Julian Hosse ist Sales Executive bei Vanguard. © Vanguard
  • Von Oliver Lepold
  • 26.11.2024 um 10:06
artikel drucken artikel drucken
lesedauer Lesedauer: ca. 05:35 Min

Julian Hosse ist Sales Executive bei Vanguard. Im Interview mit Pfefferminzia erläutert er, wie sich der Wert guter Beratung genau quantifizieren lässt und warum Berater gut daran tun, mit ihren Kunden ein Verhaltenscoaching durchzuführen.

Pfefferminzia: Warum tun sich viele Anleger schwer mit rationalen Entscheidungen? 

Julian Hosse: Es stehen immer mehr Informationsquellen zur Verfügung. Das hat die Digitalisierung mit sich gebracht und das ist an sich auch gut. Es sind aber so viele, dass der Fokus leicht verloren gehen kann, zumal nicht alle Portale vertrauenswürdig sind. Gute Finanzberatung kann hier die Hilfe bieten, die richtigen Informationen zu bekommen, die dann auch auf bestimmte Marktphasen und Lebensphasen vorbereiten. Etwa, wenn der Dax plötzlich um 5 oder 10 Prozent fällt. 

Sie haben den Wert professioneller Beratung mit 3 Prozent quantifiziert. Wer sich professionell beraten lässt, hat also 3 Prozent mehr Rendite. Wie kommen Sie auf diesen Wert?

Hosse: Das ist ein zentrales Ergebnis unserer Studie Advisors Alpha, die wir bereits seit über 20 Jahren durchführen. Ein großer Teil davon beschäftigt sich mit Verhaltenscoaching. Das steht generell bei uns im Mittelpunkt, weil die möglichen Marktrenditen nur von ganz wenigen Anlegern in Eigenregie erreicht werden. Sie sabotieren sich mit ihrem eigenen Verhalten, insbesondere in turbulenten Marktphasen, auch wenn sie sich ein anderes Verhalten fest vorgenommen haben. Die Hälfte der 3 Prozent Mehrrendite entsteht durch das Verhaltenscoaching eines guten Beraters. 

Und die anderen 1,5 Prozent?

Hosse: Beim Thema Ruhestandsplanung entsteht ein großer Mehrwert. Das heißt, mit dem Kunden rechtzeitig darüber nachzudenken, wie er für den Ruhestand aufgestellt ist. Auch das ist Teil eines vernünftigen Financial-Planning-Prozesses und genau da unterstützen wir dann auch gerne mit den richtigen Anstößen, damit die richtigen Fragen gestellt werden. Zudem tragen auch die Asset Allocation und andere Themen zum Mehrwert der Beratung bei. 

Die Digitalisierung schreitet fort. Welche Rolle spielt sie in der professionellen Beratung und wo liegt die Grenze, ab der der Kunde Automatisierungen nicht mehr akzeptiert?

Hosse: Viele Gebiete, etwa die Fondsauswahl, lassen sich über digitale Strecken abbilden oder durch vorgegebene Portfolios oder Vermögensverwalter. Aber wenn es darum geht, beispielsweise zum Thema Ruhestandsplanung zu beraten, verlassen sich Menschen nur sehr ungern auf digitale Tools. In sensiblen Bereichen erwartet der Kunde physisch oder zumindest virtuell mit einer echten Person zu sprechen. Die Digitalisierung bietet aber viele Chancen, dem Berater mehr Zeit für seine Kunden zu verschaffen, um entsprechend auf die individuellen Bedürfnisse jedes Kunden eingehen zu können.
 
Wer Verhaltensfehler vermeidet, kann demnach mit höheren Renditen rechnen. Welches Verhalten ist am schädlichsten?

Hosse: Wenn sich der Kunde bei turbulenten Marktphasen kurzfristig entscheidet, die vorher festgelegte Anlagestrategie zu verlassen. Das ist besonders schädlich, weil dadurch die Möglichkeit genommen wird, diese Marktphasen aufzuholen und Verluste wieder auszugleichen. Dazu haben wir Studien, die besagen, dass es insbesondere in volatilen Marktphasen wichtig ist, das Portfolio zu überdenken und zu rebalancieren, also wieder in die Strategie zurückzufinden und sich nicht vom gewählten Pfad abbringen zu lassen. In solchen Phasen ist der Berater besonders gefordert, aktiv auf seine Kunden zuzugehen.

Was bedeutet aktives Beraten konkret?

Hosse: Dazu gehören drei Teile: Planung, proaktives Denken und positives Denken. Das positive Denken ist ganz entscheidend, denn wir nehmen Verluste grundsätzlich doppelt so stark wahr, wie wir das mit Gewinnen tun! Und deswegen ist es essenziell, dass wir das Augenmerk immer auf positive Marktzyklen richten und diese unterstreichen, denn sie verschwinden schnell in der Rückwärtsbetrachtung. Ein solches Bewusstsein hilft den Beratern, die Kunden auch durch turbulente Marktphasen zu coachen. Berater sollten daher stets mit einer positiven Einstellung in ein Beratungsgespräch gehen.  
 
Wenn Kunden ihr Kapital einem Vermögensverwalter anvertrauen, dann treten sie die Entscheidungskraft an diesen ab. Spielt dann Verhaltenscoaching noch eine Rolle?

Hosse: Unbedingt. Wir sehen einen Trend dazu, dass bestimmte Modellportfolios verwendet werden, die Systematiken folgen und nicht den typischen Anlagefehlern unterliegen. Trotzdem muss der Kunde regelmäßig darüber aufgeklärt werden, wie sein Investment läuft. Und da kann er theoretisch immer wieder aussteigen. Von daher ist es auch für Vermögensverwalter wichtig, regelmäßig Beratungsleistungen zu erbringen. Gute Beratung zeigt sich insbesondere in diesen volatilen Marktphasen.

autorAutor
Oliver

Oliver Lepold

Oliver Lepold ist Dipl.-Wirtschaftsingenieur und freier Journalist für Themen rund um Finanzberatung und Vermögensverwaltung. Er schreibt regelmäßig für Pfefferminzia und andere Versicherungs- und Kapitalanlage-Medien.

kommentare

Hinterlasse eine Antwort

kommentare

Hinterlasse eine Antwort

Pfefferminzia Logo rgb
Suche
Close this search box.
Zuletzt hinzugefügt
Wie die Zukunft der bAV aussieht
Handelsblatt Jahrestagung bAV 2024

Wie die Zukunft der bAV aussieht

Vermittler müssen und wollen sich weiterbilden
AfW-Vermittlerbarometer: Nachhaltigkeit

Vermittler müssen und wollen sich weiterbilden

Skip to content