- Von Andreas Harms
- 20.11.2024 um 13:50
Klingt zwar merkwürdig, ist aber so: Das Urteil, das die Transportbranche und insbesondere die Transportgüterversicherung so stark trifft, dreht sich eigentlich um eine Reiseversicherung. Genauer genommen, um Reiseversicherungspakete. Gefällt hat es der Bundesfinanzhof am 13. Dezember 2011 (Aktenzeichen: II R 26/10). Nicht ganz zehn Jahre später holt es das Bundesfinanzministerium aus der Schublade und drückt es auch der Transportbranche auf. Die könnte das in den kommenden Jahren Millionen kosten.
Doch der Reihe nach. Grundlage für die steuerliche Hakelei ist Paragraf 4 im Versicherungsteuergesetz (VersStG). Der regelt, wann Versicherungsprämien von der meist 19-prozentigen Versicherungsteuer verschont bleiben. Womit wir zur Transportgüterversicherung kommen. Sie versichert Waren gegen Schäden und Diebstahl, wenn diese transportiert oder in Zusammenhang mit einem Transport gelagert werden. Steuerfrei sind die Prämien, wenn die Waren ausschließlich im Ausland oder über die deutsche Grenze befördert werden. Wenn sie also aus dem Ausland kommen oder ins Ausland gehen, was in einer Exportnation wie Deutschland nicht allzu selten vorkommt.
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Ebenfalls steuerfrei ist es zweifellos, wenn der Transporteur die Ware bis zu 60 Tage lang zwischenlagert und dafür versichert. Nicht aber, wenn er sie nur lagert und nicht transportiert. Oder wenn er sie von einem deutschen Ort durchs Ausland zu einem anderen deutschen Ort bringt. So viel zu den noch überschaubaren Details.
Bundesfinanzhof haut mit dem Hammer auf den Tisch
Kompliziert wird es allerdings durch einen Vorgang, den die Branche als Infektion bezeichnet. Den Grundstein dafür legte der Bundesfinanzhof mit dem eingangs erwähnten Urteil. Denn auch die darin behandelten Reiseversicherungspakete enthielten einen steuerfreien Teil, nämlich für die Auslandsreisekrankenversicherung. Der Versicherer hatte die Beiträge zwar intern buchhalterisch getrennt, dem Kunden den Gesamtbeitrag aber nur in einer Summe ausgewiesen. Nach einigem rechtlichen Hin und Her haute der Finanzhof mit dem Hammer auf den Tisch und befand: Die komplette Prämie ist steuerpflichtig. Sie ist sozusagen infiziert. Verhindern lässt sich das nur, wenn steuerpflichtige und steuerfreie Bestandteile im Vertrag getrennt ausgewiesen werden.
Das Finanzministerium griff in einem Schreiben vom 1. Oktober 2021 den Fall auf und wandte ihn ausdrücklich auf die Transportgüterversicherung an. Ohne jede Bagatellgrenze, aber freundlicherweise immerhin ein Stückchen gelockert: Während der Finanzhof schon im Vertrag genaue Zahlen fordert, reichen in der Transportbranche erstmal prozentuale Schätzwerte aus. In der endgültigen Abrechnung möchten es dann aber bitteschön die genauen Beträge sein.
Die ganze Materie riecht durchweg nach Umständlichkeit, Bürokratie und vor allem: Willkür gegenüber dem Mittelstand. „Es ist für das Gerechtigkeitsempfinden fast unerträglich, dass kleinste Zusatzbausteine die Gesamtprämie steuerlich infizieren“, schimpft Julie Schellack, Partnerin bei der Lübecker Makler-Holding Martens & Prahl. Selbst die kleinsten Deckungserweiterungen würden alles schon steuerpflichtig werden lassen, sagt sie.
Positionspapier des GDV zur Transportgüterversicherung
Der Versichererverband GDV hat sich mit der Sache bereits vor Jahren befasst und ein Positionspapier geschrieben. Darin geht er insbesondere auf die gängige Praxis ein, dass Versicherungen im Transport oft „andere Gefahren und Risiken“ mit abdecken. Als Beispiele nennt er Reisegepäck oder Schlüsselverlust, die oft mit dazugehören. Somit kann ein einzelner Koffer eine komplette Transportversicherung steuerlich anstecken. Kein schöner Gedanke.
Doch dann weist der GDV auch auf einen feinen Unterschied hin: Im Urteil des Finanzhofs zu den Reiseversicherungen ging es um ein Bündel aus Versicherungen, also mehrere Verträge mit gesonderten Bedingungen. Im Transport handele es sich aber um „verbundene Versicherungen“ – und die sind nur ein einziger Vertrag, der eben teilweise von der Steuerausnahme erfasst wird. Kleiner, aber wesentlicher Unterschied, findet man beim GDV. Weshalb das Urteil des Finanzhof gar nicht in die Transportbranche passe. Mit anderen Worten: Der Verband zweifelt das Schreiben des BMF an. Und das ist alles noch die Kurzfassung, die gesamte Stellungnahme erstreckt sich über 20 Seiten.
Seite 2: Das Schreiben des BMF könnte rückwirkend gelten und dadurch teuer werden
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