkeitsversicherung mit einer verkürzten Gesundheits- und Risikoprüfung. Sie ermöglicht auch Kunden mit Vorerkrankungen einen Zugang ohne Zuschläge oder Leistungsausschlüsse, was an der im Vergleich zur BU höheren Annahmequote deutlich wird. Ein weiterer Grund dafür, dass der Grundfähigkeitsschutz gerade bei Beschäftigten in „körperlichen Berufen“ sehr gut ankommt und zunehmend als echte Alternative zur Berufsunfähigkeitsversicherung wahrgenommen wird.
Schutzpakete für spezielle Zielgruppen
Darüber hinaus zeichnen sich mehrere Trends innerhalb des Marktsegments für Grundfähigkeitsversicherungen ab, die die ohnehin schon steigende Nachfrage künftig noch weiter befeuern dürften. Wegen des Produkterfolgs nehmen immer mehr Anbieter Grundfähigkeitsversicherungen in ihr Portfolio auf. Die wachsende Konkurrenz wiederum belebt das Geschäft: Die Versicherer schärfen ihre Angebote kontinuierlich nach und erweitern ihre Kataloge versicherbarer Grundfähigkeiten um neue, die sich ganz nach Bedarf nach dem Bausteinprinzip miteinander kombinieren lassen.
Und schließlich schnüren die Versicherer immer häufiger spezielle, auf bestimmte Zielgruppen zugeschnittene Schutzpakete. Im Fokus stehen beispielsweise konkrete Berufsbilder sowie immer jüngere Zielgruppen. Damit erweitert sich der Kreis der potenziellen Kunden ganz erheblich, was die Grundfähigkeitsversicherung für immer mehr Menschen attraktiver macht. „Der Markt ist sehr dynamisch“, fasst Experte Bassir die Entwicklung zusammen.
Aber der Reihe nach. In Deutschland werben mittlerweile gut zwei Dutzend Grundfähigkeitsversicherer um Kunden. Damit hat sich die Zahl der Anbieter innerhalb einer Dekade mehr als verdoppelt, die Zahl der Tarife ist geradezu explodiert. Neben „fundamentalen“ Grundfähigkeiten wie Schreiben, Sprechen oder Greifen sind mittlerweile viele weitere Kompetenzen versicherbar.
Die Canada Life hat jüngst die Bedienung von Smartphone oder Tastatur, die Nutzung des Öffentlichen Personennahverkehrs oder das Fahrradfahren in ihren Grundfähigkeitskatalog aufgenommen. „Eine zeitgemäße Ergänzung, die der Technologie-Nutzung im Alltag und der individuellen Mobilität Rechnung trägt“, begründet André Meissner. Neu versicherbar sind außerdem Herz-, Lungen-, Leber- und Nierenfunktion.
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